Veranstaltungsberichte
1. Programmüberblick
Samstag, 3. Juli 2010
Eröffnung
PD Dr. Martin Beck
Leiter des Auslandsbüros Amman
Konrad-Adenauer-Stiftung
Dr. Amira Mustafa
Geschäftsführerin
Arab World Center for Democratic Development (UNIHRD)
Erste Sitzung
Die Tragweite und Bedeutung der anstehenden Wahlen
Dr. Amjad Al-Shraideh
Richter, North Amman Court
Verschiedene Wahlsysteme und das Jordanische Regierungssystem
Rebhi Etwi
Rechtsanwalt und Vorsitzender der Mesaq Vereinigung für Menschenrechte
Politische Teilhabe von Frauen und Minderheiten
Dr. Amjad Al-Shraideh
Richter, North Amman Court
Beteiligung der Jugend an den Wahlen in Jordanien
Ayoub Mohammed Nammour und Ala’a Burhan Arafat
Al-Hayat Center
Sonntag, 4. Juli 2010
Zweite Sitzung
Zusammenfassung des ersten Workshoptages
Ala’a Mohammed
Projektkoordinatorin, Arab Foundation for Development and Citizenship
Frage- und Antwort-Runde
Rouman Hadad
Schriftsteller und Journalist
Online-Beobachtungsfähigkeiten
Rouman Hadad
Schriftsteller und Journalist
Blogs für die Wahlbeobachtung entwerfen
Sakher Khasawneh
Rechtsanwalt
Einen Blog entwerfen und bekannt machen
Ala’a Mohammed
Projektkoordinatorin, Arab Foundation for Development and Citizenship
Zukünftige Aktivitäten
Dr. Amira Mustafa
Geschäftsführerin, UNIHRD
2. Ziele
Die jordanische Bevölkerung ist sehr jung: 50 % der Jordanier sind jünger als 20 Jahre. Viele junge Menschen sind sehr aktiv im Internet: Neben den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter werden Blogs immer beliebter. Die Inhalte, die über die Blogs vermittelt werden, sind jedoch sehr unterschiedlich. Neben persönlichen Blogs, der beliebtesten Art, gewinnen politische Blogs zunehmend an Popularität. Die Konrad-Adenauer-Stiftung sieht ein großes Potenzial in dieser Form politischer Teilhabe. Aus diesem Grund entschied sich das Auslandsbüro Amman der KAS, in Zusammenarbeit mit dem Arab World Center for Democratic Development (UNIHRD), einen Workshop unter dem Titel „Blogger als Wahlbeobachter“ zu organisieren, der am 3. und 4. Juli 2010 in Amman stattfand. Das Thema wurde aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen in Jordanien gewählt. Im November 2009 hatte König Abdallah II. das jordanische Parlament aufgelöst. Eine Übergangsregierung unter Premierminister Samir Rifai wurde damit beauftragt, ein neues Wahlgesetz für die anstehenden Wahlen am 9. November 2010 auszuarbeiten. Das Gesetz wurde am 8. Juni 2010 verkündet und enthält einige Modifikationen des vorherigen Wahlrechts. Das Ziel dieser Veranstaltung war daher, politisch interessierte und engagierte jordanische Blogger über das neue Wahlgesetz und die anstehenden Wahlen zu informieren. Nicht zuletzt sollten die teilnehmenden Blogger auch lernen, wie sie ihre demokratischen Rechte auf politische Teilhabe wahrnehmen können. Zusätzlich lernten die Teilnehmer, wie ein Blog gestaltet werden kann und wie man ihn bekannt macht. Die 35 jungen Menschen aus verschiedenen Gegenden Jordaniens wurden aufgrund ihrer herausragenden Fähigkeiten, Erfahrungen und Engagements in NGOs aus dem Jugendbereich ausgewählt. Sie wurden von ausgewiesenen Experten aus unterschiedlichen Bereichen ausgebildet.
3. Veranstaltungsdetails
PD Dr. Martin Beck, Leiter des Auslandsbüros Amman der KAS, eröffnete den Workshop. In seiner Begrüßungsrede stellte er eines der Hauptziele der KAS vor, nämlich die politische Bildung Jugendlicher zu fördern und demokratische Werte zu unterstützen. Die politische Bildung Jugendlicher sollte zu einem vermehrten politischen Bewusstsein führen, sodass sie aktiver am politischen Prozess teilnehmen können. Darüber hinaus fasste Dr. Martin Beck die wichtigsten Änderungen des neuen Gesetzes zusammen.
