Veranstaltungsberichte
Veranstaltung: Roundtable Diskussion
Datum/Ort: June 17-18, 2011, Kempinski Hotel, Amman, Jordanien
Organization: Women Empowerment Organization, CARA, und KAS Amman
Teilnehmerliste
Dr. Nadje al-Ali
Professorin and Vorsitzende der Gender Studies
School of Oriental and African Studies, University of London
London – Vereinigtes Königreich
Frau Mona Al-Alami
Geschäftsführerin
Jordanian Center for Civic Education
Amman – Jordanien
Dr. Sameerah Al-Badri
Vorsitzende
Kindergarten, College of Education for Girls
Bagdad – Irak
Frau Huda Al-Dujaili
Unabhängige Forscherin
CARA IRFP Gender Research Teammitglied
Amman – Jordanien
Dr. Nazhat Mahmoot Nifal Al-Dulaimi
Assistenz Professor
Fachbereich Journalismus, Universität Bagdad
Bagdad – Irak
Dr. Mahasen M. Al-Jaghoub
Direktor
Center for Women’s Studies, University of Jordan
Amman – Jordanien
Dr. Wafa Al- Khadra
Dekan and Direktor
Fakultät der Künste und Internationaler Beziehungen, Al-Ahliyya Amman University
Amman – Jordanien
Dr. Nahla al-Nadawi
Dozentin
College of Education for Women, Universität Bagdad
Bagdad – Irak
Dr. Sanaa Al-Omari
Gastdozentin
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, Middle East University for Graduate Studies
Amman – Jordanien
Dr. Khalid Ali Al-Quradaghi
Programmdirektor
Sozial- und Geisteswissenschaften, Qatar National Research Fund, Qatar Foundation
Doha – Katar
Frau Rasha Al- Rashed
Projektassistentin
Konrad Adenauer Stiftung
Amman – Jordanien
Dr. Maha Al-Sakban
Kinderärztin
Direktorin des Büros für Gesundheitsqualitätskontrolle, Diwaniya Health Directorate
Irak
Dr. Abdul Sattar Al-Taie
Geschäftführer
Qatar National Research Fund, Qatar Foundation
Doha – Katar
Frau Suzan Aref
Direktorin
Women Empowerment Organization
Erbil – Irak
Dr. Ayse Gul Altinay
Assistenz Professorin
Fakultät für Kunst und Sozialwissenschaften, Sebancy University
Istanbul – Türkei
Frau Kawther Akreyi Ibraheem
Gender Beraterin
Fachbereich Soziologie, Salahadeen University
Erbil – Irak
Dr. Awatif Kannosh Al-Mustafa Al-Temini
Direktorin
Al Tawqa Association for Women and Children
Basra – Irak
Dr. Martin Beck
Landesbeauftragter
Konrad-Adenauer-Stiftung
Amman – Jordanien
Dr. Lahay A. Hussain Dami
Dozentin
Fachbereich Soziologie und Kunstkollegium, Universität Bagdad
Bagdad – Irak
Dr. Dima Dabbous- Sensenig
Direktorin
Institute for Women’s Studies in the Arab World, Lebanese American University
Beirut – Libanon
Dr. Abeer B. Dababneh
Assistenzprofessorin und Vorsitzende
Jurafakultät, Center for Women Studies, Universität Jordan
Amman – Jordanien
Dr. Moushira El- Giziri
Gender Beraterin
Higher Education
Kairo – Ägypten
Dr. Legaa Mousa Fenjan
Dozentin
College of Education for Women, Universität Bagdad
Bagdad – Irak
Frau Ilham Makki Hamadi
Anthropologin und Gender Trainer
Al-Amal Association
Irak
Frau Liza Nissan Hido
Direktorin
Baghdad Women Association
Bagdad – Irak
Frau Sundus Abbas Hassan
Direktorin
Women Leadership Institute
Bagdad und Basra – Irak
Frau Paula Koch
Praktikantin
Konrad-Adenauer-Stiftung
Amman – Jordanien
Frau Katharina Mewes
Forschungsassistentin und Projektleiterin
Konrad-Adenauer-Stiftung
Amman – Jordanien
Frau Marta Pietrobelli
PhD Kandidatin
School of Oriental and African Studies, Universität London
London – Vereinigtes Königreich
Frau Ida Poschman
Programmdirektor
