Veranstaltungsberichte
Internationale Konferenz zum Thema interkulturelle Bildung
Event: Internationale Konferenz
Datum/Ort: 2./ 3. Juni 2011, Notre Dame Universität, Beirut, Libanon
Konzeption: Dr. Fadi Daou, Dr. Martin Beck
Organisation: Adyan Foundation, Notre Dame University, KAS Amman
1. Programmübersicht
Eröffnung: Willkommensansprachen – 2. Juni, 9:30h -10:30h, Issam Fares Hall
Dr. Nayla Tabbara
Wissenschaftliche Koordinatorin der Konferenz
Präsentation über das Euro-Mediterrane Adyan Understanding Program (8 minütiger Film)
Prof. Martin Beck
Landesbeauftragter der Konrad Adenauer Stiftung in Amman
Präsident Jorge Sampaio
Präsident des United Nations Alliance of Civilizations Programms
Fr. Prof. Walid Moussa
Präsident der Notre Dame Universität
Prof. Fadi Daou
Vorsitzender der Adyan Stiftung
Salim Wardy
Kultusminister der Libanesischen Republik
In Vertretung für General Michel Sleiman
Präsident der Libanesischen Republik
Cocktail und Kulturausstellung
1. Die arabischen Umbrüche: Veränderung oder Herausforderungen für Diversität? – 2. Juni, 11:30h – 13:00h, Abu Khater Hall
Dr. Eugene Sensenig-Dabbous - Panel Vorsitz
Prof. Fadi Daou
Die arabischen Umbrüche und die neuen Herausforderungen für soziale und interkulturelle Kohäsion
Vorsitzender und Vorstandsvorsitzender der Adyan Stiftung (Libanon)
Dr. Martin Beck
Revidierte europäische Außenpolitik gegenüber dem Mittleren Osten
Landesbeauftragter der Konrad Adenauer Stiftung in Amman (Jordanien/ Deutschland)
Prof. Farag Elkamel
Medien und die ägyptische Revolution
Dekan der Fakultät für Massenkommunikation, Ahram Canadian University
(Ägypten)
2. Vielfalt, Interkulturelle und Interreligiöse Bildung – 2. Juni, 15:00h - 16:30 h, Abu Khater Hall
Dr. Nayla Tabbara - Panel Vorsitz
Prof. Fr. Jamal Khader
Christen über den Islam und Muslime über das Christentum lehren – Die Vision und Erfahrungen von der Universität Bethlehem
Dekan der Philosophischen Fakultät und Vorsitzender der Fakultät für religiöse Studien der Universität Bethlehem (Palästina)
Prof. Martin Tamcke
Interreligiöses Zusammenwirken auf dem Weg zu Transkulturalität
Professor der Universität Göttingen, Präsident des deutschen Symposiums Syriacum (Deutschland)
Prof. Antoine Messarra -شرح التنوع الديني... في ابعد من التنوع
(Religiöse Diversität über Vielfalt herausgehend erklären)
Koordinator des Masterprogramms in islamisch-christlichen Beziehungen, Saint-Joseph Universität (Libanon)
3. Bildung über interkulturelle Vielfalt: Gemeinsame Herausforderungen – 2. Juni, 17:00h - 18:30h, Abu Khater Hall
Dr. Carol-Ann Goff Kfouri - Panel Vorsitz
Mr. Miguel Silva
Interkulturelle Kompetenzen um Weltbürgerschaft zu fördern
Programmdirektor - Global Education Programme des Nord-Süd Zentrums des Europäischen Rats (Portugal)
Dr. Mazin Motabagani -ضرورة إنشاء الدراسات الأوروبية والأمريكية في الجامعات العربية لتعزيز التواصل الثقافي
(Die Notwendigkeit europäische und amerikanische Studien in arabischen Universitäten einzuführen, um interkulturellen Dialog anzuregen)
Direktor des Al-Madinah Zentrums für europäische und amerikanische Studien (Königreich Saudi Arabien)
Dr. Suzanne Albanus und Miriam Khalil
Perspektiven der Herausforderungen in interkultureller Bildung in den Golfstaaten. Ein Fallbeispiel von der Amerikanischen Universität in Dubai.
