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Veranstaltungsberichte

Israel und der europäische Hochschulraum

Ein gemeinsames Hochschulsystem für das 21. Jahrhundert

Am 16. Juni 2013 veranstaltete das Bologna Training Center (BTC) gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung seine zweite internationale Jahreskonferenz in Jerusalem zum Thema „Reaktionen auf den Bologna-Prozess in OECD-Ländern außerhalb der EU“. Ziel der Konferenz war es, den Teilnehmern eine internationale Perspektive auf einzelstaatliche Reaktionen auf den Bologna-Prozess sowie auf die Internationalisierung des Hochschulwesens im Allgemeinen zu eröffnen. Die Konferenz lud darüber hinaus zur Diskussion über die Positionierung Israels innerhalb des europäischen Hochschulraums ein.

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Am 16. Juni 2013 veranstaltete das Bologna Training Center (BTC) gemeinsam mit der Konrad-Adenauer-Stiftung seine zweite internationale Jahreskonferenz in Jerusalem zum Thema „Reaktionen auf den Bologna-Prozess in OECD-Ländern außerhalb der EU“. Ziel der Konferenz war es, den Teilnehmern eine internationale Perspektive auf einzelstaatliche Reaktionen auf den Bologna-Prozess sowie auf die Internationalisierung des Hochschulwesens im Allgemeinen zu eröffnen. Darüber hinaus lud die Konferenz Teilnehmer sowie Redner zur Diskussion über die Positionierung Israels innerhalb des europäischen Hochschulraums ein.

Moshe Amir, Direktor des Bologna-Ausbildungszentrums, beschrieb zu Beginn der Konferenz die verschiedenen Entwicklungsstufen der Auseinandersetzung Israels mit dem Bologna-Prozess: Von einem anfänglich mangelnden Bewusstsein für den Bologna-Prozess über ein gestiegenes Interesse unter den Stakeholdern des Hochschulsystems bis hin zum Diskurs über Bologna auf politischer Ebene. Amir erörterte zudem, warum es für das israelische Hochschulwesen so wichtig sei, sich gegenüber dem europäischen Hochschulraum zu positionieren.

Michael Mertes, Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel, folgte nach der Begrüßung und inhaltlichen Einleitung von Amir und richtete zunächst seine eigenen Grußworte an die Zuhörerschaft und die Gastredner. Anschließend stellte er den Hauptredner Dr. Jürgen Rüttgers vor, der Mitglied des Vorstandes der Konrad-Adenauer-Stiftung ist und von 1987 bis 2000 Mitglied des Deutschen Bundestages war. Von 1994 bis 1998 hatte Dr. Rüttgers das Amt des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie im Kabinett des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl inne. Von 2000 bis 2012 war Rüttgers Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen und von 2005 bis 2010 Ministerpräsident dieses Bundeslandes. Zurzeit ist Dr. Rüttgers als Anwalt in fachmännischer Beratungsfunktion sowie als Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Universität Bonn tätig. Im Mai 1998 unterschieb Rüttgers gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Großbritannien die sogenannte Sorbonne-Erklärung, aus der später die „Bologna-Erklärung“ von 1999 hervorging.

In seinem Vortrag gab Dr. Jürgen Rüttgers den Zuhörern einen Einblick in die politischen Erwägungen, die zur inhaltlichen Ausarbeitung und Unterzeichnung der Sorbonne-Erklärung geführt hatten und erklärte ferner, welche zentralen Ideen und Werte der Erklärung zugrunde liegen. Rüttgers verwies darauf, dass der Bologna-Prozess in einem weit gefassten Kontext gesehen werden müsse: In den 1990er Jahren gab es in Deutschland – wie auch in vielen anderen europäischen Staaten – ein wachsendes Bewusstsein dafür, dass die nationalen Hochschulsysteme an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts (z. B. Globalisierung, aufkommende Wissensgesellschaft, Massenuniversitäten) angepasst werden müssen, jedoch ohne sich dabei dem Spardiktat völlig zu beugen. Ziel der Sorbonne-Erklärung sei es daher gewesen, die größte Hochschulreform seit der Humboldt’schen Bildungsreform im frühen 19. Jahrhundert zu initiieren. Rüttgers betonte jedoch, dass trotz der Ablösung des Humboldt’schen Modells das Bildungsideal Humboldts, die freie Selbstbildung des Menschen, bewahrt werde.

In Bezug auf seine beständige Forderung nach einer privilegierten Partnerschaft zwischen der Europäischen Union und Israel, sprach sich Rüttgers deutlich für die Öffnung des Europäischen Hochschulraums für Israel wie auch umgekehrt aus. Es sei ihm ein Anliegen, dass Israel gemeinsam mit Europa und dem ganzen Westen ein neues Bildungssystem für das 21. Jahrhundert hervorbringe, in dem auf der Grundlage der unveräußerlichen Menschenrechte jeder Mensch unabhängig von Hautfarbe, Religion und Herkunft eine Chance zu Bildung und Ausbildung erhalte.