Women Empowerment Organization
Erbil – Irak
Frau Hanan Abdel Rahman – Rabbani
Führende Projektleiterin
Women Rights, Open Society Foundation
Amman – Jordanien
Frau Kate Robertson
Stellvertretende Geschäftsführerin
Iraq Programme Coordinator, Council for Assisting Refugee Academics
London – Vereinigtes Königreich
Frau Huda Sabir Rafiq
Projektleiterin
American Society for Kurds
Erbil – Irak
Dr. Irada Zaydan Al- Jabbouri
Dozentin
College of Mass Communication, Universität Bagdad
Bagdad – Irak
Am 17. Juni 2011 trafen mehr als 20 Vertreter irakischer Universitäten und führender Nichtregierungsorganisation in Amman zu einem Workshop zur Verbesserung der Kooperation von Akademikern und zivilgesellschaftlichen Organisationen im Bereich Gender-Studies zusammen. Unterstützt wurde der Workshop von ägyptischen, türkischen, jordanischen und libanesischen Experten. Die Diskussion, bzw. die Workshops, zu dem Thema Gender-Studies hatten bereits Ende 2010 in Amman begonnen. Der erste Workshop konzentrierte sich damals auf die Förderung von Frauenrechten an irakischen Universitäten sowie auf die bessere Vernetzung von Experten aus den Bereichen Women´s und Gender-Studies im Nahen Osten. Dieser zweite Workshop diente dazu, die Zusammenarbeit zwischen Zivilgesellschaft und Wissenschaft voranzutreiben, um die Behandlung von Frauenrechten und geschlechtsbedingten Problematiken an Universitäten sowie in der gesamten Gesellschaft zu fördern.
Die Konferenz richtete sich nach der Chatham-House-Regel. Folglich fasst dieser Bericht die wichtigsten Themen und Streitpunkte zusammen, die während der Veranstaltung hervorgehoben wurden, ohne einzelne Teilnehmer zu zitieren.
Hintergrund
Um eine Diskussion zum Thema Gender und Women’s-Studies zu führen, sollten zunächst wichtige Unterschiede zwischen den beiden Themengebieten hervorgehoben werden. Women’s-Studies stammen ursprünglich aus den USA und waren dort eine Reaktion auf die zweite Welle des Feminismus. Während sich die erste Welle des Feminismus mit dem legalen Status von Frauen beschäftigte, u.a. Wahl- und Eigentumsrecht, lag der Fokus der zweiten Welle auf Familienproblemen, rechtlicher Diskriminierung sowie Ungleichheiten in der Arbeitswelt. Women’s-Studies entstanden als akademischer Fachbereich, der Frauenrechtsbewegungen unterstützen sollte, indem er sich auf die spezifischen Erfahrungen und Beiträgen von Frauen konzentrierte, welche bislang nicht ausreichend geschätzt wurden. Akademiker fingen an, in Geschichte, Literatur, Politik, Soziologie, Anthropologie etc. die Perspektiven und Standpunkte von Frauen zu erkunden. Im Gegensatz dazu entstanden Gender-Studies durch die Erkenntnis, dass es keine globale Frauensolidarität gibt, sondern dass verschiedene Faktoren, wie sozioökonomischer Status, ethnische Zugehörigkeit und Religion, die Probleme von Frauen beeinflussen. Der Begriff „Gender“ bezeichnet die soziale und kulturelle Konstruktion, die beschreibt, was ein „idealer“ Mann bzw. eine „ideale“ Frau ist. Daher ist es möglich, einen Unterschied zwischen dem biologischen Geschlecht eines Menschen und dessen Konstruktion zu machen. Jedoch stellten Gender-Theoretiker in den letzten Jahren fest, dass das biologische Geschlecht einer Person auch sozial und kulturell bedingt ist. Zudem bezeichnet Gender ein asymmetrisches und hierarchisches Machtverhältnis.
