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Verankerung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen in der Verordnung über die Wahl zur verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung

von Kathrin Zehender
Mit dem Reichswahlgesetz trat am 30. November 1919 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in Kraft. Doch die Geschichte des Frauenwahlrechts und insbesondere dessen Verwirklichung in der praktischen Politik hatte mit diesem Tag nur eine erste – gleichwohl überaus bedeutende – Hürde genommen.

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Die Revolution in Sachen Frauenwahlrecht geschah nicht ohne Vorzeichen. In den Wochen vor dem 19. Januar 1919 traten erstmals Frauen an die Rednerpulte und warben um die Stimmen der Wählerinnen und Wähler. Es galt, eine Nationalversammlung zu wählen, die für Deutschland nach Krieg und Revolution eine neue, demokratische Verfassung ausarbeiten sollte. An dieser Aufgabe würden endlich auch Frauen als gewählte Mitglieder eines Parlaments mitwirken.

Am 12. November 1918 hatte der Rat der Volksbeauftragten in Berlin verkündet: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf Grund des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Mit dem Reichswahlgesetz trat am 30. November 1919 das aktive und passive Wahlrecht für Frauen in Kraft. Doch die Geschichte des Frauenwahlrechts und insbesondere dessen Verwirklichung in der praktischen Politik hatte mit dem 12. November 1918 nur eine erste – gleichwohl überaus bedeutende – Hürde genommen. Von den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen im Herbst 1918 – dem militärischen Zusammenbruch, den revolutionären Ereignissen, der Flucht des Kaisers und der Ausrufung der Republik am 9. November – wurden die bürgerlichen Parteien und deren Anhängerschaft unvorbereitet getroffen. Dem Frauenwahlrecht hatten sie bis zuletzt ablehnend gegenübergestanden, sahen sie doch die Frauen im Allgemeinen als nicht „reif“ genug an, um zu wählen.

Ob und – wenn ja – welches Wahlrecht den Frauen zugesprochen werden sollte, war auch innerhalb der Frauenverbände stark umstritten. International war die Unterstützung für das Frauenwahlrecht dagegen groß: So stellten seit Mitte des 19. Jahrhunderts insbesondere in England die Frauenrechtlerinnen, die Suffragetten, weitgehende Forderungen.

 

Ausrufung des Frauenwahlrechts

In Deutschland verstanden sich die Frauenverbände in erster Linie als Bildungs- und Wohltätigkeitsvereine. Der 1865 gegründete Allgemeine Deutsche Frauenverein mit Louise Otto-Peters an der Spitze stellte zum Beispiel die Bildungsfrage in den Mittelpunkt; offene Wahlrechtsforderungen sah man als „schädlich für die Frauenfrage“ an. Bildung und bessere Berufsmöglichkeiten sollten dagegen als erster Schritt zu mehr Selbstbestimmung führen.

Ohnehin bewegten sich die Vereine auf sensiblem Terrain: Politisches Engagement war den Frauenvereinen bis Anfang des 20. Jahrhunderts verboten, sodass ihnen – wollten sie nicht zwangsweise aufgelöst werden – ohnehin nur ein karitatives Betätigungsfeld und die Bildungsarbeit blieben. Die Frage nach dem Frauenwahlrecht gewann erst Ende des 19. Jahrhunderts an Bedeutung. Die einzige Partei, die die Forderung nach einem Frauenwahlrecht in ihr Programm schrieb, war die SPD. August Bebel hatte sich damit 1891 in Erfurt durchgesetzt, gleichwohl gelang ihm dies nur gegen erheblichen Widerstand aus den eigenen Reihen. Um die Jahrhundertwende gründeten sich zwar die ersten Frauenstimmrechtsvereine, doch war man von einem einheitlichen Vorgehen noch weit entfernt. So forderten nur die „Radikalen“, wie sie sich selbst nannten, das gleiche und allgemeine Wahlrecht, während die große Mehrheit der gemäßigten Vereine deutlich behutsamer vorging. Noch 1912 beschloss der Bund Deutscher Frauenvereine, in der Frauenstimmrechtsfrage Neutralität zu wahren.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs trat die Stimmrechtsfrage abrupt in den Hintergrund. Stattdessen wurden die konfessionellen und bürgerlich-liberalen Frauenbewegungen von einem gesteigerten Nationalismus erfasst. Ohne zu zögern, waren sie bereit, sich in den Dienst der Nation zu stellen. Sie verbanden damit die Hoffnung, dass ihr Patriotismus und Engagement mit erweiterten gesellschaftlichen und politischen Rechten belohnt werden würde.

Die Hoffnung aber, dass sie es sich durch ihren Einsatz während der Kriegsjahre „verdient“ hatten, politisch angemessen berücksichtigt zu werden, wurde nach der Ausrufung des Frauenwahlrechts am 12. November 1918 enttäuscht. So wollten zwar alle Parteien vom passiven Frauenwahlrecht profitieren und umwarben die Frauen intensiv. Doch als in den Wochen vor der Wahl zur Nationalversammlung die Parteien ihre Kandidaten aufstellten, wurde schnell klar, dass Frauen nur selten auf einen sicheren Listenplatz gesetzt wurden und sich in aller Regel mit aussichtslosen Plätzen zufriedengeben mussten.

