Veranstaltungsberichte
Premierminister Narendra Modi gab die Demonetisierung am Abend des 8. November 2016 in einer Fernsehansprache bekannt. Die Maßnahme wurde von Befürwortern als neuartiger, mutiger und notwendiger Schritt zur Bekämpfung von Schwarzgeld angesehen, von Kritikern jedoch hart kritisiert. Die Initiative überraschte gleichermaßen Ökonomen, die Wirtschaft, Handelspartner, große Teile der Politik und die indische Bevölkerung. Die Umsetzung der Demonetisierung ist inzwischen parteiübergreifend zum bestimmenden Thema des politischen Diskurses in Indien geworden. Ökonomen wie Politiker haben gegensätzliche Ansichten über die kurz-, mittel und langfristigen Konsequenzen für die Wirtschaft aber auch das Verhältnis von Bundes- und Landespolitik.
Referenten der aus Impulsreferaten und Podiumsdiskussionen bestehenden Veranstaltung waren Professor M. V. Rajeev Gowda, Mitglied des Indischen Parlaments (Indischer Nationalkongress, INC), Ashok Malik, Distinguished Fellow, Observer Research Foundation (ORF), Gopal Krishna Agarwal, Mitglied des Bundesvorstands der Bharatiya Janata Party (BJP) und Wirtschaftspolitischer Sprecher der BJP, Dr. R. Vaidyanathan Professor für Finanzen und Controlling am Indian Institute of Management (IIM) in Bangalore und Autor mehrerer Bücher über Schwarzgeld und Parallelwirtschaft, und M. R. Sivaraman, IAS a.D., Minister für Staatseinnahmen a.D.
Nach einer Begrüßung durch den ehemaligen Präsidenten der MMA, T. Shivaraman, und einer kurzen Einführung durch Pankaj Madan, Programmkoordinator der Konrad-Adenauer-Stiftung Indien, sowie von Sathiya Moorthy, Director der ORF, verwies M. R. Sivaraman in seinem Vortrag darauf, dass die Initiative einen Meilenstein darstelle, welcher Experten weltweit überrascht habe. Die Demonetisierung habe das Potential, weitreichende positive Effekte auf die indische Wirtschaft zu haben, insofern sie durch weitere Maßnahmen flankiert und damit Schwarzgeld effektiv bekämpft würde. Zugleich hinterfragte er aber auch, ob die Implementierung im Voraus wohl durchdacht gewesen sei. Aus seiner Sicht habe die Geheimhaltung bei der Maßnahme eine untergeordnete Rolle gespielt. Seit der Unabhängigkeit habe es über 60 Staatshaushalte gegeben, deren Inhalt trotz diverser Versuche mit einer einzelnen Ausnahme niemals im Vorfeld öffentlich gemacht worden seien. Die Initiative habe die Eigenverantwortung der Bürger gefördert und alle Finanztransaktionen Teil eines einheitlichen Rechtsrahmens werden lassen.
„Die meisten Beobachter, jene aus dem Ausland eingeschlossen, haben sich in der Vergangenheit über die langsamen Fortschritte der Regierung in fast allen Bereichen beschwert“, so Ashok Malik, um humorvoll anzufügen: „Diese Regierung scheint sich seit ihrem Amtsantritt im Mai 2014 zu schnell für alle zu bewegen.“ Da die Wirtschaft zwischen 2003 und 2011 um 8 Prozent gewachsen sei, seien korrektive Maßnahmen wie die Demonetisierung notwendig geworden. Die Regierung arbeite daran, den Bankzugang für die Bevölkerung zu gewährleisten. So seien seit Mai 2014 250 Millionen neue Bankkonten eröffnet worden. Die Regierung habe die Lage aus seiner Sicht genau analysiert, bevor sie die Entscheidung zur Demonetisierung traf.