Akademische Beraterin an der Amerikanischen Universität in Dubai
(Vereinigte Arabische Emirate)
Ms. Christine Loy
Interkulturelle Bildung in deutscher Hochschulbildung
PhD Kandidatin an der Ludwig-Maximilian Universität, München (Deutschland)
Bildung - Parallele Sitzungen
4. Interkulturelle Bildung und Methodologische Herausforderungen (Methoden, Geschichte, Identität, Wahrnehmung) – 3. Juni, 9:00h – 10:30h, Friends Hall
Dr. Edward Alam - Panel Vorsitz
Dr. Pater Georges Antaby
Interkulturelle Bildung and Methodologische Herausforderungen: Eine integrative und dynamische Realität
Assistenz Professor in Philosophie, Notre Dame Universität (Libanon)
Prof. Gennaro Auletta
Eine entstehende interdisziplinäre Forschungsstrategie
Wissenschaftlicher Direktor der Spezial Wissenschaften und Philosophie – Päpstlichen Gregorianischen Universität (Italien)
Dr. Eugene Sensenig-Dabbous
Die Theorie und Praxis von westlichen Forschungsmethoden in der MENA Region
Vorsitzender der Fakultät für Politikwissenschaften der Notre Dame Universität (Österreich/Libanon)
Mr. Martin Dougiamas
Online-Lernen als Modell für interkulturelle Bildung: Das Beispiel Moodle (Video-Konferenz)
Moodle Gründer und Hauptentwickler; Management Direktor von Moodle Pty Ltd (Australien)
5. Interkulturelle Bildung und der Wandel der Rolle von Lehrenden und Lernenden – 3. Juni, 11:00h – 12:30h, Friends Hall
Dr. Konrad Pedziwiatr - Panel Vorsitz
Prof. Naji Oueijan
Management von kultureller Vielfalt: Die Rolle von Lehrern
Professor für Englisch an der Notre Dame Universität, Vorsitzende der “Common Platforms for Bridging World cultures” (Libanon)
Dr. Zeinab Abou Samak
Lehrer als Akteure von Veränderungen in multikultureller Bildung
Assistenz Professor am College of Education, Hashemite Universität
(Jordanien)
Dr. Patrick Gibbons
Interkulturelle Bildung der Wandel der Rolle von Lehrenden und Lernende: NOHA Erfahrungen
Präsident des “Network on Humanitarian Assistance (NOHA)” des Universitäts-Kollegs Dublin (Irland)
Ms. Hebatallah Zohni
Lernen von unsern Schülern
Arabisch Lehrer an der ägyptischen Sprachschule (Ägypten)
Religion - Parallel Sitzungen
6. Interreligiöser Dialog und religiöse Bildung – 3. Juni 9:00h – 10:30h , Abu Khater Hall
Pater Jean Jacques Perennès - Panel Vorsitz
Prof. Pater Robert Christian
Kenne deinen Feind und liebe deinen Nachbarn? Ein Vorschlag für interreligiöse Bildung von beiden
Stellvertretender Dekan der theologischen Fakultät - Pontifical Universität of St. Thomas Aquinas (Italien)
Dr. Joseph Yacoub
Spirituelle Wahrnehmung von multikultureller Bildung
Professor an der Notre Dame Universität (Libanon)
Ms. Farah Charif D’ouezzan
Religionen in einem interkulturellen Umfeld unterrichten
Direktorin des Zentrums für interkulturelles Lernen (Morokko)
Dr. Pater Akram Khoury
Spiritueller interreligiöser Dialog
Assistenz Professor an der Fakultät für Geisteswissenschaften an Notre Dame Universität (Libanon)
7. Theologie und religiöse Vielfalt – 3. Juni, 11:00h – 12:30h, Abu Khater Hall
Prof. Fadi Daou - Panel Vorsitz
Prof. Mohammed Issam Eido -حكمة الإشراق كمصدر للمعرفة المتبادلة : دراسة في أدبيات جلال الدين الرومي وفريد الدين عطار
(Beleuchtende Philosophie als Quelle gemeinsamen Verständnisses: eine Studie der Literatur von Jalaluddin Rumi und Fariduddin Attar)