 

Frauen in der Nationalversammlung

Befürchtungen insbesondere aufseiten der konservativen und christlich geprägten Parteien, dass sich Frauen an der Wahl nur wenig beteiligen würden, bewahrheiteten sich indessen nicht. So lag die Wahlbeteiligung der Frauen bei dieser ersten Wahl höher als die der Männer. Die überproportional hohe Beteiligung hielt jedoch nicht an: Bei allen folgenden Wahlen rutschte die Wahlbeteiligung unter die der Männer. Dass aber gerade die Partei, die sich als erste überhaupt für das Frauenwahlrecht ausgesprochen hatte, von dessen Einführung am wenigsten profitierte, mag überraschen: Frauen präferierten klar konservative und christlich orientierte Parteien und seltener Parteien des linken Spektrums. Aber auch rechtsextreme Parteien wurden von Frauen seltener gewählt. Von den insgesamt rund 300 weiblichen Kandidaten für die Nationalversammlung schafften 37 den Sprung ins Parlament. Die Weimarer Nationalversammlung hatte damit einen Frauenanteil von 8,7 Prozent. Mit insgesamt 22 weiblichen Abgeordneten (12,6 Prozent) rangierten die Mehrheitssozialdemokratische Partei Deutschlands (MSPD) und die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) gemeinsam weit über dem Schnitt der Nationalversammlung. Das Zentrum einschließlich der Bayerischen Volkspartei (BVP) erhielt 89 Mandate, sechs gingen an Frauen. Der prozentuale Frauenanteil des Zentrums lag damit bei 6,7 Prozent. Die niedrigste Frauenquote mit nur einer Abgeordneten, beziehungsweise 4,5 Prozent, hatte die Deutsche Volkspartei (DVP). Bei der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) schafften es sechs (8,1 Prozent), bei der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) drei Frauen (7,1 Prozent) in die Nationalversammlung.

Die Biographien der Parlamentarierinnen im bürgerlichen Lager wiesen große Ähnlichkeiten und Überschneidungen auf: Die meisten Frauen waren unverheiratet und kinderlos. Fast alle hatten einen Beruf erlernt oder sogar studiert und waren zuvor schon viele Jahre in der Frauenbewegung engagiert. In ihren Fraktionen wurden die Frauen zunächst mit Skepsis und Zurückhaltung aufgenommen. Von informellen Führungszirkeln waren sie oft ausgeschlossen. Auch hatten sie nur selten Gelegenheit, im Plenum zu sprechen, und wenn doch, redeten sie oft vor leeren Bänken. Doch die „Neulinge“ lernten schnell die parlamentarischen Regeln und konnten so mit der Zeit ihren eigenen Einfluss stärken.

Insbesondere in den Ausschüssen des Reichstags konnten sie kompetent und engagiert mitarbeiten. Besonders stark war ihr Einfluss im sozialpolitischen Ausschuss, wo sie unter anderem an der Arbeitslosenversicherung mitarbeiteten oder dazu beitrugen, die Versorgung der Kriegsverletzten und Hinterbliebenen zu verbessern. Auch der Schutz von Schwangeren und Wöchnerinnen wurde unter Mitwirkung der Parlamentarierinnen neu gefasst und setzte im internationalen Vergleich hohe Standards.

Zu einer fraktionsübergreifenden Zusammenarbeit kam es dabei selten. Bei vielen Themen, mit denen sich die Frauen beschäftigten, traten schnell weltanschauliche Differenzen auf, die ein gemeinsames Vorgehen unmöglich machten. Dies zeigte sich bereits bei der Beratung der Grundrechte in der Weimarer Nationalversammlung, als die Abgeordneten von MSPD und USPD die uneingeschränkte Gleichberechtigung von Frauen und Männern forderten, die Parlamentarierinnen der übrigen Parteien sich aber gegen eine „naturwidrige Gleichartigkeit“ stellten und stattdessen für „grundsätzliche“ Gleichberechtigung und „Gleichwertigkeit“ plädierten.

Während sich die Frauen in ihren Fraktionen zunehmend Respekt verschafften und als kompetente Partner anerkannt wurden, herrschten dagegen in der Bevölkerung weiterhin starke Vorbehalte gegenüber Frauen in der Politik. Dass es Frauen grundsätzlich an Erfahrung und Kenntnissen für diese Aufgabe fehle, sie Männern Parlamentssitze wegnähmen und sie auf der Rednerbühne völlig fehl am Platz seien, waren gängige Klischees.

Spiegelbildlich dazu nahm der Frauenanteil im Reichstag immer weiter ab. Der bei der Wahl zur Nationalversammlung erreichte Frauenanteil – 8,7 Prozent – wurde in der Weimarer Republik nicht mehr erreicht und sank kontinuierlich. Besonders in den Jahren der politischen und wirtschaftlichen Krise ab 1930 nahmen Tendenzen zu, Frauen aus dem wirtschaftlichen und politischen Leben zurückzudrängen. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 waren noch 5,6 Prozent, bei der letzten Reichstagswahl im März 1933 nur noch 3,8 Prozent der Abgeordneten weiblich.

