Die Entstehung des Landes Rheinland-Pfalz
Das Gebiet des heutigen Rheinland-Pfalz stand am Ende des Zweiten Weltkriegs unter amerikanischer Besatzung, wobei die Landkreise der Südpfalz der französischen Armee unterstellt wurden. Bereits kurze Zeit später wurde das Gebiet unter die Militärverwaltung des französischen Generals Pierre Koenig, der in Baden-Baden residierte, gestellt. Die Militärverwaltung schuf zwei neue Verwaltungseinheiten: im Norden Rheinland-Hessen-Nassau (darunter die Regierungsbezirke Trier, Koblenz, Montabaur) und Hessen-Pfalz im Süden. Schon im Januar 1946 gab es Überlegungen, den Norden und den Süden der französischen Zone zusammenzufassen. Schließlich wurde am 8. April 1946 eine gemeinsame Verwaltung für Rheinland-Hessen-Nassau und Hessen-Pfalz beschlossen. Durch die „Verordnung 57“ kam es am 30. August 1946 zum Zusammenschluss beider Provinzen zum Land Rheinland-Pfalz.
Die französische Deutschlandpolitik zielte auf die Erneuerung der politischen und wirtschaftlichen Stellung Frankreichs sowie auf eine harte Reparationspolitik. Damit verbunden war die Schwächung der Nachbarländer im Osten. Zudem wurde in Deutschland die Einführung der parlamentarischen Demokratie und die Entnazifizierung der Bevölkerung angestrebt.
Die Anfänge der Parteibildung
Die Anfänge der christlich-demokratischen Politik und die Gründung entsprechender Parteien im Gebiet des Landes Rheinland-Pfalz lagen vor allem in den Händen von Männern und Frauen, die bis zur Landesgründung politisch wenig hervorgetreten waren. Einige wenige waren vor 1933 Mitglieder des Zentrums gewesen. Im Frühsommer 1945 regten sich erste politische Aktivitäten, die von zwei gegenläufigen Tendenzen gekennzeichnet waren: Die einen strebten eine Neugründung des Zentrums, die anderen eine neue, überkonfessionelle Partei auf christlicher Grundlage an. Vor allem in Regionen mit vermehrt katholischer Bevölkerung versuchte man, an die Tradition des Zentrums anzuknüpfen, wie z.B. in Trier oder Koblenz. Gegenteilig verhielt es sich in der Region um Worms oder Speyer, wo es, aufgrund der zumeist evangelischen Bevölkerung, kaum Befürworter einer Neugründung des Zentrums gab.
Die französische Militärregierung unter dem Generalverwalter Émile Laffon reglementierte zudem die Neubildung von Parteien. So konnten erst ab Dezember 1945 Parteien lizenziert werden.
In den Regierungsbezirken der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau, in der die Bevölkerung überwiegend katholisch war, gab es bereits kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs Bestrebungen zum Aufbau einer überkonfessionellen Partei, die schließlich am 20. September 1945 zur Gründung der Christlich-Demokratischen Partei (CDP) in Trier führten. Zum Gründungsausschuss zählten u.a. der frühere Landrat Alois Zimmer, der christliche Gewerkschafter August Wolters, der ehemalige Bezirksvorsitzende des Zentrums Heinrich Kemper und die Studienrätin Mathilde Gantenberg. Am 4. Dezember 1945 wurde die Parteigründung von der Militärregierung genehmigt. Trier schloss sich am 31. Januar 1946 mit den CDP-Bezirksverbänden Montabaur und Koblenz zur Provinzialpartei Rheinland-Hessen-Nassau zusammen. In Koblenz war es eine Gruppe ehemaliger Zentrumsmitglieder um Franz Heinrich, die im Sommer 1945 die christlich-demokratische Parteigründung vorantrieb. Zu den Mitgliedern zählten der ehemalige Zentrums-Stadtrat Peter Altmeier, der Richter Hubert Hermans und die Rektorin Helene Rothländer. Die Zulassung der CDP im Bezirk Koblenz und der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau erfolgte am 16. Januar 1946, schon kurze Zeit danach, am 17. Februar 1946, kam es zum offiziellen Zusammenschluss von Trierer- und Koblenzer CDP zur CDP Rheinland-Hessen-Nassau. Vorsitzender wurde Franz Heinrich.