Dr. Amira Mustafa, Generaldirektorin des Arab World Center for Democratic Development, begann ihre Begrüßungsrede mit einer Vorstellung ihrer Organisation und betonte die wichtige Rolle der Medien für demokratische Prozesse. Da Blogs einen immer größeren Anteil in der Medienlandschaft ausmachten, sei es sehr wichtig, das politische Bewusstsein dieser Blogger zu schulen.
Nach den Begrüßungsreden eröffnete Dr. Amjad Al-Shraideh, Richter am Nord-Amman Gericht, die erste Sitzung des Workshops. Er sprach über die Bedeutung und Tragweite der anstehenden Wahlen. Zu Beginn betonte er die Absicht König Abdallahs II., transparente und faire Wahlen durchzuführen, die den Willen der Wähler widerspiegeln. Außerdem sei es der Wille König Abdallahs, bei den Wahlen die Prinzipien der Dezentralisierung und der Einbindung aller Bürger Jordaniens, besonders der Frauen, im Parlament zu verwirklichen. Dr. Amjad Al-Shraideh analysierte anschließend das neue Wahlgesetz und betonte, dass es offensichtlich große Unterschiede zwischen dem neuen und dem vorherigen Wahlrecht gebe. Aus seiner Sicht sei die offensichtlichste Neuerung die Einrichtung der sogenannten virtuellen Wahlbezirke. Während das vorläufige Wahlgesetz von 2001 45 Wahlbezirke schuf, wurden mit dem neuen Gesetz 108 Teilbezirke geschaffen. Ein weiterer wichtiger Unterschied sei die Frauenquote, die von sechs auf zwölf Sitze erhöht wurde. Darüber hinaus konzentriere sich das neue Gesetz auf die Bekämpfung von Korruption, die mit schweren Strafen belegt sei. Er erwähnte auch, dass das neue Gesetz nur ein vorläufiges Gesetz sei, das vom zukünftigen Parlament bestätigt werden müsse.
Nach seinem Vortrag diskutierte Dr. Amjad Al-Shraideh mit den Teilnehmern über das Thema des politischen Bewusstseins der jungen Generation. Aus seiner Sicht gebe es einen Mangel an politischem Bewusstsein in der jordanischen Gesellschaft als Ganzes, besonders aber unter den Jugendlichen. Aus diesem Grund sei die Förderung dieses Bewusstseins durch Veranstaltungen wie diese besonders wichtig. Überdies sei es wichtig, besonders Studenten über die Kandidaten zu informieren, so dass sie für einen Kandidaten stimmen, der sie auch wirklich repräsentiert.
Der zweite Sprecher in dieser Sitzung war der Rechtsanwalt Rebhi Etwi, Leiter des Mithaq Center for Development and Human Rights. Er sprach über verschiedene Wahlsysteme und das jordanische Regierungssystem. Zuallererst betonte er die zentrale Bedeutung des Wahlrechts und eines Parlaments, das den Willen des Volkes widerspiegelt. In diesem Zusammenhang zitierte er die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die in Artikel 21 aussagt, dass jeder das Recht hat, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken.
Darüber hinaus hat jeder das Recht auf gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern in seinem Land. Außerdem soll der Wille des Volkes die Grundlage aller öffentlichen Gewalt sein, ausgedrückt durch regelmäßige, demokratische Wahlen. Im Folgenden sprach Rebhi Etwi über Kriterien, um das Wahlsystem zu bewerten, wie die Vertretung der Wähler, Stabilität und Effizienz der Regierung, Verantwortlichkeit des Parlaments und der gewählten Individuen, Förderung politischer Parteien und die Stärkung der Rechte der Opposition sowie die Überwachung der Regierung durch die Legislative. Des Weiteren stellte er die Einteilung von Wahlsystemen in Mehrheitswahlsysteme, Verhältniswahlsysteme und gemischte Systeme vor.
Danach sprach Dr. Amjad Al-Shraideh über die politische Teilhabe von Frauen und Minderheiten. Er konzentrierte sich dabei auf die anstehenden Wahlen, die unter dem neuen, vorläufigen Wahlgesetz abgehalten werden und betonte die Bedeutung politischer Parteien.