Professor der Fakultät für Koran Studien und die Geschichte von Islamwissenschaften in Damaskus, Direktor des Dalalah Institute(Syrien)
Dr. Pater Roger Chikri
Christliche Quellen zum Thema interkulturelle Bildung für Katholische Oberhäupter
Verwaltungsdirektor – Notre Dame University (Libanon)
Ms. Sandra Lenke
Methoden vergleichender Theologie – Ziele und Herausforderungen
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am "Centre of Comparative Theology and Cultural Sciences", Universität Paderborn (Deutschland)
Dr. Claire Henderson Davis
Religion und Gesellschaft verbinden in den Arbeiten von Charles Davis & Ali Shariati
Programm Manager am Zentrum für öffentliche Bildung am Woolf Institute, Cambridge (UK)
Zivilgesellschaft und Friedensförderung - Parallele Sitzungen
8. Vielfalt, Bildung, und Friedensförderung – 3. Juni, 14:30h – 16:00h, Abu Khater Hall
Dr. Martin Beck - Panel Vorsitz
Mr. Barry Van Driel
Interkulturelle Bildung: Erfahrungen, Widersprüche und Best Practices
Redakteur des akademischen Journals “Intercultural Education”, Routledge Publishers. (Niederlande)
Pater Jean Jacques Pérennès
Gemeinsame Wahrnehmung von Christen und Muslimen: Von kontroversem, zu vertrauensvollen und respektvollen Umgang
Generalsekretär des Instituts Dominikanisches Institut für Orientalistik (IDEO)“ (Ägypten)
Dr. Armando Bernardini
Die Rolle von Schulen um die Akzeptanz von Kindern gegenüber anderen zu erhöhen
Präsident der internationalen Stiftung für Interreligiöse und Interkulturelle Bildung (IFIIE) - Rom (Italien)
Dr. Ziad Fahed
Interkulturelle Bildung und seine Herausforderungen in der Nachkriegsgeneration im Libanon: Eine Fallstudie der Notre Dame Universität, Libanon.
Assistenz Professor für Geisteswissenschaften Notre Dame Universität
(Libanon)
9. Zivilgesellschaft: Raum für interkulturelle und informelle Bildung – 3. Juni, 16:30h – 18:00h, Abu Khater Hall
Dr. Ziad Fahed - Panel Vorsitz
Ms. Tihomira Trifonova
Bildungspotentiale der Zivilgesellschaft
PhD Kandidatin, Dozentin, Wissenschaftlerin an der „New Bulgarian University in Sofia“
(Bulgarien)
Mr. Bernard Abrignani
Interkulturelles Lernen einer der Hauptschlüssel für die Euro-Mediterranische Jugendkooperation
Koordinator von Salto-Youth EuroMed Resource Centre und Projektdirektor für technische Unterstützung von EuroMed Youth Programm IV (Frankreich)
Mr. Garba Diallo
Die dänische Folkshochschule als Raum für interkulturellen Austausch
Direktor und Programmleiter von “Crossing Borders Global Studies” am Krogerup Kollege (Dänemark)
Ms. Eva Vens
Passagen: Lebensgeschichten über das Feiern von Übergangsritualen als Anerkennung von verschiedenen Gruppen
Anthropologin, Dozentin und Koordinatorin von Regelungen der Vielfalt an der Fakultät für soziale Arbeit und Sozial Studien, Ghent Universitäts-Kollege (Belgien)
Management von Vielfalt: Methoden und Werkzeuge - Parallele Sitzungen
10. Werkzeuge für interkulturelle Bildung – 3. Juni, 14:30h – 16:00h, Friends Hall
Mr. Miguel Silva - Panel Vorsitz
Ms. Naima Bouchema -ثقافة السلام في الكتب الدراسية
(Die Kultur des Friedens in Lehrbüchern)
Bildungsberaterin an der Fakultät für Dialog zwischen den Zivilisationen – Liga der arabischen Staaten (Algerien/ Ägypten)
