Wenn sich Außenminister, Abgeordnete, Journalisten und Führungspersönlichkeiten der Zivilgesellschafft aus der ganzen Welt treffen, wird Neu-Delhi für drei Tage lang die Welthauptstadt des Dialogs. Auf verschiedenen Panels, während Reden und Hintergrundgesprächen fand im Rahmen des Raisina Dialogs zwischen dem 14. und 16. Januar ein internationaler Austausch von hochrangigen Rednern zu Fragestellungen, die von Multilateralismus, Systemkonkurrenz, der zunehmenden Bedeutung der Digitalisierung und bis zum Thema Innovation reichten, statt.
Vor allem die Stärkung des Multilateralismus stand im Zentrum der Debatten und Reden des internationalen Forums. Dabei ging es unter anderem um die Rolle Indiens im internationalen Kontext, Demokratiebewegungen weltweit und die Auswirkung neuer Technologien auf die Staaten, aber auch verstärkt um die Frage der Positionierung der EU auf der Weltbühne.
Diese Themen griff auch der russische Außenminister Sergej Lawrow in seiner Grundsatzrede über eine multilaterale Welt auf und forderte dabei eine stärkere „eurasische Partnerschaft“. Er wünsche sich eine intensive Verbindung von „Lissabon bis Jakarta“, so Lawrow weiter. Mit Blick auf den südpazifischen Raum befürchtete er eine zunehmende Annäherung an den Westen und eine Abkehr von Russland. Auch der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar äußerte sich positiv zu weiteren Partnerschaften mit der Europäischen Union. Er gab zu, dass sowohl Indien aber auch die Staaten in der Europäischen Union bislang nicht das Potential der gegenseitigen Partnerschaft ausschöpften. Die europäisch-indischen Beziehungen würden auf seiner Agenda eine wichtige Rolle einnehmen. Der Aufritt von Jaishankar auf dem Raisina Dialog zeigt klar, dass Indien keine Außenpolitik der Isolation anstrebt und den Anspruch erhebt, als Global Player auf der internationalen Weltbühne aufzutreten. Der iranische Außenminister Zarif betonte, dass Europa nicht durchweg dem amerikanischen Beispiel folgen müsse, und wies darauf hin, dass EU-Interessen nicht unbedingt US-Interessen seien.
Der deutsche Staatsminister Annen unterstrich in seiner Rede: „Geografisch gesehen scheinen wir [Europa und die Indopazifikregion] weit voneinander entfernt zu sein. Wenn es um soziale, politische oder wirtschaftliche Entwicklungen in unserer vernetzten Realität geht, ist diese geografische Distanz jedoch nicht mehr so relevant wie in der Vergangenheit.“ Doch wie kann eine Partnerschaft mit der Europäischen Union funktionieren, wenn sie nicht so wirklich weiß, was sie möchte?
Hoher Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik seit 2019, Josep Borell, versuchte in seiner Rede darauf eine Antwort zu finden: „Politik bedeutet, dass jeder seine eigene Politik haben kann und gleichzeitig ein gemeinsames Verständnis hat.“ „Es geht als Europa genau darum, gemeinsam das zu tun, was wir alleine nicht mehr tun können“, erklärte der Spanier. Aber auch Borell gab kritisch zu, dass „wir immer noch nicht genau wissen, welche Art von Rolle wir spielen wollen,“ Wichtig sei es jetzt aber fortan aktiver mitzuspielen, bilaterale Beziehungen zu stärken und in Konfliktregionen als Vermittler aufzutreten. Genau um dieses Thema drehte sich auch das vermutlich lebhafteste Panel der Konferenz. Das europäische Panel mit dem Außenminister Ungarns Peter Szijjarto, der ehemaligen Außenministerin Estlands und Abgeordneten des EU-Parlaments Marina Kaljurand, dem Vorstandsmitglied der Körber-Stiftung Hans Thomas Paulsen, der Gründerin des Zentrums für „Russia Europe Asia Studies“ Theresa Fallon und dem Vorstandsvorsitzenden des „European Union Military Commitee“ Claudio Graziano hat gezeigt, dass es innerhalb der Europäischen Union viele verschiedenen Meinungen gibt und eine gewisse Unzufriedenheit herrscht. „Was haben wir als Europäische Union international wirklich erreicht? Wir haben uns viel zu viel mit uns selbst beschäftigt“ kritisierte der ungarische Außenminister. Bei dem Blick nach vorne waren sich aber alle einig: Die Europäische Union muss zusammenhalten und auf der Bühne der internationalen Politik eine gewichtigere Rolle einnehmen, lautete der allgemeine Tenor der Redner. Man freue sich insbesondere zu Indien in den nächsten Jahren eine intensivere Partnerschaft aufzubauen.
Nach drei Tagen, 165 Rednern und einer außerordentlichen Bandbreite an globalen Themen gibt der Raisina Dialogue seinen Teilnehmern aus aller Welt mehr mit als nur Informationen, neue Kontakte und drei interessante Tage. Der Raisina Dialogue hat in konfliktreichen Zeiten die wichtigste Botschaft bereits im Namen: Dialog.