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Länderberichte

Der G20-Gipfel in Korea - Reaktionen aus Großbritannien

von Claudia Crawford
So gering die Erwartungen im Vorfeld an den G20-Gipfel waren, so wenig fand das internationale Zusammentreffen auch im Nachgang seinen Niederschlag in der öffentlichen Berichterstattung in Großbritannien. Das Urteil über die Ergebnisse klang trotzdem verhalten positiv, wobei die Medien der eigenen Regierung ein eher mäßiges Engagement bescheinigten.

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Dabei wurde gern der Vergleich zum zweiten Gipfeltreffen der G20 in London 2009 gezogen und wie stark sich der damalige Premierminister Gordon Brown vor und während des Gipfels einbrachte. Vor diesem Hintergrund gab es vor allem von der Labour-Opposition harsche Kritik an dem jetzigen Ministerpräsidenten David Cameron. Die Schattenaußenministerin, Yvette Cooper, schrieb in einem Namensartikel in der Financial Times:

„So where then is the prime minister’s plan for the G20? Where is his strategy for building on the China visit and engaging with the US policymakers too? Why did he pay so little attention to EU plans for the G20 at the recent summit? It’s a far cry from Gordon Brown’s approach to the London summit last year.”

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass der Gipfel in 2009 ganz unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise stand. Der Erwartungs- und Handlungsdruck war sehr hoch, wie auch die Bereitschaft zur Einigung. Ein Jahr später, in dem sich zeigt, dass die G20-Länder in sehr verschiedener Weise durch die Krise gekommen sind, ist diese Einigkeit nicht mehr in gleicher Weise zu erwarten gewesen. Es macht zudem einen Unterschied, ob solch ein Ereignis im eigenen Land stattfindet oder im fernen Seoul.

Die Medien dämpften schon von sich aus die Erwartungen an die Ergebnisse des Gipfels. Die Aufmerksamkeit galt vor allem der Auseinandersetzung um wirtschaftliche Ungleichgewichte sowie Wechselkurse. Dazu hieß es im Daily Telegraph:

“Twelve months on, nationalism has replaced globalism. Peace and love have given way to currency wars. The imbalances are as entrenched as ever. And, most frightening, the battle drums are beating for protectionism and trade barriers.”

Die Financial Times, die sehr ausführlich den Gipfel verfolgte, schrieb:

„But the pervasive impression given by the G20 this autumn – one that has not been reversed by a series of preparatory meetings in advance of the summit – has been one of drift. The Seoul summit comes as global co-operation is at its weakest since the financial crisis began and a global ‘currency war’ is the hot topic."

Der Guardian begleitet den Gipfel mit der Schlagzeile:

„Trade tensions cast doubt on hope for global recovery pact - Protectionism fears and foreign exchange rates will dominate arguments over deep imbalances in fragile world economy“

Andererseits wurde durchaus bescheinigt, dass die G20 Treffen wichtige Entscheidungen hervorgebracht haben und auch der Gipfel in Seoul wichtige Vereinbarungen der Teilnehmerstaaten bestätigen wird. So hieß es in der Financial Times:

„New rules for bank capital and liquidity have been agreed. International recommendations now exist on how to intensify the supervision of banks. There is finally agreement on the outline of reforms to the International Monetary Fund, giving greater voice to emerging countries. New IMF lending facilities have been established to provide better financial safety nets for counties facing temporary financing crises. And countries have agreed to maintain current account imbalances at sustainable levels.”

Innenpolitische Herausforderungen spiegeln sich in der Agenda wieder

Der G20-Gipfel fiel für das Vereinigte Königreich in eine Zeit, in der die noch junge Regierung die Reformbereitschaft der eigenen Bevölkerung einem großen Test unterzieht. Die Wahlen am 6. Mai 2010 brachten dem Land zum ersten Mal seit 60 Jahren eine Koalitionsregierung. Der junge Ministerpräsident David Cameron steht einer Regierung aus Konservativen und Liberaldemokraten vor. Noch im Wahlkampf konnten kaum Schnittmengen zwischen diesen beiden Parteien ausgemacht werden. Ein halbes Jahr später legt dieses Bündnis ihren Bürgern geradezu ein Reformfeuerwerk vor. Es gibt kaum einen Politikbereich, für den nicht spürbare bis tiefgreifende Veränderungen vorgesehen sind.

Leitlinie ist die Idee der Big Society und der Zurücknahme des Staates. Zusätzlich zum Ideal, das man Cameron bei diesem politischen Ziel sehr wohl unterstellen darf, gibt es auch handfeste Gründe, die zu dieser Radikalität und diesem Reformtempo führen. Der britische Haushalt, der bereits durch ein strukturelles Defizit in den vergangenen Jahren gekennzeichnet war, hat durch die Finanzkrise in besonderer Weise gelitten.

