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Hauptredner Ben Scott, Programmdirektor für die Europäische Digitale Agenda bei der Stiftung Neue Verantwortung, stellte Europa im globalen Wettbewerb ein schlechtes Zwischenzeugnis aus. Der Kontinent sei bislang noch nicht auf die Herausforderungen, die die Digitalisierung und die Konvergenz der Informationssysteme mit sich bringt, eingestellt. „Europa hinkt hinterher. Die Infrastruktur ist unterentwickelt, es gibt zu wenige große Internetunternehmen, es fehlen Investitionen und Neugründungen, die Start-Up-Kultur ist unterentwickelt“, so Scotts nüchterne Bilanz. Wolle man nicht den Anschluss verlieren, brauche es neben einem flächendeckenden Glasfasernetz vor allem einen Kulturwandel.
Mit der Digitalen Agenda der Bundesregierung sei zwar viel Richtiges und Wichtiges auf den Weg gebracht worden. Dennoch vermisst Scott eine breite Hinwendung zum Netz. Bis jetzt setze der Wähler offenbar andere Prioritäten als die Politik Erforderlich sei eine Kommunikationsoffensive. Denn, so Scott, „jeder kann einer Achtjährigen erklären, wie die Zeitung morgens in den Briefkasten kommt. Aber kaum jemand weiß, wie die digitale Ausgabe auf meinen Bildschirm kommt“.
Die Menschen müssten verstehen, warum wir auf den digitalen Wandel reagieren müssen. Erst dann würden sich auch ihre Prioritäten verschieben. Ob dies zumindest beim Thema Datenschutz realistisch ist, bleibt aus heutiger Sicht fraglich. Zu offensichtlich wurden in Scotts Rede erneut die Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und Europa. Während Europa sich an einem Begriff wie der „informationellen Selbstbestimmung“ abarbeite, einen Terminus, den es im angloamerikanischen Raum gar nicht gebe und den dort auch keiner verstehe, habe man in den USA erkannt, dass sich Privatsphäre und Sicherheit nicht ausschließen müssen. Er empfahl Europa eine Weiterentwicklung hin zu einem „smarten Datenschutz“. Dieser könne den Rahmen für eine sicherheitspolitisch notwendige, ordnungsgemäße und legitime Überwachung der Daten im Netz schaffen.
Eröffnet worden war der Kongress vom Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung Dr. Hans-Gert Pöttering. Er nannte die Digitalisierung ein Querschnittsthema, das alle Lebensbereiche berührt und das viele Fragen aufwirft. Zur Beantwortung seien naive Euphorie genauso fehl am Platz wie Kulturpessimismus. Vielmehr gelte es, die sich eröffnenden Chancen zu ergreifen und den Risiken zu begegnen. „Deutschland wird im globalen digitalen Wettbewerb nur mit Innovationsfreude bestehen und das nur mit einer Gesellschaft, die Innovation als Bereicherung wahrnimmt“, so Pöttering.
Welche Breite die digitale Transformation hat, machten sechs Panels deutlich. Die Ergebnisse in Stichpunkten:
Panel 1: Breitbandausbau als Basis einer digitalen Agenda
- Breitbadausbau ist standortentscheidend in der Wirtschaft aber auch privat (z.B. beim Kauf/Verkauf eines Einfamilienhauses)
- Kommunen beginnen sich zusammen zu tun und setzen dadurch die Telekom unter Druck
- eine Zwangsabgabe zum Ausbau wird eher abgelehnt
- Technologie- und Methodenmix scheint erfolgversprechend
Panel 2: Medienkompetenz in der Schule
- Status quo der Medienkompetenz in der Schule ist eher ernüchternd
- die meisten Lehrer haben keine Medienkompetenz-Ausbildung
- die Realität ist, dass die Schüler dem Lehrer erklären, wie das Whiteboard funktioniert, aber: es mangelt an verantwortlichem Umgang, Stichwort: Urheberrecht
- in beiden Phasen der Lehrerausbildung, an der Universität und im Referendariat, muss Medienkompetenz prüfungsrelevant werden
- Medienkompetenz ist ein Querschnittsthema
Panel 3: Kulturgüter im digitalen Raum
- der Kulturbereich ist von der Digitalisierung mit am stärksten betroffen (s. Musikindustrie oder Bibliotheken)
- es braucht die Entdämonisierung von Veränderungsprozessen. Stattdessen müssen diese Prozesse verantwortungsvoll mitgestaltet werden
- zwischen analogen und digitalen Vertretern gibt es mittlerweile viel Einigkeit
- zukünftig wird es noch öfter und noch stärker ein Nebeneinander von digitalen und analogen Kulturgütern geben, z.B. E-Book und Papierausgabe, beides hat Vorteile
Panel 4: Datenschutz – Verschlüsselung oder Gesetze
- die Vorratsdatenspeicherung bleibt umstritten, da nicht wirklich zielführend. Sie konnte die Attentate in Frankreich nicht verhindern, dennoch konnte man aus den digitalen Spuren der Täter im Nachhinein viel erfahren
- die europäische Datenschutzverordnung soll 2015 in Kraft treten
- zunehmend mangelndes Vertrauen in die Politik, wenn es um den Schutz der eigenen Daten geht, zuletzt befeuert durch Verschlüsselungsdebatte
- Bürger müssen im Umgang mit ihren Daten mündiger werden
Panel 5: IT-Startups von Frauen
- nur zehn Prozent aller deutschen Startups werden von Frauen gegründet
- Ursachen liegen im Schulsystem und auch in der Beratung. Das Thema Selbständigkeit spielt hier keine Rolle
- erfolgsentscheidend sind Netzwerke und Vorbilder bzw. Mentorinnen. Leider gibt es viel zu wenige davon
- Mindset bei den Frauen muss sich ändern
Panel 6: Politisch Bloggen in Subsahara
- Afrika und Bloggen ist nicht länger exotisch
- Kontinent entwickelt sich gerade sehr stark und mit ihm die Internetverbreitung
- gibt zahlreiche langjährige Blogger mit großen Fangemeinden
- Blogger genießen die Freiheit, das schreiben zu können, was sie wollen
- Blogs bieten gerade in Ländern, in denen die Medien- und Meinungsfreiheit nicht so stark ausgeprägt sind, eine gute alternative Informationsquelle und einen zweiten Blickwinkel
- Machthaber sind auf neue „Gefahr“ der Blogger aufmerksam geworden und bringen mehr und mehr Regulierungen auf den Weg