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Veranstaltungsberichte

Das gemeinsame Interesse Deutschlands und der USA an Israel und dem Nahen Osten

von Michael Mertes, Dr. Kristina Eichhorst

Transatlantischer Dialog in Israel und den Palästinensischen Gebieten

Vom 13. bis zum 19. Juli 2013 veranstalteten die Konrad-Adenauer-Stiftung und das American Jewish Committee ein gemeinsames Studien- und Dialogseminar zum Thema „65 Jahre Staat Israel: Zwischen inneren Umbrüchen und regionaler Instabilität“. Ziel des Programms war es, zwölf jüngeren Führungskräften – je zur Hälfte aus Deutschland und den Vereinigten Staaten – ein tieferes Verständnis der Bedeutung Israels und seiner Nachbarn für die transatlantischen Beziehungen zu vermitteln.

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Die PDF-Datei enthält einen ausführlichen, von den deutschen Reiseteilnehmern gemeinsam erstellten und von Frau Dr. Kristina Eichhorst redigierten Bericht.

Die erste Station der Reise (13.-15. Juli) war Tel Aviv, die zweite (15.-19. Juli) Jerusalem, verbunden mit einem halbtägigen Aufenthalt in Ramallah. Das öffentliche Leben in Jerusalem und Ramallah war geprägt durch den Ramadan, den islamischen Fastenmonat (in diesem Jahr 10. Juli bis 7. August). Hinzu kam am 16. Juli der Tischa beAv, ein jüdischer Fast- und Gedenktag. Am Vorabend des Tischa beAv erlebten die Seminarteilnehmer in der Altstadt von Jerusalem besonders intensiv das Nebeneinander von Juden und Muslimen. Während Tausende von Juden zur Westmauer des Tempelplateaus („Klagemauer“) pilgerten, herrschte im muslimischen Viertel ein festliches Treiben anlässlich des Fastenbrechens nach Sonnenuntergang.

Tag 1 und 2: „Israels innenpolitische Reformagenda“

Nachdem der ehemalige Kadima-Abgeordnete Yohanan Plesner am Abend des 13. Juli (Samstag) aus Insider-Perspektive die Veränderungen der Parteienlandschaft und der politischen Kultur Israels beleuchtet hatte, stand am 14. Juli (Sonntag) das Thema „Israels innenpolitische Reformagenda“ auf der Tagesordnung. Zu diesem Thema gab der Fernsehjournalist David Witzthum (Channel 1) am Morgen eine umfassende Einführung. Beim anschließenden Besuch der in Jaffa gelegenen „Open Clinic“ der Physicians for Human Rights – Israel lernten die Seminarteilnehmer ein Beispiel für das lebendige zivilgesellschaftliche Engagement in Israel kennen.

Nachmittags erläuterte Arik Rudnitzky vom Konrad Adenauer Program for Jewish-Arab Cooperation an der Universität Tel Aviv die Lage der arabischen Minderheit (20%) in Israel. Am Abend traf sich die deutsch-amerikanische Gruppe mit Dr. Benedikt Haller, dem deutschen Gesandten in Tel Aviv, der über die Entwicklung und den aktuellen Stand der deutsch-israelischen Beziehungen referierte und mit den Teilnehmern diskutierte.

Tag 3: „Israels Sicherheitsbedürfnisse in einem sich verändernden regionalen Umfeld“

Der 15. Juli (Montag) stand im Zeichen des Themas „Israels Sicherheitsbedürfnisse in einem sich verändernden regionalen Umfeld“. Dr. Amichai Magen, Dozent am IDC Herzliya, ging der Frage nach, ob aus dem „Arabischen Frühling“ ein „Islamistischer Winter“ zu werden drohe. Seine Kernthese: Die Dynamik der Entwicklung in Nordafrika und im Nahen Osten sei als „Krise der Staatlichkeit“ zu deuten; dabei widmete er sich vor allem der destruktiven Rolle nichtsstaatlicher Akteure wie Hamas und Hisbollah. Anschließend trug Minister a.D. Jossi Beilin, einer der Architekten des Oslo-Prozesses, seine Überlegungen zur Notwendigkeit und Realisierbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung vor.