Wegen der Saatsaison von einem schlechten Zeitpunkt zu sprechen, sei unangemessen, schließlich stünden das ganze Jahr über entweder wichtige Feste oder landwirtschaftlich bedeutende Perioden an, weshalb es keinen guten Zeitpunkt gebe. Ziel der Regierung sei es aus seiner Sicht, dass in Kürze bis zu 15,5 Prozent des Geldes elektronisch bewegt werde und so auch die Steuereinnahmen anstiegen. Das Verhältnis von BIP zu Bargeld könne von 11,5 Prozent auf volkswirtschaftlich sinnvollere sieben bis acht Prozent gesenkt werden. Er verglich die Entscheidung mit einer Rückrufaktion eines Automobilherstellers: „Die Initiative bringt schwerwiegende Konsequenzen mit sich und muss minutiös geplant werden.“
Gopal Krishna Agarwal betonte, dass es eine breite öffentliche Unterstützung für die Initiative gebe. Er verwies auf eine Studie aus 22 Bundesstaaten, gemäß der die Mehrheit der Bevölkerung die Demonetisierung generell befürworte und auch Schwierigkeiten in Kauf nehme, insofern es zum Wohle des Landes sei. Mit Blick auf die Ergebnisse des Credit Suisse Global Wealth Report 2016 sagte er, dass nur in Russland weniger Menschen einen größeren Anteil des Gesamtvermögens besäßen als in Indien: „Ein Prozent der indischen Bevölkerung besitzt 58 Prozent des Vermögens, während das reichste ein Prozent der Bevölkerung in Russland 74 Prozent des Vermögens besitzt. Zudem zeigt die Studie, dass 97 Prozent der (indischen) Bevölkerung einen Besitz von weniger als 700.000 Rupien - etwa 10.000 US-Dollar - hat.“ Durch den Einkommensoffenlegungsplan (First Income Declaration Scheme) der Regierung sei der erste Schritt zur Bekämpfung von Ungleichheit getan. Auf dieser Grundlage könne die Regierung ihrem Versprechen Steuerhinterziehung zu bekämpfen nachkommen. Die Demonetisierung sei als ein Beitrag zur Schaffung eines neuen Ökosystems zu sehen, zu dem auch das 2016 eingebrachte sog. Benami Grundstücksgesetz gehöre.
Professor M. V. Rajeev Gowda kritisierte, dass es durch die wiederholte Änderung der öffentlich ausgegebenen Ziele unmöglich sei, den Erfolg der Maßnahme objektiv zu beurteilen. „Die Demontierung ist Realität und es gibt kein Zurück. Entsprechend muss die Initiative verstanden, die Wirkung evaluiert und anschließende Maßnahmen eingeleitet werden, um den gewünschten Effekt, Schwarzgeld zu bekämpfen, zu erreichen. Schwarzgeld kann jedoch nicht vollständig ausgemerzt werden.“ Er verwies darauf, dass die kongressgeführte UPA-Regierung 140 Millionen Menschen aus der Armut befreit habe. Durch die aktuelle Initiative drohten diese Menschen in Armut zurückzufallen. Straßenverkäufer und der Großteil der Bevölkerung tätigten ihre Einkäufe in Bargeld und diese schlecht umgesetzte Initiative habe bereits jetzt das Vertrauen der Menschen geschwächt. Zudem habe die schlecht geplante „Remonetisierung“ bereits jetzt neue Korruption im Bankwesen geschaffen. Letztlich würden eben jene profitieren, deren Handeln durch die Maßnahme Bekämpft habe werden sollen. Mit Verweis auf ein Zitat Mahatma Gandhis sagte er, dass man im Zweifel fragen müsse, ob eine Maßnahme den einfachen Menschen zugutekomme, nur wenn dies der Fall sei, könne man diese umsetzen.
Dr. R. Vaidyanathan befürwortete die Demonetisierung. Er betonte, dass die Vorgängerregierung verantwortlich dafür sei, dass die nun abgeschafften 500 und 1.000-Rupien-Noten 85 Prozent der sich im Umlauf befindlichen Geldnoten darstellten. „2003 stellten die 500 und 1.000 Rupien-Noten nicht mehr als 35 Prozent der sich im Umlauf befindlichen Geldscheine dar. Durch Untätigkeit und Vernachlässigung hat die UPA-Regierung es zugelassen, dass dieser Anteil auf astronomische 85 Prozent anstieg“, so Vaidyanathan.
Zweifelsohne habe die Initiative eine große Belastung für die Bürger dargestellt. Etwa 25 Prozent der 200 Tausend Geldautomaten im Land seien nahezu dauerhaft außer Betrieb. Dieser Mangel an funktionalen Verteilungskanälen habe zu langen Schlangen vor Bankfilialen und Geldautomaten gesorgt. Dies hätte die Regierung verhindern können, wenn vertrauenswürdige Mittelsmänner, etwa Supermarktketten und Zahlungsdienstleister, kurzfristig in die Verteilung der neuen Geldscheine einbezogen worden wären.
Dr. Vaidyanathan brachte zudem seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Regierung die Bevölkerung verstärkt über die Vorzüge elektronischer Zahlungsmethoden aufklären würde. Barzahlungen würde es immer geben, doch sollten diese auf ein volkswirtschaftlich gesundes Maß reduziert werden. Für die konsequente Bekämpfung von Schwarzgeld seien aus seiner Sicht weitere Maßnahmen vonseiten der Regierung notwendig.
Abgeschlossen wurde die Veranstaltung durch Dankesworte des Exekutivdirektors von MMA, Group Captain a. D. R. Vijayakumar.