Im Gegensatz zu der unproblematisch verlaufenden Gründung der CDP in Rheinland-Hessen-Nassau, gestaltete sich die Gründung der CDU in Hessen-Pfalz schwierig. Dies lag zum einen an unterschiedlichen politischen Positionen, zum anderen an der Feindschaft zwischen den Anhängern des Zentrums und der Bayerischen Volkspartei (BVP). In der Pfalz setzten sich vor allem der Landauer Bürgermeister Gustav Wolff, der Pfarrer Johannes Finck und Adolf Baumann, ein Mitglied der BVP, für die Etablierung einer überkonfessionellen christlichen Partei ein. Es folgten monatelange und mühevolle Auseinandersetzungen mit Anhängern anderer christlicher Strömungen. Schließlich griff die Militärregierung ein und setzte eine Frist für den Zulassungsantrag. Der Antrag wurde am 30. Januar 1946 eingereicht, jedoch, da die rheinhessischen Kreise nicht einbezogen waren, kurz darauf von der Militärverwaltung zurückgewiesen. In Rheinhessen war es der frühere Generalsekretär der Zentrums-Partei, Lorenz Diehl, der mit ehemaligen Parteifreunden in Worms das Zentrum wiederbeleben wollte und bereits kurz nach Kriegsende, eine soziale, christlich-demokratische Partei propagierte, die für evangelische und katholische Christen offen sein sollte. Gleiche Bestrebungen gab es auch in anderen Städten Rheinhessens. Am 9. Januar 1946 schlossen sich schließlich die ehemaligen Führungsfiguren der Zentrums-Partei zur Christlich-Sozialen-Volkspartei (CSVP) zusammen. Diese konnte sich allerdings nicht gegen den Willen der Militärregierung, noch weniger gegen die Befürworter der Unions-Idee durchsetzen. So fand am 11. Januar 1946 in Worms eine Versammlung zur Konstituierung der CDU Rheinhessen statt. Am 5. März 1946 wurde die Partei zugelassen.
Langwieriger Einigungsprozess
Zum Zeitpunkt der Landesgründung existierten somit auf dem Gebiet von Rheinland-Pfalz zwei organisatorisch unabhängige christliche Parteien: zum einen die CDP in der Provinz Rheinland-Hessen-Nassau, zum anderen die CDU in der der Provinz Hessen-Pfalz.
Die Auflage der französischen Besatzungsmacht, dass sich in Rheinhessen und der Pfalz nur eine christliche Partei bilden dürfe, führte zu Auseinandersetzungen und Verhandlungen über die Programmatik der neuen Partei. Nach dem Vorbild der Briten und Sowjets entschieden die Franzosen, die Wahlen der Gemeinderäte am 15. September 1946 und die Wahlen zur Kreisversammlung am 13. Oktober 1946 anzusetzen. Nachdem die christlich-demokratischen Parteien die Mehrheit in der Beratenden Landesversammlung von Rheinland-Pfalz bildeten, somit an der Verfassungsgebung beteiligt waren und als stärkste Regierungspartei den Ministerpräsidenten stellten, mussten beide Parteien – vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahl – zu einer inhaltlichen und organisatorischen Gesamtheit verschmolzen werden. Anfang Oktober 1946 begannen erste Sondierungsgespräche für die Vereinigung der CDP und der CDU. Der Weg dorthin war nicht einfach. Dies lag nicht nur an inhaltlichen, sondern vor allem auch an persönliche Differenzen zwischen den Mitgliedern beider Parteien. Der Parteiname war zunächst das zentrale Thema der Vereinigungsverhandlungen, wobei beide Seiten der Überzeugung waren, dass mit der Wahl eine Richtungsentscheidung für die Programmtik verknüpft war.