Im Nahen Osten müssen Gender-Studies sich häufig mit den verschiedenen Bedeutungen des arabischen Wortes für Geschlecht, „jins“ auseinandersetzen. Es bezeichnet die Sexualität und wird oft mit „verbotenem Geschlechtsverkehr, d.h. unehelichem oder homosexuellem Geschlechtsverkehr“ in Verbindung gebracht. Diese Interpretation ist äußerst problematisch und führt vielfach zu Irritationen. Zudem werden weibliche Akademiker und Aktivisten der Zivilgesellschaft, die sich mit Gender-Problematiken beschäftigen, häufig diskreditiert. Diese Missdeutung ist einer der Gründe, warum es sich als schwer erweist, im Nahen Osten frei über Gender-Studies zu diskutieren. Zudem werden Gender-Studies als ein Import aus dem Westen angesehen und aus diesem Grund diskreditiert oder ignoriert. In Anbetracht des Kontextes ist es strategisch klüger, über Women’s-Studies und Frauenproblematiken zu reden, auch wenn der Begriff „Gender“ über die Frauenfrage hinaus geht und sich zusätzlich mit Männern und Maskulinitäten sowie den Machtverhältnissen, die in der Gesellschaft zwischen Geschlechtern bestehen, beschäftigt. Es sollte jedoch hervorgehoben werden, dass Zentren für Gender-Studies in der Region, insbesondere in der Türkei, dem Libanon, Palästina und Ägypten, entstanden sind und wichtigen Beitrag leisten.
Frauenrechtsaktivismus im Nahen Osten hat sich historisch als Teil weitreichender politischer Bewegungen entwickelt, wie z.B. der antikolonialistischen Unabhängigkeitsbewegungen, der sozialistischen Bewegungen gegen Ausbeutung und der Studentenbewegungen. Da sie nur ein Teil weitläufiger Bewegungen waren, werden die Forderungen der Frauen allerdings häufig als zweit- oder drittrangig betrachtet und hinter politische und wirtschaftliche Fragen gestellt. Mit anderen Worten, Geschlechts- und Frauenproblematiken werden nicht als ein Teil politischer und sozialer Angelegenheiten gesehen, sondern als Themen zweitrangiger Relevanz, welche beliebig in die Analyse einbezogen oder aber auch weggelassen werden können.
Regionale Erfahrung
Da die Einführung von Gender-Studies an irakischen Universitäten ein sensibles Thema ist, begann die Konferenz mit Vorträgen von Vertretern des Center for Women’s-Studies der University of Jordan und des Women and Memory Forums über erfolgreiche Initiativen im Bereich Gender aus Jordanien und Ägypten.
Die Vorträge stellten Probleme in den Vordergrund, die in den zwei Ländern in Verbindung mit Gender aufgekommen waren:
1.Ein Mangel an qualifizierten Fachexperten an den Universitäten.
2.Ein Mangel an Personal und an Bibliotheken.
3.Schwierigkeiten, finanzielle Unterstützung für Women’s und Gender-Studies zu finden.
4.Ein Mangel an Klarheit über die Ziele und Visionen der Frauenbewegung in Jordanien.
5.Eine Diskrepanz zwischen Universitäten und den vorherrschenden Verhältnissen im Land.
6.Eine systematische Vernachlässigung der Sozial- und Geisteswissenschaften in Universitäten.
7.Eine Resistenz gegen die Einführung neuer Fachbereiche und Kompetenzen in Studiengängen.
8.Eine Kluft zwischen Organisationen der Zivilgesellschaft und den Universitäten.
9.Eine Benachteiligung der Universitäten gegenüber den Nichtregierungsorganisationen in Bezug auf Forschungsgelder.
Die Teilnehmer brachten verschiedene Vorschläge um diese Probleme anzugehen und um Women’s und Gender-Studies voranzutreiben:
1.Gender-Studies sollten in Universitäten eingeführt werden.