Die Krise traf das Vereinigte Königreich mit großer Wucht. In der vergangenen Dekade hat sich die Wirtschaftsstruktur des Landes stark verändert. Finanzdienstleistungen wurden zum stärksten Wirtschaftssektor zu Lasten des produzierenden Gewerbes. Nicht zuletzt der frühere Premierminister Gordon Brown hat in seiner Zeit als Finanzminister wesentlich zu dieser Entwicklung beigetragen. Die enormen Unterstützungsleistungen für den Finanzsektor aus Steuermitteln führten zu einem Haushaltsdefizit im Haushaltsjahr 2009/2010 von 11,4 Prozent des BIP, die Neuverschuldung lag bei 159,8 Milliarden britischen Pfund. Für 2010 erwartet man ein Haushaltsdefizit von 12 Prozent. Cameron ist fest entschlossen, dieses Defizit so schnell wie möglich zurückzuführen. Es ist dabei eine alte Erfahrung, dass man Einschnitte gleich am Beginn einer neuen Legislatur machen muss, wenn man die Chance haben will, von den Früchten solch einer Radikalkur noch selbst zu profitieren.

Die angekündigten Reformen sind deshalb mit erheblichen Einsparungen verbunden. Fast alle Ministerien müssen in den nächsten vier Jahren ihren Haushalt um rund 25 Prozent kürzen. Rücksicht wurde nur auf einige Teile im Bildungsbereich, der Verteidigung und bei der Entwicklungshilfe genommen.

Von diesen Entwicklungen war auch die Agenda der britischen Regierung für den G20-Gipfel bestimmt.

Von diesen Entwicklungen war die Agenda der britischen Regierung für den G20 Gipfel bestimmt.

Stabilität, Freihandel und Kampf gegen Ungleichgewichte

Cameron machte immer wieder deutlich, dass das Treffen zu Vereinbarungen führen müsse, die ein Wachstum der globalen Wirtschaft ermöglichen und Stabilität garantieren. Vor dem Business 20-Summit, der parallel in Seoul tagte, stellte er besonders drei Schwerpunkte heraus: Stabilität, Kampf gegen Protektionismus und für Freihandel und Kampf gegen Ungleichgewichte:

“Business needs to know we are going to have a stable global economy in order to invest.” (...) “I think one of the main purposes of this G20 should be to show that we are going to fight protectionism in all its forms.” (...) “To me, the issue is this: one of the problems that lay behind the 2008 crisis was the fact that we had a wall of saving, a wall of money, in the east and a wall of debt in the west. This imbalance of money, this massive surplus of cash seeking out places to invest, led to all the problems of new bonds and financial instruments being created and the asset bubbles in the west that, when they burst, caused so much damage.”

Es entsprach Camerons pragmatischem Politikansatz, die Erwartungen von seiner Seite aus nicht zu hoch zu schrauben. Großbritannien war nicht in einer Position, weitreichende Vorschläge zu unterbreiten und dafür Mehrheiten zu gewinnen. Es war vielmehr sehr rational, sich in die Agenda der anderen europäischen Staaten einzufügen.

Vor diesem Hintergrund war es ebenfalls klug, seine weite Reise mit einem vorgelagerten Besuch in China zu verbinden. Wenn die Delegation auch etwas kleiner als die nach Indien einige Wochen zuvor war, so war es die größte Delegation, mit der ein britischer Regierungschef bisher jemals in China antrat. Neben wichtigen Ministern wie George Osborne (Finanzen), Vince Cable (Wirtschaft), Michael Gove (Bildung) und Chris Huhne (Energie und Klimawandel) begleiteten Cameron Vertreter von fast 50 führenden britischen Unternehmen.

Mission: Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum

Das Ziel der Reise war offensichtlich: Es ging vor allem darum, die wirtschaftlichen Beziehungen auszubauen und wichtige Verträge abzuschließen. In den Zeitungen wurde häufig auf die in über 16 Milliarden Euro Höhe dotierten Verträge, die Frankreich am 5. November mit China vereinbarte, verwiesen. Vergleichbares war nicht zu erwarten. Aber Cameron setzte das Ziel, das Handelsvolumen Großbritanniens mit China in den nächsten fünf Jahren auf rund 100 Milliarden US-Dollar zu erhöhen.

Der Zeitpunkt war nicht unkritisch: So kurz nach der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Chinesen Liu Xiaobo und der harschen Reaktion seitens der chinesischen Regierung wurden klare Worte in Richtung Einhaltung der Menschenrechte erwartet. Ein Umstand, der Gesprächen zur Wirtschaftsförderung mit China nicht gerade förderlich war. Trotzdem, es wurde in den britischen Medien anerkannt, dass Cameron einer wichtigen Sache im nationalen Interesse nachging.

Werben für 2018

Dieses nationale Interesse galt auch für eine andere Mission: dem Werben für die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Großbritannien. Die Entscheidung dazu fällt am 3. Dezember 2010. Somit war der G20-Gipfel eine günstige Gelegenheit, bei den anwesenden Regierungschefs für eine Unterstützung die Trommel zu rühren. Manch eine Tageszeitung machte den Scherz von Premier Cameron publik, dass er mehr Zeit mit dem Werben für die Fußballweltmeisterschaft verbracht hatte als mit dem Gipfel selbst.

Seine Rede beim Business 20-Summit eröffnete Cameron mit den Worten:

„Everyone else has come to Korea for a business meeting or a G20; I’ve come just for a good night’s sleep.”

Es war eine Anmerkung, bezogen auf seine Begrüßung, bei der seine neugeborene Tochter erwähnt wurde und einfach als eine sympathische Einlassung gemeint. Die Berichterstattung über den Gipfel hinterließ den Eindruck, man könne diese Einlassung auch ein bisschen wörtlich nehmen.

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