Während seines Vortrags ging er auf die Teilnahme verschiedener Parteien an der anstehenden Wahl ein. Er legte dar, dass sich die Vertretung verschiedener Gruppen, wie z. B. Frauen und Tscherkessen u. a., seit Einführung des sogenannten „one man, one vote“ Wahlsystems verbessert habe. Die Frauen in Jordanien erhielten das Wahlrecht im Jahr 1974. Da aber in den 1970er und 1980er Jahren die Parlamentswahlen ausgesetzt waren, fanden die ersten Parlamentswahlen, an denen auch Frauen teilnehmen durften, 1989 statt. Bei den darauf folgenden Wahlen 1993 kandidierten zwei Frauen für einen Sitz im Parlament. Eine von ihnen, Tujan al-Faysal, schaffte auch den Einzug ins Parlament. Die erste Frauenquote von sechs Sitzen wurde von der Regierung im Vorfeld der Wahlen 2003 eingeführt. Vier Jahre später wurden sieben Frauen ins Parlament gewählt, sechs über das Quotensystem und eine durch Direktwahl. Vor Einführung der Quote, hatten es nur zwei Frauen jemals geschafft, einen Sitz im Parlament zu gewinnen: Tujan al-Faysal und Nuha Maaytah, die ihren Sitz bei Nachwahlen 2001 gewann.
Die erste Sitzung endete mit einem Vortrag zweier jugendlicher Blogger, die über ihre Erfahrungen sprachen. Ayoub Nammour und Ala’a Arafat, die beide beim Al-Hayat-Center arbeiten, sprachen über die Beteiligung der Jugend an dem Wahlen in Jordanien. Sie betonten die Tatsache, dass die Jugend die Mehrheit der jordanischen Bevölkerung darstellte. Gleichzeitig sei die Jugend Hoffnung und Verheißung für ein neues politisches Zeitalter der freien Wahlen und Bürgerrechte. Die jungen Blogger verdeutlichten, dass Demokratie gelebt werden müsse und nicht nur ein theoretischer Entwurf bleiben dürfe. Der größte Einfluss von Demokratie sei die Garantie von Freiheitsrechten und die Verbreitung eines Bewusstseins für die Rechte und Pflichten eines jeden Einzelnen. Die Referenten zeigten den Teilnehmern auf, wie Teilhabe am politischen Prozess aussehen kann und betonten die Bedeutung der Wahlbeobachtung: die Ermunterung anderer, an den Wahlen teilzunehmen und einen Kandidaten bei dessen Wahlkampf zu unterstützen.
Der zweite Tag des Workshops konzentrierte sich auf verschiedene Arten des Bloggens. Die erste Rednerin war Ala’a Mohammed, die für das Arab World Center for Democratic Development (UNIHRD) arbeitet. Sie fasste den vorangegangenen Workshoptag zusammen und betonte die Unterschiede zwischen neuem und altem Wahlgesetz. Darüber hinaus hob sie die Bedeutung der Einbindung der Jugend in den politischen Prozess hervor, sodass Jugendliche mit ihren Ideen und Gedanken zum politischen Geschehen in Jordanien beitragen können. Deshalb sollte das politische Bewusstsein der Blogger verbessert werden, um fruchtbarere und nützlichere Blogs zu schaffen.
Im Anschluss daran diskutierte Rouman Hadad mit den Teilnehmern deren Fragen und Antworten. Die zentralen Fragen waren: Warum beobachten Blogger Wahlen? Wen sollten sie beobachten? Wie kann ihre Neutralität gewahrt werden? Was sind die grundsätzlichen Prinzipien für die Wahlbeobachtung? Rouman Hadad fragte zu Beginn nach dem Grad der Aktivität der Teilnehmer, wobei sich herausstellte, dass viele Teilnehmer sehr aktiv in ihren Blogs sind, dass manche aber auch einen Blog haben, ohne oft daran zu arbeiten. Er ermunterte die eher passive Minderheit dazu, durch ihre Blogs von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch zu machen. Aus seiner Sicht sei es sehr wichtig, die Authentizität der Blogs zu sichern, indem die Blogger z. B. gut über das Wahlrecht informiert sind. Er betonte außerdem die Notwendigkeit für politische Blogger, die angemessene Ausdrucksweise zu finden, um ihr Publikum zu erreichen.
Danach ging er im Einzelnen auf die oben genannten Fragen ein. Aus der Sicht der Blogger beobachteten diese hauptsächlich deswegen, weil Blogs die Möglichkeit eröffnen, seine Meinung uneingeschränkt zu äußern. Rouman Hadad erklärte den Teilnehmern, dass hauptsächlich Regierungsbeamte, Bürger und Kandidaten beobachtet würden. Zur Frage der Neutralität der Blogger kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass diese nur erreicht werden kann, wenn sich die Blogger so gut wie möglich informieren. Rouman Hadad nannte anschließend die Grundprinzipien der Wahlbeobachtung, nämlich Ausbildung, Expertise, Neutralität, Schnelligkeit und Genauigkeit.
