Die Konferenz wurde von Prof. Sharon Pardo, dem Vorsitzenden des National Jean Monnet Centre of Excellence – the Centre for the Study of European Politics and Society (CSEPS), und Dr. Michael Borchard, dem Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel, eröffnet. Beide hießen die Teilnehmer willkommen und betonten die Wichtigkeit einer kontinuierlichen institutionellen und finanziellen Unterstützung europäischer Studien in der israelischen Lehre. Dr. Michael Borchard sagte, dass Europa einerseits schon immer den Nahen Osten beeinflusst habe. Andererseits, wie wir es insbesondere heute sehen können, hat alles, was in dieser Region geschehe, eine große Auswirkung auf Europa. Dr. Borchard präsentierte darüber hinaus einige Ergebnisse einer Umfrage, die vor wenigen Monaten von der KAS in Israel in Zusammenarbeit mit dem CSEPS durchgeführt wurde. Die Umfrage hatte zum Ziel, die breite öffentliche Meinung in Israel zu Europa und der Europäischen Union im Allgemeinen und hinsichtlich Israels zu untersuchen. Dr. Borchard erklärte, dass die Ergebnisse ein hohes Maß an Missverständnissen unter den Israelis im Hinblick auf die Zusammenarbeit der EU mit Israel aufzeigten. Er unterstrich deshalb, wie wichtig es für die KAS sei, solch eine Konferenz wie diese zu unterstützen, um Europastudien weiterzuentwickeln und langfristig das Verständnis für die Relevanz der EU in der israelischen Öffentlichkeit zu erhöhen und eine bessere Plattform für die israelisch-europäischen Beziehungen zu kreieren. Prof. Sharon Pardo fügte dem hinzu, dass das primäre Ziel der Konferenz sei, Wissenschaftler verschiedener Fachgebiete zusammenzubringen, um die aktuellen Entwicklungen im wissenschaftlichen Bereich der Europastudien in Israel zu evaluieren. Ergänzend äußerte er die Hoffnung, dass das CSEPS bei zukünftigen Konferenzen auch junge Akademiker aus Europa einlade, um den direkten bilateralen akademischen Dialog mit jungen Israelis zu intensivieren bzw. zu verbessern.
Das erste Panel des Tages, das auf die Eröffnungsrede folgte und von Dr. Borchard geleitet wurde, erforschte mit Hilfe von vier interessanten und einzigartigen wissenschaftlichen Aufsätzen die israelisch-deutschen Beziehungen von einer multidimensionalen Perspektive. Jeder Teilnehmer hatte 10-15 Minuten Zeit, um seine Forschung zu präsentieren. Im Anschluss hatten die anderen Teilnehmer und der Leiter des Panels die Chance, die Präsentation zu kommentieren und Fragen zu stellen. Nachdem jeder Referent seine Forschung vorgestellt hatte, gab es Raum für allgemeinere interdisziplinäre Diskussionen zu dem Thema. Das erste Paper von Ido Rosenblum hatte israelische Immigranten (Juden und Muslime) in Berlin und Fragen zur israelischen und europäischen Identität durch die Linse der kulinarischen Kultur zum Thema. Die Untersuchung befasste sich damit, wie Essen dabei helfen kann, die eigene Identität und die der Immigranten aufzubauen und Brücken zwischen israelischen Immigranten und der heimischen Bevölkerung sowie anderer immigrierender Gemeinschaften (wie Palästinenser, Iraner etc.) zu bauen. Das zweite Paper von Doron Timor beschrieb, wie sich in den 1960er Jahren die Art und Weise, in der israelische Studenten ihre Rolle in der Öffentlichkeit wahrnahmen, signifikant verändert hat und welchen Anteil die Wiederbelebung der deutsch-israelischen Beziehungen in den 1960ern daran hatte. Denn die ie Beziehung zwischen Israel und Westdeutschland wurde damals von vielen Studenten scharf kritisiert und brachte sie dazu, in einem Ausmaß zu protestieren, das es vorher so noch nie gegeben hatte. Diese Ereignisse führten dazu, dass Studenten ihre Rolle in der israelischen Gesellschaft sowie in der israelischen politischen Arena neu wahrnahmen. Der dritte Aufsatz, geschrieben von Omri Adoni, setzte sich mit den verschiedenen Gründen auseinander, warum Israel in den Jahren 1957 bis 1965 beschlossen hatte, militärische Beziehungen mit Westdeutschland aufzunehmen. Bis heute werden diese Beziehungen in der Forschung hauptsächlich als ökonomische Notwendigkeit und als natürlichen Prozess der wachsenden Beziehungen zwischen den beiden Staaten beschrieben. Aber es auch die vielfältigen deutschen Angebote, die wachsende politische Macht Deutschlands in der NATO und die deutsche militärische Doktrin, die von israelischen Offizieren übernommen wurde, die diese Beziehungen möglich machten. Das letzte Paper von Judith Muller erforschte die zentraleuropäischen Narrative der Bewegung in den Augen deutsch-jüdischer und hebräischer Schriftsteller durch die Romane von Karl Emil Franzos und Aharon Appelfeld. Im Kontext dieser Romane bearbeitete der Aufsatz das Konzept der Peripherie und stellte die Frage, ob und wie diese Wahrnehmung noch relevant für das Verständnis des heutigen Zentraleuropas ist.
Nach dem ersten Panel diskutierte Prof. Susan Robertson in ihrer Rede mit dem Titel „Veränderliche Grenzen: Höhere Bildung, die EU und die kulturelle, politische Ökonomie des Regionalismus“ die globalen Regionalisierungstendenzen in der höheren Bildung mit einem Fokus auf Europa. Europas regionale Initiativen in der höheren Bildung, im Spezifischen der Bologna Prozess, könne als Erfüllung eines ökonomischen, politischen und kulturellen Projektes verstanden werden. Prof. Robertson führte weiter aus, dass diese Initiativen innerhalb eines weiteren Rahmens globaler politischer Ökonomie konzeptualisiert werden könne. Sie betonte den Wert der Studien höherer Bildung und sagte, dass Studien zu regionaler höherer Bildung und Forschungstrends zum konzeptionellen Verständnis des Regionalismus in weiterer Perspektive beitragen können. Sie erörterte ebenso den Fakt, dass die Untersuchung dieses Feldes innerhalb eines weiteren Rahmens des sektoralen Regionalismus Licht auf die Eigenheiten der höheren Bildungssphäre werfen könne.
Andere Panels im Verlauf des Tages behandelten weitere interessante Themen wie „Höhere Bildung in einer globalisierten Welt“, „Politik und Strategien im heutigen Europa“, „Normative Macht Europas“ und „Regieren durch höhere Bildung“. Die Vielfalt der Themen war sehr weit gefächert und streifte politische und soziale Fragen wie die Stabilität des politischen Systems in der Ukraine und die Abtreibungspolitik in Irland. Prof. Ian McBride sprach in seinem Vortrag über das Irland im 18. Jahrhundert und die Rolle von Historikern bei der Sinngebung des nordirischen Konflikts. Seine Rede fokussierte sich auf die Debatte über die Wahrheit und die Versöhnung in Nordirland seit 1998 sowie die Beziehung zwischen politischer Gewalt, Repräsentationen der Vergangenheit und professionellen Historiographen.
Nach einem langen Tag lebendiger Diskussionen sowie dem Austausch von Ideen und akademischer Debatten kamen die Teilnehmer mit den Teilnehmern des jährlichen irischen Symposiums der Ben- Gurion Universität, das am selben Tag stattfand, zu einem gemeinsamen Abendessen zusammen.