Ms. Rina Viers
Das Lehren des gemeinsamen Ursprungs der Alphabete als ein Lehrziel der mediterranischen Völker
Leiterin der ALPHABET Assoziation (Frankreich)
Ms. Nadezhda Savova
Brot: Quelle für ökologische und künstlerische Entwicklung in informeller und formeller interkultureller Bildung
Dozentin für Kulturstudien an der Sofia Universität
(Bulgarien)
11. Managen von globaler und lokaler Vielfalt – 3. Juni, 16:30h – 18:00h, Friends Hall
Pater Dr. Jamal KhaderPanel Vorsitz
Ms. Gizel Hindi
Globalisierung und Identitäten
Dozent für fortgeschrittene Schreibkünste und Business Kommunikation an der Notre Dame Universität and La Sagesse Universität (Libanon)
Dr. Konrad Pędziwiatr
Europäische Muslime und der Wandel von multikulturellen Regimen
Tischner European University (Polen)
Prof. Stephan Schreiner
Das Konzept vom Trialog der Kulturen – Bemerkungen über interkulturelle Bildung
Koordinator des Europäischen Abrahamic Forum, Universität Tübingen (Deutschland/ Schweiz)
Mr. Christian Van Kerckhov
Und was ist mit mir? Das Managen von Vielfalt in der Fakultät für Sozialwissenschaften und Sozial Studien
Dozent an der Fakultät für Sozialwissenschaften und Sozial Studien des Universitäts-Kollege Ghent und an der Ghent Universität und Koordinator für Regelungen der Vielfalt
(Belgien)
Schlusssitzung – 3. Juni, 18:30h – 19:30, Abu Khater Hall
Dr. Nayla Tabbara
Wissenschaftliche Koordinatorin der Konferenz
Mr. Andreu Claret
Geschäftsführer der “Anna Lindh Euro-Mediterranean foundation for dialogue of Cultures (ALF) and Cross-Cultural education”
Prof. Fadi Daou
Vorsitzender der Adyan Stiftung
Prof. Fadi Daou, Vorsitzender der Adyan Stiftung
2. Zielsetzung
Die wachsende Bedeutung von globaler Zugehörigkeit, in
Verbindung mit der revolutionären Entwicklung von Kommunikationsmitteln, lassen leicht annehmen, dass Vielfalt heutzutage gefeiert wird, und dass Unterschiede als Möglichkeit zur Stärkung der globalen, multikulturellen Welt betrachtet werden. Allzu oft führen Vielfalt und Unterschiede aber zu Auflösung und Gewalt. Dies liegt einerseits an der Tatsache, dass viele Menschen nicht die Fähigkeit besitzen, sich über ihre eigene kulturelle Bedingtheit hinweg zu bewegen, und zum anderen, dass sie nicht in der Lage sind, positiv mit anderen zu kommunizieren. Ein gewisser Grad an „kognitiver Mobilität“ ist notwendig, um Menschen und Angelegenheiten mit Ursprüngen in anderen kulturellen Rahmenbedingungen zu verstehen und konstruktiv mit ihnen zu kommunizieren. Nur diese Art von Kommunikation führt zu produktivem Austausch, der Platz für eine gesunde multikulturelle Umwelt schafft.
Pluralismus und multikulturelle Interaktion sind schneller gewachsen, als die Fähigkeit von Menschen mit Vielfalt umzugehen und „kognitive Mobilität“ zu entwickeln. Missverständnisse und Fehlwahrnehmungen entstehen durch fehlendes Wissen über den anderen, seine Kultur, seine Religion und seine Ansichten sowie durch die Beengtheit durch einseitiges Denken. Islamophobie im Westen, Vorurteile und Stereotypen gegenüber dem Westen und Christen von Seiten der Araber sowie die Fehldarstellung von religiösen Themen in den Medien und einigen Lehrmaterialien stellen die Symptome des tiefliegenden Problems interkulturellen Ignoranz dar.