2.Nichtregierungs- und zivilgesellschaftliche Organisationen sollten Partnerschaften mit Universitäten eingehen und sich mit Akademikern verbinden, welche Gender- und Frauenproblematiken offen gegenüberstehen.
3.Nachwuchskräfte an den Universitäten sollten Training und finanzielle Unterstützung erhalten, um Wissen über frauenspezifische Thematiken an den Universitäten verbreiten zu können.
Women’s und Gender-Studies an irakischen Universitäten
Nach den Vorträgen über die Situationen in Ägypten und in Jordanien, wandten die Teilnehmer sich dem Thema Women’s und Gender-Studies im Irak zu. Die Vorträge und die darauffolgenden Diskussionen brachten interessante Einblicke als auch Bedenken über den aktuellen Status der Gender-Studies im Irak.
Während es 25 Universitäten und 16 Wissenschaftszentren im Irak gibt, blieb die Gründung eines Zentrums, das auf Women´s oder Gender-Studies spezialisiert ist bisher aus. Zwar wurde vor einigen Jahren ein Zentrum für diese Thematik von der Regierung gegründet, doch mangelt es den dortigen Akademiker nicht nur an sachbezogenem Training, vielmehr sind auch ihre Forschungsziele sehr traditionell und unterstützen die existierenden Stereotypen, anstatt sie anzufechten. Mehrere Teilnehmer betonten, dass es wichtig sei, sich zunächst mit „capacity building“ zu beschäftigen, d.h. Akademiker in sachbedingten Theorien und Methodologien zu unterrichten, bevor man sich mit „institution building“ befasst und folglich Women’s-Studies Programme und/ oder Zentren etabliert.
Dr. Hamadi (links) und Dr. Al-Dulaimi (rechts)
An Universitäten sind Frauenrechte und Genderfragen derzeit im allgemeinen Bereich der Menschrechte angesiedelt. Jedoch werden Gender- und Frauenproblematiken je nach Willen des Dozenten behandelt. Folglich hängt die Einführung von Gender und Women’s-Studies in Studiengängen vom Bestreben der einzelnen Professoren ab. Wenn Frauenproblematiken diskutiert werden, werden sensible Themen, wie sexuelle Belästigung oder Kurzzeitehen, häufig nicht thematisiert.
Die Teilnehmer machten verschiedene Vorschläge, wie es möglich wäre, die Behandlung von Gender-Studies an irakischen Universitäten zu verbessern bzw. einzuführen:
1.Akademiker, die an fachbedingten Theorien und Methodologien interessiert sind, sollten in diesem Bereich geschult werden.
2.Irakische Akademiker sollten sich an einem beständigen Informations- und Erfahrungsaustausch beteiligen, da viele von ihnen isoliert arbeiten und nicht darüber informiert sind, womit sich Kollegen in anderen Disziplinen und Universitäten beschäftigen.
3.Irakische Akademiker, die sich mit Frauen- und Genderproblematiken beschäftigen, müssen sich mit entsprechenden zivilgesellschaft-lichen Organisationen austauschen, um die Disziplin den sozialen Gegebenheiten anzupassen.
4.Irakische Akademiker sollten die Chance nutzen, von den Erfahrungen ihrer Kollegen zu lernen, die sich in der Region mit Gender und Women’s-Studies befassen.
5.Gender-Studies sollten vorerst unter dem Titel Women’s-Studies eingeführt werden, um die Akzeptanz bei den Entscheidungsträgern zu erhöhen.
6.Als Teil der Gender-Studies-Kurse sollten Frauen über ihre Rechte aufgeklärt werden sowie darüber, wie sie diese einfordern können. Dies sollte zu einem sozialen Diskurs führen, um die Art und Weise, wie die Rolle der Frau in der Gesellschaft gesehen wird, zu verändern.
