Einzeltitel
Der schwierige und langwierige Prozess der Entwaffnung der paramilitärischen Einheiten, eine wesentliche Voraussetzung für einen gesicherten Frieden in Nordirland und die allmähliche Vertrauensbildung zwischen den verfeindeten Lagern von Protestanten und Katholiken, ist erneut zum Stillstand gekommen.
Unklar ist allerdings ebenfalls, ob die seit über einem Jahr suspendierte parlamentarische Versammlung, die seit den letzten Wahlen 1998 fünfmal von London für zeitweise aufgelöst erklärt wurde, unter diesen Umständen überhaupt in absehbarer Zeit wieder einberufen wird.
Noch am Freitag sind in Cardiff der britische Premierminister Tony Blair und sein irischer Kollege Bertie Ahern zu ersten Beratungen zusammengekommen. Der britische Nordirland-Minister Paul Murphy hat über das Wochenende Gespräche mit den Repräsentanten der nordirischen Parteien begonnen, um Auswege aus der sich abzeichnenden Blockade zu erkunden.
Die mehrtägige Auszählung der Stimmen – das Wahlverfahren sieht sechs Abgeordnete pro Wahlkreis vor, die Parteien präsentieren jeweils mehrere Kandidaten, unter denen der Wähler zu entscheiden hat – sieht die „Democratic Unionist Party“ des radikalen protestantischen Pfarrers Ian Paisley mit 25,7% und einem Zuwachs von 7,49% als Gewinner. Sie hatten insbsondere unter Wählern der Mittelschicht Erfolg und konnten sogar ehemalige Befürworter des Friedensabkommens auf ihre Seite ziehen.
Der DUP folgt „Sinn Fein“ (SF), der “politische Arm“ der IRA unter Gerry Adams, mit 23,52% und einem Zugewinn von 5,8%.
Vom ersten auf den dritten Platz verdrängt wurde die „Ulster Unionist Party“ (UUP) mit 22,67%. Ihr Anführer, David Trimble, Friedensnobelpreisträger von 1998 zusammen mit dem Sozialdemokraten John Hume, war der erste „First Minister“ einer Koalitionsregierung mit Sinn Fein. Er wird von starken Kräften in seiner eigenen Partei für die Wahlniederlage verantwortlich gemacht. Sie wollen zusammen mit der DUP einen härteren Kurs gegen Sinn Fein fordern. Eine Spaltung der UUP kann dabei nicht mehr ausgeschlossen werden.
Grösster Verlierer aber ist die „Social Democratic and Labour Party“ (SDLP), die mit einem Minus von 4,98% nur noch auf 16,98% kam. Ihre massgebliche Rolle in dem Prozess, der zum Waffenstillstandsabkommen von 1994 und schliesslich zum Friedensabkommen von 1998 führte, scheint nur noch von wenigen Nordiren als auch für die Zukunft wesentlich angesehen zu werden, nachdem sich auch „Sinn Fein“ zum „Good Friday Agreement“ bekennt.
Die Wahlbeteiligung lag mit 62,6% unter den 68,8% von 1998.&&&
Wie geht es weiter? Nach dem Friedensabkommen hätte Ian Paisley den Anspruch, als „First Minister“ zu kandidieren, mit Gerry Adams als Stellvertreter. Beide Kandidaten müssten dafür nicht nur die Mehrheit in der Versammlung bekommen, sondern auch jeweils mehr als die Hälfte der Unionisten und der Republikaner für sich gewinnen. Sollten sie innerhalb von sechs Wochen nicht die erforderliche Mehrheit erhalten, stehen erneut Wahlen für das Regionalparlament an.
Allerdings hat Paisley mehrfach und unmissverständlich erklärt, es gäbe keinerlei Verhandlungen mit „Sinn Fein“, nicht einmal Gespräche beim Tee. Jeder aus seiner Partei, der mit Adams und den Seinen spreche, würde sofort aus der DUP ausgeschlossen.
Dies sehen insbesondere jüngere Mitglieder der DUP weniger drastisch und verweisen auf die gute Zusammenarbeit von Unionisten und Republikanern im Stadtrat von Belfast.
Dennoch: Es spricht gegenwärtig alles gegen die Aufnahme von Verhandlungen zwischen den beiden Wahlsiegern.
Aber auch andere Lösungen sind zur Zeit ausgeschlossen, etwa der Versuch von David Trimble, mit Unterstützung von Sinn Fein und SDLP erneut zum First Minister gewählt zu werden. Er würde dafür nicht die erforderliche Mehrheit der Unionisten erhalten, voraussichtlich sechs Abgeordnete seiner eigenen Partei würden sich ihm versagen.
So wird zunächst einmal abgewartet und gepokert. Eine ohnehin anstehende „Überprüfung“ der Auswirkungen des „Good Friday Agreements“ könnte das Vehikel für die von Unionisten geforderte Neuverhandlung bilden. Ob eine gestärkte „Sinn Fein“ dabei zu Zugeständnissen bereit ist, muss alledings bezweifelt werden.
Allerdings warten alle Seiten zur Zeit mit einiger Spannung auf die Entwicklungen im fernen Kolumbien, wo im August 2001 drei Anhänger der IRA festgenommen wurden. Ihnen wird vorgeworfen, mit falschen Pässen eingereist zu sein und zum Ziel zu haben, Guerilla-Kämpfer auszubilden. Sollten die drei verurteilt werden, wird es auch für Gerry Adams und seine „Sinn Fein“ wieder schwieriger, das Image der Untergrundbewegung loszuwerden, die sich nicht von ihrer militanten Vergangenheit befreien kann.
So wird es für einige Zeit jedenfalls wohl kaum Fortschritte für Frieden und Demokratie in Nordirland geben. Die Suspendierung des Parlaments dürfte dabei vielen noch als das geringste Übel erscheinen.