Aus diesem Grund haben sich die Adyan Stiftung, die Notre Dame Universität, die Anna Lindh Stiftung, die United Nations Alliance of Civilizations und das KAS-Büro Amman zusammengeschlossen, um gemeinsam eine zweitägige Konferenz zum Thema interkulturelle Bildung zu organisieren. Fünfzig Vortragende von verschiedenen akademischen Institutionen, internationalen und zivilgesellschaftlichen Organisation aus mehr als vierundzwanzig Ländern haben an der Konferenz teilgenommen. Das Ziel der Konferenz bestand darin, dass Experten mit unterschiedlichen kulturellen und akademischen Hintergründen zusammenkommen, um über die Chancen und Herausforderungen von interkultureller Bildung zu diskutieren.
Der folgende Bericht fast die Hauptaspekte der Konferenz zusammen. Aufgrund der Länge der Konferenz und Anzahl der Vorträge, können in diesem Bericht allerdings nicht alle Vorträge und Vortragenden berücksichtigt werden. Die Kurzfassungen aller Vorträge stehen auf folgender Website zur Verfügung: http://www.understandingprogram.net/course/view.php?id=12
Salim Wardy, Kultusminister der Libanesischen Republik
3. Konzepte
Dr. Nayla Tabbara, wissenschaftliche Koordinatorin der Konferenz und Projektkoordinatorin der Adyan-Stiftung, hieß alle Teilnehmer und Vortragenden willkommen. Sie wies darauf hin, wie wichtig interkulturelle Bildung sei, und präsentierte das Understanding Program der Adyan-Stiftung. Dann begrüßte Dr. Martin Beck, der Landesbeauftragte der Konrad Adenauer Stiftung in Amman, die Anwesenden. Er hob positiv hervor, dass der Libanon der perfekte Ort für eine Konferenz über interkulturelle Bildung sei. President Jorge Sampaio vom „United Nations Alliance of Civilizations“ Programm nannte die Konferenz eine gute Gelegenheit, um über verschiedene Strategien von interkultureller Bildung nachzudenken, denn kulturelle Bildung ist, trotz Zeiten kultureller Vielfalt, ein kaum erforschter Bereich. Pater Professor Walid Moussa, Präsident der Notre Dame Universität, begrüßte eine Reihe von wichtigen Anwesenden und dankte der Adyan-Stiftung, KAS-Amman sowie der Abteilung für Politikwissenschaften der Notre Dame Universität für ihre Anstrengungen im Bereich interkultureller Bildung und für die Veranstaltung dieser Konferenz. Dr. Fadi Daou, Vorsitzender der Adyan-Stiftung wies auf die Konfrontation hin, die die Kombination des Prozess der Globalisierung und der Entstehung von Extremismus mit sich bringe. Salim Wardy, Kultusminister der Libanesischen Republik, hieß die Anwesenden im Namen von General Michel Sleiman, dem Präsidenten der Libanesischen Republik, willkommen, unter dessen Schirmherrschaft die Konferenz abgehalten wurde.
Dr. Martin Beck, Dr. Martin Beck, Landesbeauftragter der Konrad Adenauer Stiftung in Amman
Interkulturelle Bildung
Interkulturelle Bildung ist ein weit gefasstes Konzept. Sie findet immer dann statt, wenn eine kulturell heterogene Gruppe, die als solches wahrgenommen wird, unterrichtet wird. Der Lehrer muss aus diesem Grund über die scheinbar homogene Gruppe, die er bspw. nur als Klasse wahrnimmt, hinwegsehen und muss sich bewusst machen, dass er vor einer vielfältigen Gruppe von Schülern mit unterschiedlicher Herkunft, Glauben und kulturellem Referenzrahmen steht. Der Lehrer ist ebenso dafür verantwortlich, das Bewusstsein der Schüler in diesem Hinblick zu erhöhen, damit interkulturelle Kommunikation ganz von selbst stattfinden kann. Interkulturelle Bildung ist nicht auf den Klassenraum begrenzt. Sie findet in Schulen und Universitäten statt, aber gleichermaßen innerhalb der Zivilgesellschaft.