Gender-Training im Irak
Wenn man berücksichtigt, wie kompliziert es im Irak ist, in einem akademischen Rahmen von Gender zu sprechen, wird schnell deutlich, dass es umso schwieriger ist, Genderfragen in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Die Begriffe „Gender“ und „Women’s-Studies“ zu erwähnen birgt einige Herausforderungen, da sie mit sexueller Befreiung von Frauen und Homosexualität assoziiert werden. Es sind jedoch gerade diese problematischen Auffassungen, welche die Arbeit von Gender Trainern so wichtig machen. Die Ziele des Trainings sind u.a. die Verbreitung von Informationen über das Konzept „Gender“, die Förderung von Menschen- und Frauenrechten und die Hinterfragung der männlichen Vorherrschaft in der Gesellschaft.
Ein Teil des Gender-Trainings richtet sich an Berufsrichter, um Gesetze, welche Frauen diskriminieren, zu verändern – wie z.B. Eigentums- und Scheidungsrecht. Auch wenn Richter ein sehr hohes Bildungsniveau aufweisen, gehen sie Diskussionen häufig von ihrem eigenen kulturellen Hintergrund an, so dass ihr Ansatz weder akademisch noch anthropologisch fundiert ist. Die Richter, welche Frauen- und Genderproblematiken wohlwollend gegenüberstehen, glauben oft, dass sie selbst nicht in der Position sind, Veränderungen zu bewirken und schieben die Verantwortung an die Entscheidungsträger ab.
Einige der Teilnehmer wiesen darauf hin, dass eine Veränderung der kulturellen Sichtweise im Bezug auf Genderthemen es erfordere, dass diese Themen bereits mit jungen Menschen diskutiert werden. Sie betonten außerdem, dass es einfacher sei, das Zivilrecht zu verändern als das religiöse Gesetz. Aus diesem Grund solle man beginnen, die legalen Missstände im Zivilrecht zu thematisieren und zu verändern. Zudem wurde angemerkt, dass viele Frauen das patriarchalische System akzeptieren, da sie annehmen, dass sie nicht in der Lage sind, es zu verändern und deswegen versuchen, das Beste daraus zu machen.
Forschung über geschlechtsspezifische Gewalt
Der zweite Tag des Workshops richtete die Aufmerksamkeit auf geschlechtsspezifische Gewalt. Die extremsten Formen dieser Art von Gewalt sind Ehrenmord, Zwangssuizid und Genitalverstümmelung. Geschlechtsspezifische Gewalt findet besonders dort statt, wo Frauen die Ehre der Familie repräsentieren. Auch wenn z.B. die kurdische regionale Regierung Schritte gegen solche Gewalt eingeleitet hat, verbleiben Bedenken über die Effektivität dieser Maßnahmen. Es ist davon auszugehen, dass sich die größten Defizite im Ermittlungssystem befinden. So glauben polizeiliche Ermittler den Frauen häufig nicht, wenn diese Belästigung oder Misshandlungen melden oder unterstellen ihnen sich falsch verhalten zu haben, so dass die Misshandlung womöglich gerechtfertigt ist. Dazu haben Frauen, die in einem Frauenhaus untergekommen sind, oft keinen Zugang zu qualifizierten Sozialarbeitern.
Im Folgenden widmete sich die Diskussion einem Beispiel aus der Türkei. Es wurde das Forschungsprojekt der Sebancy-Universität über „Häusliche Gewalt und der Kampf dagegen“ vorgestellt. Eine landesweite Studie befragte Frauen, die Beziehungen mit Männern geführt haben. Die drei Hauptfragen waren:
1.Was denken Frauen über die Rechtfertigung von häuslicher Gewalt?
2.Welche Erfahrungen haben Frauen mit häuslicher Gewalt?
3.Wie kann häusliche Gewalt verhindert und bestraft werden?
Die Studie zeigte, dass 90% der Frauen glauben, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt geschlagen zu werden und 92% aller Frauen waren der Auffassung, dass Männer für eine solche Art von Gewalt bestraft werden müssen. Nach ihrer Fertigstellung wurde die Studie weitläufig verteilt und publiziert. Die Ergebnisse wurden von Frauenorganisationen genutzt, um politische Richtlinien zu beeinflussen und um der Regierung die Forderungen von Frauen vorzustellen.
