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Veranstaltungsberichte

Wer repräsentiert die Mittelschicht in Indien?

von Benjamin Querner

Ein Workshop zum Thema „Mittelschicht in Schwellenländern“ am Beispiel Indiens

Am 16. September 2011 wurde auf Initiative von Frau Susanna Vogt, Koordinatorin für Internationale Wirtschaftspolitik der KAS in Berlin und mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Neu Delhi ein Workshop zum Thema „Die Mittelschicht in Schwellenländern“ veranstaltet.

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Am 16. September 2011 wurde auf Initiative von Frau Susanna Vogt, Koordinatorin für Internationale Wirtschaftspolitik der KAS in Berlin und mit Unterstützung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Neu Delhi ein Workshop zum Thema „Die Mittelschicht in Schwellenländern“ veranstaltet. Teilnehmer des Workshops waren 10 renommierte Wissenschaftler und anerkannte Experten, die es sich zum Ziel gemacht haben, die Mittelschicht in der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indiens zu analysieren. Grundlage der Diskussion bildete eine Studie zum Thema “Middle Class in Emerging Economies” von Professor Surinder S. Jodhka, Centre for Study of Social Systems, Jawaharlal Nehru Universität, Neu Delhi und Aseem Prakash, ehemaliger Senior Fellow, Institute of Human Development, Neu Delhi, die im Auftrag der KAS erarbeitet wurde.

Ziel der Studie und des Workshops war es, zu einem besseren Verständnis über Rolle und Einfluss der indischen Mittelschicht auf die Gestaltung der rechtlichen, politischen und sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen in Indien beizutragen.

Die Mittelschicht – allgemein definiert als diejenige Bevölkerungsgruppe, die weder die reichste noch die ärmste Gruppe in einer Gesellschaft darstellt – steht im Zentrum der Entwicklungen in den Schwellenländern und ist gleichzeitig Auslöser einer stattfindenden Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.

Die meisten Schwellenländer konnten der Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich standhalten. Vor allem die OECD-Staaten waren im Vergleich zu den Schwellenländern stärker von der Krise betroffen. Die Emerging Markets (EM) haben sich schneller erholt und können in der Regel ein stärkeres Wirtschaftswachstum verzeichnen.

Auch das G20-Forum und der IWF haben wieder stärkeren Zuspruch und größere Beachtung gefunden. Zu einem Großteil ist das auf den wirtschaftlichen Erfolg der BRIC (Brasilien, Russland, Indien, China) beziehungsweise IBSA (Indien, Brasilien, Südafrika) – Staaten zurückzuführen, was die Notwendigkeit unterstreicht, die aufstrebenden Volkswirtschaften bei der Lösung globaler Herausforderungen und Probleme mit einzubeziehen.

Vor allem die starke Binnennachfrage und die gestiegene Kaufkraft – neben vielen anderen Faktoren – in den „Emerging Markets“ bot das Fundament für eine Erholung der globalen Wirtschaft. Die Mittelschicht steht somit im Zentrum der Entwicklungen in den Schwellenländern und ist gleichzeitig Auslöser einer stattfindenden Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen.

Doch wer repräsentiert die Mittelschicht in Indien und wie kann diese methodisch erfasst werden, um neue Erkenntnisse und zukünftige Entwicklungen zu gewinnen? Diese und andere Fragen wurden während des Workshops thematisiert und intensiv diskutiert.

In Deutschland werden für die Bestimmung der Mittelschicht die monatlichen Haushaltsnettoeinkommen zur Rate gezogen, um daraus das Durchschnittseinkommen zu errechnen. In 2009 bezogen laut einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ca. 60 Prozent der Menschen in Deutschland ein Nettoeinkommen zwischen 860 und 1.844 Euro pro Monat und repräsentieren – bezogen auf ihr monatliches Einkommen – damit die deutsche Mittelschicht.

In Indien ist die Ermittlung der Durchschnittseinkommen sehr viel schwieriger. Mehr als 90 Prozent der indischen Arbeitnehmer sind in so genannten „informellen“ Arbeitsverhältnissen beschäftigt und somit statistisch nicht eindeutig erfassbar. Auch in ihrer Studie konnten Jodkha und Prakash die Mittelschicht zahlenmäßig nicht eindeutig erfassen und schätzten die indische Mittelschicht auf zwischen 10 und 30 Prozent der Bevölkerung; die breite Schwankung ergibt sich aufgrund der unterschiedlichen Berechnungsgrundlage. Bei einer Bevölkerung von ca. 1.2 Milliarden Menschen zählen aber bereits zwischen 120 und 360 Millionen Menschen zur indischen Mittelschicht.

Jedoch hat die Diskussion während des Workshops die ersten Ergebnisse der beiden Autoren bestätigt, dass die indische Mittelschicht nicht nur anhand einer gängigen einkommensbezogenen Definition erfasst werden könne. Indien weise eine zu unterschiedliche Bevölkerungsvielfalt aus, als dass eine Abgrenzung der unterschiedlichen Einkommensgruppen ausreichen würde, um die indische Mittelschicht in Gänze zu erfassen. Nach Jodkha und Prakash müsse der Begriff Mittelschicht in Indien vielmehr neu definiert werden und es müssten zusätzlich moderne Kategorien gefunden werden, um die Komplexität der indischen Gesellschaft besser darzustellen.

Susanna Vogt resümierte am Ende des Workshops, dass der Ansatz der Studie weit über die ökonomische Betrachtung hinausgehe. Gerade die Erfassung der soziologischen Veränderungen sei für einen Vergleich mit Studien aus anderen Schwellenländern sehr hilfreich. Bereits die ersten Ergebnisse der Studie aus Indien zeigen, dass eine schnell wachsende einkommensstärkere indische Bevölkerungsschicht nicht nur wirtschaftliche, sondern vor allem auch sozialpolitische Veränderungen in Indien verursache, die es näher zu erfassen geht, sagte Vogt.

Die gewonnen Erkenntnisse des Workshops werden in einem nächsten Schritt in die Studie mit einfließen. Eine Veröffentlichung der Studie ist für Ende dieses Jahres geplant.

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