Am Nachmittag bekamen die Seminarteilnehmer in Sderot – geführt von Hauptmann d. Res. Kobi Harush – vor Augen geführt, welche Belastungen ein Leben unter ständiger Bedrohung durch Raketen aus dem Gaza-Streifen mit sich bringt. Die südisraelische Stadt Sderot liegt in unmittelbarer Nähe des Gazastreifens und hat schon seit vielen Jahren unter diesem Beschuss zu leiden. Die Weiterfahrt nach Jerusalem, wo das Seminar bis zum 19. Juli fortgesetzt wurde, wurde dazu genutzt, im Rahmen einer „strategic tour“ die komplizierten Demarkationslinienverläufe zwischen Israel und dem Westjordanland, zwischen den Zonen A, B und C innerhalb des Westjordanlandes sowie zwischen Ost- und West-Jerusalem zu erklären.

Tag 4: „Die palästinensische Perspektive“

Der Vormittag des 16. Juli (Dienstag) galt der palästinensischen Sicht des Konflikts.

Professor Sami Adwan, Erziehungswissenschaftler an der Universität von Bethlehem, stellte die Ergebnisse der palästinensisch-israelisch-amerikanischen Gemeinschaftsstudie „Sind wir Opfer unserer eigenen Narrative? Die Darstellung des ‚Anderen’ in israelischen und palästinensischen Schulbüchern“ vor.

Dr. Khalil Shikaki, Direktor des mit der Konrad-Adenauer-Stiftung seit vielen Jahren zusammenarbeitenden Palestinian Center for Policy and Survey Research (PSR), arbeitete auf der Grundlage aktueller demoskopischer Befunde heraus, worin sich die Meinungen der palästinensischen Öffentlichkeit zum Konflikt von denjenigen in Israel unterscheidet: Einerseits gebe es Mehrheiten auf beiden Seiten für eine Zwei-Staaten-Lösung und gegen eine Ein-Staat-Lösung; es herrsche auch mehrheitlich Skepsis in Bezug auf die Realisierbarkeit einer Zwei-Staaten-Lösung innerhalb der kommenden fünf Jahre. Andererseits seien die meisten Israelis gegen einen Siedlungsstopp und eine Rückkehr zu den „Grenzen von 1967“, während die meisten Palästinenser genau dies wünschten.

Den Aufenthalt in Ramallah schloss ein Gespräch mit Lucy Nusseibeh ab. Frau Nusseibeh ist Direktorin des Institute of Modern Media (IMM) an der Al-Quds-Universität. Ihr Thema war die Rolle von Frauen in der palästinensischen, aber auch in der israelischen Gesellschaft bei der Moderation und Lösung von Konflikten in Innern sowie über Außengrenzen hinweg. Sie konnte dabei aus ihren vielfältigen Erfahrungen mit palästinensischen Fraueninitiativen schöpfen. Wichtig sei, so Lucy Nusseibeh, dass Frauen dazu ermutigt und befähigt würden, ihre Position öffentlich zu artikulieren. In den Palästinensischen Gebieten hätten Frauen traditionell ein ausgeprägteres Selbstbewusstsein als in anderen arabischen Gesellschaften.

Am Nachmittag trafen sich die Seminarteilnehmer mit Ofra Strauss, der Vorstandsvorsitzenden der [Strauss Group | http://www.strauss-group.com/en/].Diese Gruppe ist eines der größten und erfolgreichsten israelischen Unternehmen, dem es zugleich gelungen ist, sich auf dem Weltmarkt erfolgreich zu behaupten. Ofra Strauss selbst ist das Bespiel einer Unternehmerin, die in ganz praktischer Weise soziale Verantwortung lebt. So ist sie Präsidentin vonJasmine,einer NGO, die jüdische und arabische Frauen dabei unterstützt, kleine Unternehmen aufzubauen und zum wirtschaftlichen Erfolg zu führen.Jasmine,hervorgegangen aus einem gemeinsamen Projekt der KAS Israel und desCenter for Jewish-Arab Economic Development,ist ein Partner der KAS Israel.