Im Anschluss an die Vorträge stellten die Teilnehmer Fragen zur Methodologie des Projekts. Viele äußerten Bedenken bezüglich der Übertragbarkeit eines solchen Projekts auf ihre eigenen Regionen, da es oft schwierig ist, Frauen zu finden, die bereit sind, von ihren Erfahrungen zu erzählen. Jedoch teilten die Teilnehmer die Auffassung, dass Statistiken und forschungsbasierte Daten wichtig sind, um Entscheidungsträgern zu verdeutlichen, dass Veränderungen notwendig sind.
Perspektiven aus der Zivilgesellschaft
Die letzten Vorträge des Workshops kamen von drei zivilgesellschaftlichen Organisationen, die sich im Irak mit Frauenrechten und Genderfragen beschäftigen. Die erste, die Women Empowerment Organization (WEO), befasst sich mit folgenden Schwerpunktthemen: dem Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt, der Prävention solcher Gewalt und Aufklärungskampagnen. Bezüglich des Umgangs mit geschlechtsspezifischer Gewalt, hat die WEO eine Hotline eingerichtet, bei der Frauen und Mädchen soziale und legale Unterstützung finden können. Außerdem hat die WEO ein Beratungszentrum und eine Rechtsberatung, bei denen Frauen kostenlos rechtliche Beratung und juristische Verteidigung erhalten können. Die WEO versucht, geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern. Dafür organisiert sie Kampagnen gegen weibliche Geschlechtsverstümmelung, leitet einen Radiosender, der über Frauenproblematiken informiert und bietet spezielle Veranstaltungen für Imame an, die über Frauenproblematiken aufklären. Die Aufklärungskampagnen der WEO beziehen sich auf Frauenrechte im Familienrecht, im Personenstandsrecht und in der politischen Repräsentation. Zusätzlich organisiert die WEO Forschungsprojekte über geschlechtsspezifische Gewalt, wie zum Beispiel über Faktoren, die zu Ehrenmord führen und die Ausbreitung von weiblicher Geschlechtsverstümmelung beeinflussen.
Die zweite Organisation, das Women Leadership Institute (WLI), geht von einem menschenrechtlichen Standpunkt aus, um Frauenproblematiken im Irak anzugehen. Das WLI organisiert Programme, die Frauen helfen, ihre sozialen Rollen im Irak zu verstehen. Dazu hat das WLI ein psychologisches- und soziales Unterstützungssystem für missbrauchte Frauen ins Leben gerufen. Jedoch wurde deutlich, dass das WLI, wie alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die Hilfe von Akademikern benötigt, um deren Forschungsergebnisse und Daten nutzen zu können, um damit die Politik zu beeinflussen.
Im dritten Vortrag ging es um die Baghdad Women’s Association (BWA), welche 2004 von 11 Frauen aus verschiedenen Teilen Bagdads gegründet wurde, um Themen wie Gleichberechtigung, geschlechtsspezifische Gewalt, Erwerbstätigkeit, Bildung und politische Beteiligung von Frauen zu thematisieren. Die BWA arbeitet insbesondere in marginalisierten und ärmeren Stadtteilen Bagdads. Durch Workshops an Schulen schärft sie das Bewusstsein von männlichen und weiblichen Schülern sowie Lehrern über geschlechtsspezifische Gewalt.
In der darauffolgenden Diskussion betrachteten die Teilnehmer die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen Akademikern und der Zivilgesellschaft. Den Teilnehmern zufolge hindert die Kluft zwischen den beiden den Fortschritt von Frauen und
Genderproblematiken im Nahen Osten, insbesondere im Irak. Akademiker und Zivilgesellschaften können auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeiten, z.B. können sie in Forschungsprojekten kooperieren. Nachdem die Akademiker die Ergebnisse ihrer Forschung erhalten, können die Zivilgesellschaftlichen Organisationen diese nutzen, um effektiv Frauenrechte zu fördern.