Erstes Panel: Europa und der Bologna-Prozess – Eigene Initiative oder bloß Reaktion?

Das erste Panel zum Thema “Europa und der Bologna-Prozess – Eigene Initiative oder bloß Reaktion?“ stand unter der Leitung von Prof. Sarah Guri-Rosenblit, Studienleiterin im Bereich Technologie und Entwicklung an der Open University of Israel und Mitglied im Expertenausschuss des israelischen Hochschulrates. Das Forschungsinteresse von Prof. Guri-Rosenblit liegt in der vergleichenden Analyse von Hochschulsystemen und entsprechend auch der wissenschaftlichen Beleuchtung des Bologna-Prozesses. Guri-Rosenblit gab eine kurze Einführung in ihr Forschungsgebiet, indem sie die Hochschulsysteme verschiedener Länder und deren Entwicklungen in den vergangenen Jahren vorstellte. Im Fokus stand dabei das Modulsystem der Vereinigten Staaten von Amerika und die Frage, inwiefern dieses maßgeblich vom britischen und schottischen Hochschulsystem geprägt worden ist.

Panelteilnehmer Prof. Pavel Zgaga, Professor für Philosophie an der Fakultät für Erziehungswissenschaften an der Universität Laibach (Slowenien), unterzeichnete im Jahr 1999 in seiner Funktion als slowenischer Staatssekretär für Hochschulbildung sowie Minister für Bildung und Sport das Bologna-Abkommen. In seinem Beitrag erläuterte er die „Globale Strategie“ des Bologna-Prozesses, die für das Verständnis der Reformziele für Länder außerhalb der EU essentiell sei. Nachdem Zgaga die historische Entwicklung des Bologna-Prozesses anhand verschiedener Länder skizzierte, verwies er auf den globalen Wettbewerb im Hochschulbereich, der die Entscheidung zur Initiierung des Bologna-Prozesses maßgeblich beeinflusste. Die globale Strategie des Bologna-Prozesses sei bereits in unterschiedlichen Politikfeldern umgesetzt worden, indem beispielsweise die europäische Hochschulbildung gezielt beworben und dadurch deren Attraktivität weltweit erhöht wurde. Darüber hinaus seien im Rahmen der Strategieumsetzung die Kenntnisse über das europäische Hochschulwesen verbessert und die Kooperationen im Hochschulbereich gefestigt worden. Zgaga veranschaulichte die globale Strategie des Bologna-Prozesses anhand verschiedener Länder und deren Hochschulsysteme. Er stellte seine neuesten Forschungsergebnisse für die Schwerpunktregionen vor, welche im Rahmen der Umsetzung der globalen Strategie Studenten verschiedener Länder und Hochschulen anziehen konnten. Es sei nicht zu unterschätzen, welchen Einfluss die globale Strategie des Bologna-Prozesses auf die Wahrnehmung Europas in der Welt habe.

Prof. Melita Kovacevic ist Prodekanin für Forschung und Technologie an der Universität Zagreb und stellvertretende Vorsitzende der Kommission für Promotionsstudien der European University Association (EUA). Kovacevic gab einen umfassenden Einblick in den Bologna-Prozess, indem sie deren verschiedene Facetten und Auswirkungen beleuchtete. Sie verwies in ihrem Wortbeitrag auf den Einfluss der Globalisierung auf die Hochschulbildung und auf die damit einhergehende Notwendigkeit, die Entstehung einer Wissensgesellschaft in Industrie- und Entwicklungsländern zu fördern. Als Konsequenz seien Hochschulsysteme in der gegenwärtigen globalisierten Welt von essentieller Bedeutung. Prof. Kovacevic erörterte ferner die vorrangigen Zielsetzungen und Einzelziele des Bologna-Prozesses. Dazu zählen die Mobilität der Studenten- und Universitätsbelegschaft sowie ein angebotsreicher und qualitativ hochwertiger Stellenmarkt im Hochschulwesen. Am Beispiel von Kroatien veranschaulichte sie den Einfluss des Bologna-Prozesses auf ein nationales Hochschulsystem und stellte die unterschiedlichen Umstrukturierungen auf nationaler und institutioneller Ebene dar, die Kroatien nach der Unterzeichnung der Bologna-Erklärung im Jahr 2001 vorgenommen hatte. Sie betonte in diesem Kontext, dass sich die Zielsetzungen und Einzelziele des Bologna-Prozesses angesichts zukünftiger Herausforderungen im Bereich der Hochschulbildung weiterhin wandeln werden.

