Vortrag
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“Auch in der Diktatur ist der Alltag ein Alltag. Niemand kann vierzig Jahre im permanenten Ausnahmezustand leben. Auch in einem totalitären Staat braucht man einen Lebensentwurf, der von den realen Bedingungen ausgeht. Allenfalls auf ein paar Erleichterungen, auf mehr Menschlichkeit konnte man hoffen. Doch oft genug erlebte man, dass diese alsbald wieder zurückgenommen wurden. So blieb einem, wollte man leben, nichts anders übrig, als sich einzurichten und mit den Verhältnissen zurecht zu kommen. Das gelang mal besser, mal schlechter. Vielen hat es den Lebensmut und -kraft für immer geraubt. Da war es wichtig, dass es auch in der DDR Menschen gegeben hat, die ihr Amt, ihre Funktion nicht missbraucht haben. Die menschlich geblieben sind und versucht haben, anderen Freiräume zu schaffen, oft unter persönlichen Opfern. Das war für das Leben in der DDR, auch für die Herausbildung einer Opposition, wesentlich. Und vielleicht war dies ja wirklich die einzig freie Entscheidung in der Unfreiheit, die jedem und jeder jederzeit auch in der SED-Diktatur offengestanden hat: Mensch zu sein und Mensch zu bleiben.
Konrad Weiß, geb. 1942 in Lauban/Schlesien, ist Regisseur, Publizist, MdB a.D. und DDR-Bürgerrechtler.1966-1969 Studium der Fächer Regie und Kamera an der Hochschule für Film-kunst in Potsdam-Babelsberg. Von 1969 bis 1990 Regisseur im DEFA Studio für Dokumentarfil-me in Berlin. 1989 Mitbegründer und Sprecher der Bürgerbewegung Demokratie Jetzt.Während der Wende 1989 /90 Mitbegründer und Sprecher der Bürgerbewegung „Demokratie Jetzt“. Er saß für sie am Runden Tisch u. in der Volkskammer.1990-1994 MdB. Seit 1994 freier Publizist u. Buchautor. 1995 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. 1996 Gründungsmitglied des Vereins "Bürgerbüro e.V." in Berlin, dem sich u.a. Helmut Kohl, Rudolf Scharping, I. Bubis und W. Bier-mann anschlossen; der Verein will denjenigen helfen, "die durch Willkürakte der DDR fortdauernd geschädigt sind. Zahlr. Veröffentlichungen u. Filmproduktionen, darunter „Lothar Kreyssig“ sowie „Ich bin klein, aber wichtig“.