Ofra Strauss sprach über die Notwendigkeit innenpolitischer Reformen in Israel und beschrieb die vielen zivilgesellschaftlichen Initiativen in Israel als Motoren sozialer, ökonomischer und kultureller Innovation. Ihre eigene Unternehmensphilosophie sei auf Nachhaltigkeit ausgerichtet: DieStrauss Groupsei ein Familienunternehmen, das generationenübergreifend denke und nicht kurzfristige Erfolge beim Shareholder value anstrebe. In diesem Zusammenhang betonte sie, dass sie die deutsch-jüdische, von Richard und Hilda Strauss aus dem rheinhessischen Nieder-Olm in den 1930er Jahren begründete Unternehmenstradition in Ehren halte.

Tag 5: „Von Trauer zu Hoffnung“

Der nächste Seminartag (Mittwoch, 15. Juli) war dem Thema „Von Trauer zu Hoffnung“. Am Vormittag und am frühen Nachmittag (bis 15.30 Uhr) stand ein Besuch der GedenkstätteYad Vashemauf dem Programm. Als einen, vielleicht sogar alsdenHöhepunkt des gesamten Seminars empfanden die Teilnehmer, dass sie Gelegenheit hatten, ausführlich mit zwei Zeitzeugen zu sprechen: Marta Weiss, einer Überlebenden von Auschwitz, und Gabriel Bach, dem stellvertretenden Ankläger im Eichmann-Prozess 1961, später Generalstaatsanwalt und dann Richter am Obersten Gerichtshof Israels. Abschließend wurden sie an derInternational School for Holocaust Studiesdarüber informiert, wieYad Vashemweltweit – nicht zuletzt in Zusammenarbeit mit den deutschen Bundesländern – dazu beiträgt, dass der Schulunterricht über den Holocaust den Kenntnissen und Bedürfnissen der jungen Generation angepasst wird. Die Intensität der Eindrücke veranlasste die Gruppe, sich am Abend für eine gemeinsame Reflexion viel Zeit zunehmen.

Die Seminarteilnehmer besuchten am späteren Nachmittag dieKnesset.Dort wurde ihnen in einer Führung (einschließlich eines kurzen Aufenthalts auf der Besuchertribüne des Plenarsaals) deutlich gemacht, wie in Israel Herkunft und Zukunft miteinander verknüpft sind. Viel Zeit für die Besucher nahm sich der Knesset-Abgeordnete Nachman Shai, der neue Ko-Vorsitzende der Israelisch-Deutschen Parlamentariergruppe in der Knesset. Shai sprach unter anderem über die Notwendigkeit einer Zwei-Staaten-Lösung – nur sie garantiere, dass Israel auf Dauer als jüdischerunddemokratischer Staat Bestand haben könne.

Tag 6: „Das Heilige Land: Religion und Politik“

„Das Heilige Land: Religion und Politik“ war das Thema des 6. Seminartages (Donnerstag, 18. Juli). In den Räumen Jerusalemer Büros desAmerican Jewish Committeesprach Oberrabbiner David Rosen, Direktor beim AJC für den interreligiösen Dialog weltweit, über die Beziehungen zwischen Juden, Muslimen und Christen in Israel. Dabei ging er auch auf den innerjüdischen Pluralismus ein, vor allem auf die Unterschiede zwischen Orthodoxie und der von ihm als „isolationistisch“ bezeichneten Ultraorthodoxie. Alle drei monotheistischen Religionen müssten sich mit der säkularen Moderne auseinandersetzen. Die jüdische Orthodoxie habe Wege gefunden, Überzeugungstreue und Weltoffenheit miteinander zu verbinden. Je mehr die Ultraorthodoxen durch ihren künftigen Dienst in den israelischen Streitkräften und durch Integration in den Arbeitsmarkt mit der Wirklichkeit außerhalb ihrer abgeschotteten Gemeinschaften konfrontiert würden, desto größer sei die Chance, dass sie sich für „die Welt da draußen“ öffnen.