Politische Ziele in die Forschung übertragen
Zum Schluss wurden die Teilnehmer in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils aus Akademikern und zivilgesellschaftlichen Aktivisten bestanden. Das Ziel dieser Arbeitsgruppen war es zu testen, ob es möglich ist, gemeinsame Forschungsprojekte zwischen Akademikern und zivilgesellschaftlichen Aktivisten zu organisieren. Mehrere potenzielle Forschungspläne kamen aus diesen Diskussionsrunden hervor. Der erste Vorschlag beinhaltete qualitative und quantitative Forschung über Bewohnerinnen von Frauenhäusern im irakischen Kurdistan. Die Forschungsinitiative würde einfache Statistiken benutzten, um das Leben von Frauen in solchen Einrichtungen und ihr Leben danach zu untersuchen. Das zweite Projekt beschäftigte sich mit Frauenrechten an Gerichten und Polizeistationen. Indem über geschlechtsspezifische Ungleichheiten im Rechtssystem geforscht würde, könnte dieses Projekt Statistiken bereitstellen, um die Zivilgesellschaft dabei zu unterstützen, diese Ungleichheiten zu bekämpfen. Das dritte Projekt drehte sich um häusliche Gewalt in Bagdad. Durch eine Studie und/oder Befragungen würde dieses Projekt versuchen, demografische und sozioökonomische Trends bei häuslicher Gewalt zu erkennen. Ein viertes Forschungsprojekt würde eine anthropologische Studie in einem bestimmten Teil einer Stadt südlich von Bagdad durchführen.
Nächste Schritte und Aktionspläne
Die zweitägige Konferenz gab allen Teilnehmern neue Perspektiven über die Beziehung zwischen Akademikern und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Durch die Diskussionen wurde klar, dass die Kluft, die immer noch zwischen Akademikern und Zivilgesellschaft existiert, geschlossen werden muss, um zum einen Gender- und Frauenproblematiken im Irak effektiv anzusprechen und zum anderen um die zivilgesellschaftlichen Aktivisten zu unterstützen, die Schwierigkeiten haben, die Situation für Frauen zu verbessern und die Ungerechtigkeiten sowie die Ungleichheiten zu unterbinden. Die Teilnehmer des Workshops hatten mehrere Vorschläge, wie diese Kluft überwunden werden kann. Zum Beispiel könnte ein Netzwerk zwischen beiden Bereichen gebildet werden; durch Workshops und Konferenzen, an denen Akademiker und zivilgesellschaftliche Aktivisten teilnehmen, könnten so Kooperationen entstehen und gestärkt werden. Außerdem können Akademiker der Zivilgesellschaft helfen, die Daten zu analysieren, und ihre Zusammenarbeit kann dazu dienen, die Datenerhebungsmethoden zu verbessern. In der Tat brauchen Akademiker und zivilgesellschaftliche Aktivisten Training in Forschungsmethoden (quantitativ sowie qualitativ), um den Einfluss und die Bedeutung der Forschung zu optimieren.
Es wird deutlich, dass seit dem ersten Workshop Ende 2010 ein bedeutender Fortschritt gemacht wurde. Die Teilnehmer zeigten sich in der Lage, den Diskurs über Genderfragen im Irak voranzutreiben. Durch die verschiedenen Erfahrungen und Kompetenzen der Teilnehmer, kam es zu einem nützlichen gegenseitigen Austausch von Ideen und Meinungen, die Akademiker und zivilgesellschaftliche Aktivisten dazu brachten, gemeinsam verschiedene Genderfragen voranzubringen. Einige der Akademiker und Aktivisten erklärten sich dazu bereit, ein Working Paper zu verfassen, um ihre Visionen für zukünftige Zusammenarbeit und ein gemeinsames Netzwerk darzustellen. Diese Papers sollen während des nächsten Workshops diskutiert werden. Die Teilnehmer verließen die Konferenz mit der Hoffnung, beim nächsten Treffen, welches für November 2011 geplant ist, über weitere Erfolge im Bereich Gender-Studies berichten zu können.