Der Grad an ethnischer und religiöser Vielfalt innerhalb der arabischen Welt variiert von Land zu Land, was zu unterschiedlichen Herausforderungen führt. So ist die Gesellschaft bspw. in Saudi Arabien relativ homogen, schließt man die ausländischen Gastarbeiter von der Betrachtung aus, da diese nicht von der Hochschulbildung in Saudi Arabien profitieren, wo interkulturelle Bildung häufig beginnt. Dr. Masin Motabagani aus Saudi-Arabien sprach über die Wichtigkeit, andere Kulturen kennenzulernen. Aus diesem Grund betonte er, dass es notwendig wäre, Regionalstudien über Europa und die USA in die arabischen, insbesondere die saudi-arabischen Universitäten, zu integrieren. Vielleicht ist es nicht immer möglich, den Studenten ein multikulturelles Umfeld zu bieten, aber man kann ihnen das Studieren von anderen Kulturen anbieten, um so ihre Fähigkeit zu fördern, wenn sie Menschen aus anderen kulturellen Kontexten treffen, die eigenen Vorurteile zu überwinden. Die Einführung solcher Regionalstudien wäre ein erster Schritt, um in einem Land wie Saudi-Arabien, mit einer konservativen Gesellschaft unter einem autoritären Regime, in dem viele nicht ermutigt werden über „die Anderen“ zu lernen, interkulturelle Bildung einzuführen.
In der Mashreq-Region bestehen andere Herausforderungen. Lehrer müssen sich auf eine vielfältige Gesellschaft einstellen. Professor Naji Oueijan von der Notre Dame Universität beleuchtete die besonderen Rahmenbedingungen im Libanon, der über eine Geschichte von 4000 Jahren mit unzähligen Zivilisationen verfügt. Er beschrieb, was er als Missbrauch kultureller Vielfalt darstellte, den Unwillen über den Anderen zu lernen in Kombination mit einer stereotypen Wahrnehmung des Anderen. Seit dem Bürgerkrieg ist die libanesische Gesellschaft sehr gespalten, auch wenn sie friedlich zusammenlebt. Religion ist häufig geografisch definiert, was den Austausch zwischen Anhängern verschiedener Religionen stark einschränkt. Dr. Zeinab Abou Samak von der haschemitischen Universität berichtete vom jordanischen Beispiel. Sie erklärte, dass ethnische und religiöse Vielfalt in Jordanien marginal wäre. Stattdessen findet man verschiedene Grade von Konservatismus, der zu verbaler und körperlicher Auseinandersetzung führen kann. Gemäß ihrer Darstellung ist das Klassenzimmer meist der einzige Ort, an dem Schüler mit dieser Vielfalt konfrontiert werden. Lehrer sind deshalb die Hauptakteure, um Toleranz und Verständnis zwischen verschiedenen Gruppen zu fördern. Dies ist auch im Libanon, wo Christen, Sunniten und Schiiten vielfach nur im Klassenraum zusammentreffen der Fall. Aus diesem Grund müssen die Lehrer die Hauptakteure sein, um verschiedene Kulturen und Religionen zusammenzubringen. Interkulturelle Bildung ist ein fundamentaler Aspekt, um kulturelle Harmonie innerhalb eines Staates zu fördern.
Religion und interkulturelle Bildung
In einer Region, in der Religion eine ausschlaggebende Rolle in sämtlichen sozialen und politischen Angelegenheiten spielt, ist es wichtig, über interreligiöse Bildung zu sprechen.
Professor Pater Jamal Khader von der Bethlehem Universität in Palästina berichtete von seinen Erfahrungen im Unterrichten von Muslimen und Christen über die Religion des Anderen. Dies ist eine Situation, in der interkulturelle Bildung eine klare Herausforderung darstellt, denn die Studenten betrachten die Religion des Anderen aus dem Blickwinkel ihrer eigenen. An der Bethlehem Universität ist es vorgeschrieben, Kurse über Religion zu belegen, ein Semester über das Christentum, ein Semester über den Islam. Die meisten Studenten schreiben sich nicht in den Kurs ein, weil sie mehr über Religion lernen möchten, sondern weil sie die Leistungspunkte brauchen. In einem solchen Umfeld muss der Lehrer sich darauf einstellen, über Vorurteile zu diskutieren. Offener Dialog ist notwendig, und es ist wichtig, Christen und Muslime gemeinsam über Christentum und Islam zu unterrichten. Würde man beide Gruppen getrennt unterrichten, gingen die Vorteile der multikulturellen Atmosphäre verloren, und man würde die Religion des Anderen als „das Andere“ wahrnehmen, ohne zu verstehen, warum der Andere Dinge in gewisser Weise praktiziert.