Diejenigen, die für die Bezeichnung „Union“ plädierten, wollten sich von der Entwicklung im übrigen Deutschland nicht entfernen. Die christlichen Demokraten in der sowjetischen Besatzungszone, ihnen voran Jakob Kaiser und Andreas Hermes, plädierten für einen staatlichen Wiederaufbau, der von Berlin, unter der Führung der „Christlich-Demokratische Union Deutschlands“ (CDUD), ausgehen sollte. Vor allem die Vertreter der Koblenzer Region um Peter Altmeier und Adolf Süsterhenn sträubten sich hiergegen und sprachen sich stattdessen für den Namen CDP aus. Laut Altmeier entsprach dies auch dem Willen der französischen Besatzungsmacht, wobei es darum ging, sich von der Berliner CDU und ihrer von Jakob Kaiser propagierten Politik eines „christlichen Sozialismus“ zu distanzieren. Auch bei Altmeier und Süsterhenn stieß Kaisers Kurs auf Ablehnung. Erst nachdem sich abzeichnete, dass Jakob Kaiser nicht die gesamtdeutsche CDU führen werde und somit eine Berliner Dominanz nicht mehr zu erwarten war, lenkten Altmeier und Süsterhenn in der Namensfrage ein.
Ohne die Auflagen der französischen Besatzungsmacht und der Vereinigung beider Provinzen zu einem Land, wäre es nicht zu dem Zusammenschluss zu einer Partei gekommen. Die Konstituierung der rheinland-pfälzischen CDU war also die Folge der französischen Besatzungspolitik.
Schließlich wurde am 14. Februar 1947 auf einer Tagung in Bad Kreuznach der Zusammenschluss zur Landespartei bestätigt und der Landesverband der CDU offiziell konstituiert. Gleichzeitig wurde mit der Wahl Altmeiers zum Vorsitzenden die zukünftige Richtung der Partei festgelegt. Er stand nahezu 20 Jahre lang an der Spitze der CDU Rheinland-Pfalz. Die beiden reformfreudigen Repräsentanten der neu gegründeten Partei, Altmeier und Süsterhenn – letzterer hatte auch an der Entstehung der Landesverfassungs maßgeblichen Anteil – strebten für den politischen Neubeginn eine geistige Erneuerung des Staats- und Rechtsdenkens an. Diese Maxime wurde so in die Landesverfassung übertragen, die deshalb, wie kaum eine andere moderne Verfassung, von christlich-naturrechtlichem Denken und Subsidiarität bestimmt ist.
Schon in der Anfangszeit der CDU Rheinland-Pfalz wurden zudem die Weichen für die Europäische Einigung gestellt. Im Beschluss der Bad Kreuznacher Einigungstagung heißt es, dass die rheinland-pfälzische CDU „ein demokratisch und föderalistisch gestaltetes Deutschlands als lebendiges Glied der europäischen Volkgemeinschaft“ anstrebe.
Literatur:
- Christlich-Demokratische Union / Landesverband Rheinland-Pfalz: 50 Jahre CDU Landesverband Rheinland-Pfalz. Festveranstaltung 14. Februar 1997. Bad Kreuznach. Mainz 1997.
- Hehl, Christoph von: Adolf Süsterhenn (1905–1974): Verfassungsvater, Weltanschauungspolitiker, Föderalist. Düsseldorf 2012 (Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte 62)
- Kleinmann, Hans-Otto: Geschichte der CDU 1945–1982. Stuttgart 1993.
- Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz (Hg.): Rheinland-Pfalz ist 60: Vorträge zu den Etappen rheinland-pfälzischer Zeitgeschichte 1947–2007. Dokumentation. Mainz 2007.
- Martin, Anne: Die Entstehung der CDU in Rheinland-Pfalz. München 1995 (Veröffentlichungen der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 19).
- Martin, Anne: Die französische Besatzungspolitik und die Gründung der CDU in Rheinland-Pfalz, in: Historisch-Politische Mitteilungen 2 (1995), S. 131–148.
Archivbestände:
- ACDP – Best. III-015 CDU-Bezirksverband Koblenz-Montabaur
- ACDP – Best. III-001 CDU-Bezirksverband Rheinhessen-Pfalz