Prof. Joel Feigen ist Professor für Statistik und Senior-Vizepräsident im Vorstand des Technion Israel Institute of Technology. Im Fokus seines Vortrags stand die Internationalisierung des Hochschulwesens und die Frage, wie sich diese speziell im israelischen Kontext niederschlägt. Er wählte hierfür das Beispiel des Technion, das im Rahmen seiner Internationalisierungsstrategie das Jacobs Technion-Cornell Innovation Institute eingerichtet hatte. Das Institut bietet interdisziplinäre Austauschprogramme zwischen der Cornell University und dem Technion an, und fördert so die Mobilität und Kooperation zwischen Israel und den USA. Neben dem Beitrag zur Internationalisierung könne das Programm auch die Beziehung zwischen Hochschulbildung und dem Arbeitsmarkt stärken und die Chancen der Studenten auf einen Arbeitsplatz erhöhen. Das Programm habe vor allem großes Potential, den Hightech-Bereich auszubauen, indem es als Katalysator für Innovationen diene. Feigen zufolge, führe die Kooperation zu einer Win-Win-Situation für die Stadt New York, den Staat Israel und das Technion im Speziellen.

Zweites Panel: Der Bologna-Prozess und seine Bedeutung für Israel

Im Rahmen des zweiten Panels beschäftigte sich das Plenum unter Leitung von Moshe Amir mit dem Bologna-Prozess und dessen Implikationen für den Staat Israel im Speziellen. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, wie sich Israel dem europäischen Hochschulraum öffnen könne. Diesbezüglich diskutierten die Teilnehmer, ob politische Entscheidungsträger oder die Hochschulen selbst auf die Bologna-Reform zu reagieren haben. Bislang seien es vor allem die Hochschulen selbst gewesen, die eine israelische Reaktion auf den Bologna-Prozess initiiert haben.

Prof. Guri-Rosenblatt vertrat die Ansicht, dass Änderungen im Hochschulbereich jedoch nur mit entsprechender Unterstützung aus der Politik stattfinden können. Prof. Kovacevic führte in diesem Zusammenhang das Beispiel Kroatien an: Hier wurden die Ideen von Bologna schrittweise im Rahmen eines Top-Down-Prozesses umgesetzt, da politische Entscheidungsträger seit Beginn die Bologna-Erklärung mittragen. Allerdings würden in Kroatien manche Hochschulinstitutionen auch schon von sich aus Initiativen ergreifen, um die Internationalisierung der Hochschulbildung zu fördern. Kovacevic ist daher überzeugt, dass die Kombination von Top-Down- und Bottom-Up-Prozessen zu effektiven Ergebnissen führen kann. Prof. Zgaga ergänzte, dass seiner Ansicht nach die Initiativen besser von den direkt betroffenen Institutionen, in dem Fall von den Universitäten, kommen und darüber den Weg zu den politischen Entscheidungsträgern finden sollten.

Ein weiterer Aspekt, der durch einen Publikumsbeitrag eingebracht wurde, bezog sich auf die Frage, ob die Hochschuldbildung einen Beitrag zur Kulturverständigung leisten und im Fall von Israel sogar den Friedensprozess fördern könne. Die Panelteilnehmer waren sich einig, dass Hochschulen das gegenseitige Verständnis zwischen Menschen verschiedener Kulturen fördern und stärken können. Prof. Zgaga betonte die für einen solchen Lernprozess zentrale Rolle von Universitäten in multikulturellen Gesellschaften sowie deren Fähigkeit, auch die internationalen Beziehungen zu stärken Prof. Feigen veranschaulichte dies am Beispiel des Technion, dessen Ziel darin bestehe, der arabischen Minderheit in Israel gleiche Bildungschancen zu bieten.

Die Teilnehmerschaft der Konferenz setzte sich aus verschiedenen Stakeholdern des israelischen Hochschulsystems zusammen, von der Geschäftsführung und dem Verwaltungspersonal über Lehrkräfte bis hin zu Studenten zahlreicher israelischer Universitäten und Fachhochschulen. Darüber hinaus nahmen Vertreter des Bildungsministeriums und des Rats für Hochschuldbildung an der Konferenz teil. Im Rahmen der Konferenz konnten die Teilnehmer ihr historisches Wissen über den Bologna-Prozess und dessen Entwicklungsstufen erweitern, und erfahren, wie die Bologna-Reform auf nationaler Hochschulebene umgesetzt wird und welche Folgen sie mit sich bringt. Bei der lebhaften Diskussion über die Rolle Israels im Europäischen Hochschulraum ist deutlich geworden, dass im israelischen Hochschulwesen ein großes Interesse darin besteht, an den Ideen und der Entwicklung des Bologna-Prozesses zu partizipieren.

Autorin: Hannah Moscovitz

Übersetzung: Johannes Pitsch

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