Professor Stefan Schreiner, Koordinator des europäischen Abraham-Forums und Professor an der Universität Tübingen, erklärte, dass interkulturelle Bildung im Bezug auf Religion die Unterschiede zwischen verschiedene Religionen und Kulturen in Betracht ziehen müsse. Unterschiedliche religiöse Bekenntnisse dürfen allerdings nicht zu einem unüberwindbaren Hindernis für interkulturelles und interreligiöses Verständnis sowie das gemeinsame Zusammenleben werden. Es sei wichtig, dass Lehrer und Schüler in der Lage sind, offen einen religiösen Standpunkt zu vertreten, ohne dass sie auf diesen festgelegt und beschränkt werden. Farah Charif D’Ouezzan berichtete über ihre Arbeit im Zentrum für interkulturelles Lernen. Sie machte dabei deutlich, dass zum Lernen über unterschiedliche Religionen, neben einem interdisziplinären Ansatz, der Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlichen Religionen eine der wichtigsten Quellen für interkulturelles und interreligiöses Verständnis sei. Zudem ist es wichtig mitzuerleben, wie Menschen ihre Religion im täglichen Leben praktizieren sowie zu erfahren wie verschiedene Gesellschaften mit Religion und Säkularismus umgehen. Des Weiteren betonte sie, dass es wichtig sei, jedem die Wahl zu lassen, ob er einen religiösen Standpunkt beziehen möchte oder nicht. Ebenso sollte es möglich sein zu sagen, dass man nicht religiös ist oder nicht sagen möchte, zu welcher Religion man gehört.
Professor Martin Tamcke von der Universität Göttigen hob hervor, dass die Anfänge interkultureller Bildung über Religion am Anfang des 20. Jh. liegen. Er warf die Frage auf, inwieweit interkulturelle Bildung über Religion helfen kann, die Situation von Koexistenz zwischen Christentum und Islam hin zu „Trans-Kulturalität“ zu verwandeln, oder ob lediglich interkulturelle Konzepte des Denkens vorherrschen. In der Tat, könnte interkulturelle Bildung zu einem tieferen Verständnis des Anderen führen, aber auch Spannungen mit sich bringen, wenn die Interaktion in Anfangsstadien ins Stocken gerät. Aus diesem Grund sollte interkulturelle Bildung ein Prozess sein, dessen kontinuierliche Fortführung essentiell ist.
Methoden interkultureller Bildung
Miriam Khalil von der Amerikanischen Universität in Dubai präsentierte gemeinsam mit Dr. Suzanne Albanus ihre Forschungsergebnisse zum Thema interkulturelle Bildung in den Golfstaaten. Die Ergebnisse verdeutlichten, dass Studenten viel eher geneigt sind, kulturelle Vielfalt anzunehmen und ihre Denkweise zu verändern als Lehrer. Deshalb ist es für Lehrer wichtig zu wissen, dass sie, wenn sie mit einer heterogenen Gruppe arbeiten, ihre Methoden überdenken und kulturelle Grenzen im Klassenraum überschreiten müssen. Eine Methode besteht darin, dass der Lehrer konstant Verbindungen zwischen dem Thema und seiner täglichen Arbeit herstellt. Ebenso ist es notwendig, dass kulturelle Grenzen als solche bekannt sind, damit jeder diese respektieren kann. Deshalb ist es essentiell, dass Lehrer für interkulturelle Bildung geschult sind. Miguel da Silva vom „Global Education Program“ des Nord-Süd-Zentrums des Europäischen Rats präsentierte die „Global Education Guidelines“, ein pädagogisches Handbuch für Lehrende, um globale Bildung besser zu verstehen und zu implementieren. Das Programm bietet zudem einen Online- Trainingskurs über globale Bildung, um mehr Lehrkräfte in diesem Bereich auszubilden. Obwohl es heißt, dass Lehren eine Kunst, mehr als ein Beruf, ist, ist es wichtig, dass Lehrer wieder Schüler werden, um sich den neuen Gegebenheiten anzupassen und neue Methoden zu lernen.