Der Dekan der anglikanischenSt. George’s Cathedral,Revd. Canon Hosam Naoum, referierte unter anderem über die Lage der christlichen Minderheit in Israel. Vielen Europäern sei gar nicht bewusst, dass es autochthone arabische Christen – wie ihn selbst – im Heiligen Land gebe. Diese Christen würden von vielen Israelis primär als Araber und von vielen arabischen Muslimen primär als Vorposten des Westens wahrgenommen. Ihre Position „zwischen den Fronten“ bedeute aber auch die einzigartige Chance, dem Brückenbau zwischen Juden und Muslimen zu dienen. Revd. Naoums eigenes Engagement belegt eindruckvoll, wie hilfreich dieser Dienst sein kann.

Anschließend lernten die Seminarteilnehmer im Rahmen einer Führung durch die international gefeierte Ausstellung über Herodes den Großen und einen Besuch des Herodions die enorme ethnische und religiöse Vielfalt kennen, die bereits in der Antike Jerusalem und seine Umgebung prägten. Die damalige Auseinandersetzung des Judentums mit Hellenismus und römischer Zivilisation ist in vieler Hinsicht zu vergleichen mit der geistigen Herausforderung, vor welche die säkulare Moderne Religion heute stellt.

Am frühen Abend traf sich die Gruppe mit Botschafter a.D. Dr. Dore Gold, dem Präsidenten desJerusalem Center for Public Affairs(JCPA), mit dem die KAS Israel schon seit den 1990er Jahren zusammenarbeitet. Gold beschrieb – auf der Grundlage seiner eigenen Erfahrung als Botschafter Israels bei den Vereinten Nationen –, wie leicht sich in internationalen Organisationen Mehrheiten gegen Israel organisieren lassen. Unter anderem setze er sich mit dem Goldstone-Bericht über das israelische Vorgehen in Gaza Ende 2008/Anfang 2009 („Operation Gegossenes Blei“) auseinander. Richter Goldstone habe zwar später die im Bericht erhobenen Hauptvorwürfe in einem Beitrag für dieWashington Post''shington Post''ington Post''gton Post''on Post'' Post''ost''t''' zurückgenommen, der Image-Schaden für Israel sei jedoch nicht mehr ganz rückgängig zu machen gewesen.

Tag 7: Bilanz und Evaluation

Den Vormittag des 19. Juli nutzten die Seminarteilnehmer und -veranstalter, Bilanz zu ziehen und das Programm – insgesamt sowie in seinen Komponenten – einer kritischen Evaluation zu unterziehen. Das Ziel des Programms – nämlich allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland und den Vereinigten Staaten ein tieferes Verständnis der Bedeutung Israels und seiner Nachbarn für die transatlantischen Beziehungen zu vermitteln – wurde vollumfänglich erreicht. Moniert wurde vor allem, dass das Programm zu wenig Zeit gemeinsame Reflexion gelassen habe. Insgesamt fiel die Bewertung jedoch sehr positiv aus.

Eine nachhaltige Wirkung ergibt sich sowohl daraus, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das Erfahrene und Gelernte nach ihrer Rückkehr weiter verbreiten können, als auch daraus, dass sie untereinander den sehr intensiven Austausch fortsetzen werden, den ihnen das Studien- und Dialogseminar ermöglicht hat. Es wirkte wie ein gutes Omen, dass wenige Stunden nach dem Ende des Seminars US-Außenminister Kerry bekanntgab, dass demnächst in Washington direkte israelisch-palästinensischen Friedensgespräche wiederaufgenommen würden.

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