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Ebenso haben nachlassende Investitionen besonders aus Südkorea schwere Folgen für die Bau- und Immobilienbranche. Auch Touristenzahlen gingen in den letzten Monaten stark zurück. Neben der Krise spielen die inneren Unruhen in Thailand sowie der Grenzkonflikt zwischen Kambodscha und Thailand eine Rolle.
Somit sind alle vier Säulen der kambodschanischen Wirtschaft schwer getroffen: Textil- und Baubranche, Tourismus und Landwirtschaft. Während Kambodscha 2007 noch ein Wachstum im zweistelligen Bereich (10.2 Prozent laut Economic Institute of Cambodia (EIC)) verzeichnen konnte, sank die Rate 2008 bereits auf 5,2 Prozent. Für 2009 sehen die Aussichten nun noch schlechter aus: Die Regierung war zwar mit einer Wachstumsprognose von mehr als 6 Prozent im April noch sehr optimistisch, jedoch zeigen die Statistiken, dass Kambodschas Wirtschaft bereits jetzt hart getroffen ist und auch das Finanz- und Wirtschaftsministerium hat seine Werte im Juli auf 2,1 Prozent mögliches Wachstum herunterkorrigiert. Auch internationale Organisationen gehen von einer schrumpfenden Wirtschaft aus: der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert -0,5 Prozent, die Weltbank hat ihre Werte im Juni von -0,5 Prozent auf -1 Prozent herunterkorrigiert, die Economist Intelligence Unit (EIU) geht sogar von -3 Prozent aus, während die Asiatische Entwicklungsbank und das EIC sich mit 2.5 Prozent bzw. 2 Prozent Wachstum etwas optimistischer zeigen.
Die kambodschanische Regierung kritisiert, dass die informelle Wirtschaft in den Prognosen nicht berücksichtigt wird. Der informelle Sektor macht ca. 80 Prozent des Bruttoinlandproduktes aus und beschäftigt knapp 90 Prozent der kambodschanischen Arbeitskräfte. Die offiziellen Prognosen seien deshalb zu pessimistisch und könnten die Realität nicht widerspiegeln. Ministerpräsident Hun Sen unterstellt besonders dem EIU, die schlechten Prognosen seien ein Versuch, Kapitalströme nach Kambodscha zu sabotieren und eigene strategische Interessen zu verfolgen. Die Regierungspartei CPP spielt die Auswirkungen der Krise herunter und setzt all ihre Hoffnung in den landwirtschaftlichen Sektor. Durch Umschulungen und Investitionen soll diesem zum Aufschwung verholfen werden.
Wettbewerbsfähigkeit des Nachkriegsstaates
Nach dem Jahrzehnte langen Bürgerkrieg waren das kambodschanische Wirtschaftssystem und die Infrastruktur beim Abschluss der Friedenverträge 1991 komplett zerstört. Dies hatte – und hat – zur Folge, dass das Land im regionalen Vergleich sehr schlecht positioniert ist. Die Wettbewerbsfähigkeit Kambodschas wurde in einem UNDP Bericht im Mai 2009 weit schlechter als in den anderen ASEAN-Staaten bewertet. Das World Economic Forum platziert Kambodscha auf Platz 109 von 134 im Global Competitiveness Report 2008/2009. In Zeiten der wirtschaftlichen Krise ist dies besonders schwerwiegend und es müssen dringend Maβnahmen ergriffen werden, um den Investitions- und Produktionsstandort Kambodscha attraktiver zu gestalten. Hierzu gehört insbesondere die bessere Ausbildung der kambodschanischen Arbeitskräfte, Investitionen in Infrastruktur und landwirtschaftliche Technologien sowie die Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption. Hohe Energiepreise und langwierige bürokratische Prozesse sind weitere Faktoren, die die kambodschanische Wirtschaftsleistung beeinträchtigt. Insgesamt sind ausländische Direktinvestitionen in der ersten Jahreshälfte 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 73 Prozent zurückgegangen. Auch langfristig werden die herausragenden Wachstumszahlen der vorangegangenen Jahre nicht zu halten sein.
Grund zur Hoffnung gibt jedoch die geplante kambodschanische Börse und die Rohstoffindustrie, die nach den Öl- und Gasfunden Groβinvestoren anziehen wird.
Experten gehen jedoch davon aus, dass die Börse, deren Eröffnung für Ende 2009 geplant ist, lange brauchen wird, um sich im Land zu etablieren. Zunächst muss sich das Investitionsklima in Kambodscha verbessern und die Bevölkerung muss ein Verständnis der globalen Finanzmärkte entwickeln. Außerdem sind die Standards der Wirtschaftsprüfung und Buchhaltung in Kambodscha noch weit unter internationalem Niveau.
Auch die geplante Ölförderung, die die kambodschanische Regierung zurzeit u.a. mit dem amerikanischen Konzern Chevron und dem französischen Unternehmen Total aushandelt, dürfte frühestens 2011 beginnen zu können. Da auch Thailand Anspruch auf die Küstengebiete erhebt, in denen sich die Vorkommen befinden, muss zunächst die Grenzziehung klar geregelt werden, was die Regierung in Zeiten militärischer Spannungen entlang der Grenze und besonders um den Tempel Preah Vihear vor eine groβe politische Herausforderung stellt.