Bildung in der MENA Region
Dr. Eugene Sensenig-Dabbous stellte ein Problem dar, mit dem Lehrende und Akademiker in der MENA-Region immer wieder konfrontiert werden. Die Theorie und Praxis von westlichen Forschungsmethoden kann nicht vollständig übernommen werden. Dies lässt sich auf drei Hauptgründe zurückführen: (1) Es herrscht ein Mangel an verlässlichen Referenzdaten, und häufig sind Dinge nicht kompatibel. (2) Es gibt keine Regeln, um Daten zu erheben. Stattdessen gibt es viele “tabuisierte Themen” in den Geisteswissenschaften. (3) Es bleibt offen, inwieweit westliche Forschungsmethoden anwendbar sind, da die wissenschaftlichen Paradigmen einem westlichen Kontext entstammen. Er verdeutlichte, dass Forschung von Seiten der MENA-Staaten über die eigene Region, aber auch über Europa und Nordamerika betrieben werden sollte, um die Unausgewogenheit zwischen Forschung aus dem Norden und Forschung aus dem Süden zu überwinden.
In der Tat ist Europapolitik nicht immer die Priorität für Akademiker, Experten und Politiker in der MENA-Region. Aus diesem Grund hat Dr. Martin Beck, der Landesbeauftragte der Konrad Adenauer Stiftung in Amman, in seinem Vortrag die europäische Außenpolitik gegenüber dem Mittleren Osten vorgestellt. Sie basiert vor allem auf dem Konzept der Zivilmacht. Er argumentierte allerdings, dass die Europäische Union gescheitert ist, diese Ideale zu verwirklichen und dass verschiedenen Inkonsistenzen vorherrschen. Die EU war nicht in der Lage, das Dilemma von Stabilitäts- und Werte- (Demokratie) orientierter Außenpolitik zu lösen. Ebenso war sie nicht fähig ihre deklaratorische Politik der Ausgewogenheit im Bezug auf den palästinensisch-israelischen Konflikt auf die Realität zu übertragen. Dennoch könnten die derzeitigen Umbrüche in der arabischen Welt eine katalysierende Wirkung auf die EU entfalten und zu einer Revision vergangener Politikansätze beitragen, in denen Demokratie angestrebt wurde, ohne zu akzeptieren, dass dieser eine Demokratisierung vorausgehen muss. Gleichzeitig könnte die arabische Welt dazu beitragen, dass eine ertragreiche Kooperation entsteht, indem sie die Komplexität der mediterranischen Beziehungen akzeptiert und europäische Bedenken ernst nimmt. Abschließend bemerkte er, dass die EU die Gelegenheit nicht verpassen sollte, einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 anzuerkennen, falls ein solcher, wie es zu erwarten ist, im September 2011 ausgerufen wird.
4. Zusammenfassung
Während der Schlussbetrachtung dankte Andreu Claret, Geschäftsführer der Anna Lindh Euro-Mediterranischen Stiftung, der Adyan-Stiftung und KAS-Amman für die gelungene Konferenz. Er unterstrich die Tatsache, dass die Konferenz in einem besonderen Moment für den Nahen Osten stattfindet, und dass Vielfalt nun in einer Region anerkannt wird, die generell als homogen wahrgenommen wurde. Dr. Fadi Daou und Dr. Nayla Tabbara dankten allen Teilnehmern und Vortragenden. Sie betonten den Erfolg der Konferenz, den sie auf die herausragende Vielfalt der teilnehmenden Akademiker und Experten, aus der Zivilgesellschaft und Teilnehmern des Privatsektors sowie der Lehrenden aus verschiedenen Bereichen zurückführten.
Die ertragreichen Diskussionen, die während der Konferenz entstanden, werden nun auf einem Internetportal weitergeführt, wo die Vortragenden der Konferenz die Möglichkeit haben, sich weiterhin auszutauschen und sich gegenseitig über ihre Forschung und Aktivitäten zu informieren.
Die Konferenz fand ein weites Medienecho in den libanesischen Medien. Eine Zusammenstellung de r Medienbeiträge gibt es unter folgendem Weblink.