Mit der bedingungslosen Kapitulation begann im Sommer 1945 unter alliierter Kontrolle nach zwölf Jahren Diktatur der politische Wiederaufbau. An diesem Neuanfang wirkten Frauen maßgeblich mit, unter ihnen Christine Teusch, Elisabeth Zillken, Luise Rehling und Aenne Franken. Sie alle waren bereits in Weimar politisch aktiv gewesen und konnten nun in den Gremien der neu gegründeten CDU, in Frauenausschüssen, den Länderparlamenten und im Parlamentarischen Rat am demokratischen Neubeginn mitwirken.

 

Das Frauenbild in der Ära Adenauer

Konrad Adenauer maß der Mitarbeit der Frauen am politischen wie auch gesellschaftlichen Wiederaufbau große Bedeutung bei, knüpfte dabei aber an ein Frauenbild an, das noch bis weit in die 1950er-Jahre hinein auch unter Frauen im bürgerlichen Milieu Konsens war: Die Frau war das Herz der Familie, und eine berufliche oder politische Tätigkeit sollte stets mit der besonderen Wesensart der Frau und Mutter harmonieren.

In Abgrenzung zum Nationalsozialismus, vor allem aber auch zum Kommunismus, wandte man sich gegen eine „naturwidrige Gleichmacherei“. Wie schon in der Weimar Republik galt die Devise, dass Frauen „andersartig, aber gleichwertig“ seien. Frauen sollten nicht „wie in den Uranbergwerken des Ostens als Arbeitssklavin an solcher Gleichberechtigung zu Grunde gehen“, erklärte Adenauer 1951.

Die erste Generation CDU-Politikerinnen – die meisten von ihnen unverheiratet und kinderlos und damit frei für eine politische Tätigkeit – sah sich ebenfalls in der Tradition dieses Frauenbildes. Dies bedeutete jedoch keineswegs, dass die Frauen in der Union nicht für eine angemessene Berücksichtigung von Frauen in der Politik kämpften. Vielmehr sahen sie sich wie schon in den 1920er-Jahren mit der Problematik konfrontiert, dass Frauen zwar deutlich die Bevölkerungsmehrheit stellten und zudem mehrheitlich konservativ wählten, ihnen aber meist politische und parlamentarische Führungspositionen verschlossen blieben.

Als 1950 in Goslar die Bundespartei gegründet wurde, gingen sämtliche Vorstandsämter an Männer. Erst 1967 wurde mit Aenne Brauksiepe eine Frau zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. Sechs Jahre zuvor hatte Adenauer Elisabeth Schwarzhaupt zur ersten Bundesministerin berufen – zähneknirschend, nachdem er bereits 1957 sein Versprechen, ein Ministeramt mit einer Frau zu besetzen, nicht eingelöst hatte.

Die Muster der Weimarer Republik setzten sich auch mit Blick auf das Wahlverhalten der Frauen nach 1945 zunächst fort: Zum einen blieb die Wahlbeteiligung unterhalb der der Männer; zum anderen neigten Frauen nach wie vor stärker zu konservativen und christlichen Parteien. Bis 1969 hielt dieser „Frauenüberschuss“ bei der Union an, bevor bei der Bundestagswahl 1972 erstmals mehr Frauen der SPD ihre Stimme gaben als der Union.

 

Aktiv in der Partei

Von diesen Entwicklungen alarmiert, setzte in der CDU ein nachhaltiges Umdenken ein, das insbesondere auf den neuen Vorsitzenden Helmut Kohl und seinen späteren Generalsekretär Heiner Geißler zurückging: Frauen sollten nicht nur als Wählerinnen zurückgewonnen, sondern auch zur aktiven Mitarbeit in der Partei mobilisiert werden.

Dass die Geschichte des Frauenwahlrechts und die Mitwirkung der Frauen in der Politik generell keine kontinuierliche Erfolgsgeschichte, sondern gerade auch in der Parteigeschichte der CDU ein langwieriger und bisweilen ambivalenter und widersprüchlicher Prozess ist, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf die Frauenmandate der Union im Bundestag.

Erst in den 1990er-Jahren gelang es, den Frauenanteil signifikant zu steigern. 1969 war mit gerade einmal 5,6 Prozent der Tiefpunkt erreicht. Die Zehnprozentmarke konnte erstmals bei der Bundestagswahl 1990 geknackt werden. Nur zehn Jahre später ist die CDU die erste Volkspartei, die von einer weiblichen Vorsitzenden geführt wird und seit nunmehr dreizehn Jahren die erste Bundeskanzlerin in der deutschen Geschichte stellt.

Dieser Artikel erschien im Original unter dem Titel "Erfolgsgeschichte mit Hindernissen" in der Politischen Meinung (Ausgabe vom 10 Oktober 2018, S. 110-114).

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