Rouman Hadad beendete seinen Beitrag mit einem Vortrag über „Online Skills of Surveillance: Network Security and Tactical Skills“. Er begann mit dem Thema Netzwerksicherheit und nannte verschiedene Maßnahmen, durch die Netzwerksicherheit erreicht werden kann. Dies seien die Festlegung der geographischen Ausdehnung der Beobachtung, die Vernetzung mit anderen Bloggern, Informationssammlung, direkte Beobachtung, die Erfassung verschiedener Standpunkte und die Berücksichtigung von Beschwerden. Im Anschluss sprach Rouman Hadad über sogenannte Online-Beobachtungsfähigkeiten oder taktische Fähigkeiten. Aus seiner Sicht ist Bloggen eine wichtige taktische Fähigkeit, die nicht nur das Schreiben, sondern auch Umfragen, Bilder und multimediale Elemente enthält. In Bezug auf Netzwerksicherheit sagte er, dass diese niemals zu 100 Prozent erreicht werden kann. Dennoch sollte man immer versuchen, möglichst nahe an diese 100 Prozent heranzukommen.
Dr. Sakher Khasawneh sprach über „Bloggestaltung für die Wahlen“. Er erklärte, dass Blogs ein Weg seien, Gedanken und Meinungen auszudrücken. Die Beiträge von Blogs variieren je nach Interessen des Verfassers und der verwendeten Ausdrucksmittel: Text, Grafiken, Bilder oder Videos. Was das Bloggen zu den Wahlen anbelangt, nannte er die Voraussetzungen für einen gelungenen Blog: Das gesamte Informationsmaterial muss gesammelt werden; dazu kommen Analysen, Interviews, Debatten, Gespräche und Untersuchungen sowie die Teilnahme an Konferenzen und Meetings. Notwendig sei es weiterhin, die Genauigkeit der Informationen und Neuigkeiten sicherzustellen, bevor sie veröffentlicht werden. Dafür müssten Blogger alle verfügbaren Informationen objektiv und ohne Vorurteile berücksichtigen.
Ala’a Mohammed begann ihren Vortrag mit der Frage: „Wie gestaltet man einen Blog und macht ihn mit verschiedenen Methoden bekannt?“ Die wichtigste Antwort darauf sei Sorgfalt, was bedeute, dass ein Bericht direkt nach einem Ereignis geschrieben werden sollte. Eine weitere Regel sei die Verwendung einer der Zielgruppe angemessenen Sprache.
Dr. Amira Mustafa präsentierte abschließend einen Plan zur Umsetzung, nachdem viele Informationen über Blogging und die Wahlen vermittelt wurden. Sie schlug vor, einen neuen Blog zu erstellen, zu dem jeder Teilnehmer des Workshops beitragen sollte. In di esem Blog sollten die Teilnehmer die Informationen und Methoden, die sie während des Workshops erlernt hatten, umsetzen, sodass andere Jugendliche in Jordanien auch davon profitieren können.
4. Fazit
Der zweitägige Workshop behandelte ein sehr aktuelles Thema, das mit entscheidend für die Zukunft der Demokratie in Jordanien ist. Die jungen Erwachsenen, die bereits stark in jordanischen politischen NGOs engagiert sind, hatten die einmalige Gelegenheit, von anerkannten Experten aus verschiedenen Bereichen zu lernen und dabei unterschiedliche Sichtweisen kennen zu lernen. Gleichzeitig hatten die Experten die Gelegenheit, ihre Gedanken mit den Teilnehmern auszutauschen und aktuelle Themen mit denjenigen zu diskutieren, die im Bereich der Blogs sehr aktiv und erfahren sind.
Der Workshop verband zwei Themen, nämlich das Bloggen und die anstehenden Wahlen zu einer fruchtbaren Diskussion, die zum Demokratisierungsprozess in Jordanien beitragen wird. Das Feedback zu dem Workshop war sehr positiv, und sowohl Teilnehmer als auch Experten interessierten sich für Folgeveranstaltungen. Außerdem sichert der Plan für einen gemeinsamen Blog zu den Parlamentswahlen im November 2010 eine nachhaltige Wirkung der Veranstaltung. Kurz vor den Wahlen soll es ein weiteres Treffen geben, bei dem die Ergebnisse der Arbeit vorgestellt und das weitere Vorgehen diskutiert werden kann.