Generell behindert auβerdem das schlechte Management natürlicher Ressourcen aufgrund mangelnder Gesetzgebung die effektive Nutzung der vorhandenen Ressourcen.
Die schlechte Wettbewerbsfähigkeit des Landes führt dazu, dass die Sonderwirtschaftszone in Phnom Penh zurzeit nur zu 70 Prozent ausgelastet ist. Der größte Investor, die japanische Firma Yamaha, hat kürzlich angekündigt, den Beginn ihrer Aktivitäten aufgrund der Krise nach hinten zu verschieben. Immer wieder ziehen groβe Investoren andere Standorte vor, wie erst kürzlich die Entscheidung eines japanischen Textilunternehmens gezeigt hat. Ein japanischer Großinvestor hatte sich aufgrund zu hoher Betriebskosten, häufiger Streiks und hohen Zollkosten gegen Kambodscha als Standort entschieden und investiert nun in Bangladesch.
UNDP-Vertreter betonen, dass gute Arbeitsbedingungen und stabile Gewerkschaften Streiks verringern und somit ein solides Investitionsklima fördern. Die Regierung ignoriert diese Empfehlungen jedoch leider und rückt Fragen der Corporate Social Responsibility in den Hintergrund.
Lebenshaltungskosten und Armut
Zwar ist der Lebenshaltungskostenindex in Phnom Penh seit Mai 2008 um 5,7 Prozent gefallen, jedoch wirken sich die fallenden Lebensmittelpreise negativ auf den Lebensstandard der Bauern in den ländlichen Gebieten aus. Noch immer leben 30 Prozent der kambodschanischen Bevölkerung unter der von der Weltbank veranschlagten nationalen Armutsgrenze von weniger als 0,5 USD am Tag. Die Wirtschaftskrise treibt nun viele Menschen, die gerade das Existenzminimum erreicht hatten, wieder in die Armut. Die Weltbank rechnet mit weiteren 200.000 Menschen, die unter die regionale Armutsgrenze fallen werden; die International Labour Organization (ILO) geht sogar von 500.000 Betroffenen aus.
Die anhaltend schwierige wirtschaftliche Situation zwingt zudem viele arme Familien, ihre Kinder aus der Schule zu nehmen, damit sie zum Einkommen der Familie beitragen können. Die Zahl der arbeitenden Kinder hat sich bereits von 250.000 im Jahr 2002 auf 300.000 in diesem Jahr erhöht. Kinderarbeit ist nicht nur ein soziales Problem, sondern behindert durch die ausbleibende Schulbildung auch die Ausbildung und Stärkung von Humankapital des Landes. Dies hemmt die wirtschaftliche Entwicklung. Schulische Bildung wird auβerdem durch informelle Schulgebühren erschwert, die die Lehrer aufgrund mangelnder Gehälter (ca. 40 USD pro Monat) entgegen nehmen.
Landwirtschaft als Schlüssel zu Wachstum und Armutsminderung
Die Landwirtschaft scheint die Hauptwachstumsquelle der kambodschanischen Wirtschaft im Jahr 2009 zu sein. Der landwirtschaftliche Sektor erwirtschaftet 32 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) und bietet mit 4,75 Mio. Arbeitern von insgesamt 8 Mio. mehr als der Hälfte der kambodschanischen Beschäftigten eine Einnahmequelle. Im Vergleich zu den Nachbarstaaten liegt die Produktivität in Kambodscha jedoch weit hinter dem asiatischen Durchschnitt. Schlechte Bewässerungssysteme sowie geringe Technologisierung haben zur Folge, dass ein Groβteil der Bauern nur eine Ernte im Jahr einholen kann und die meisten weiterhin in Subsistenzwirtschaft leben. Landwirtschaftliche Produkte, die stark vom Export abhängen wie Kautschuk und Maniok, sind stärker von der Krise betroffen als Produkte für den heimischen Markt. Die Preise für Kautschuk und Maniok sind zwischen November 2007 und 2008 um mehr als 50 Prozent gefallen. Die schlechte Infrastruktur (Straßen, Lager) erhöht die Produktionskosten, so dass Kambodscha trotz des gut zu bewirtschaftenden Landes immer noch Lebensmittel aus den Nachbarländern importieren muss. Die Hoffnung liegt auf Reis: Investitionen in die Reisproduktion sollen den arbeitsintensiven Sektor ankurbeln und Produktivität sowie Qualität erhöhen. Auch Projekte zum Anbau und Export von Bioreis sind Erfolg versprechend.
Aufgrund der mangelnden Technologien muss Kambodscha gegenwärtig noch Rohstoffe exportieren, die es dann in verarbeiteter Form zu hohen Preisen wieder importiert. So wird z.B. der Rohreis nach Thailand exportiert, da vor Ort nicht genügend Reismühlen vorhanden sind. Dieser Reis muss dann wieder reimportiert werden, nachdem er in Thailand verarbeitet wurde.
Ein weiteres Problem des landwirtschaftlichen Sektors besteht darin, dass die zugewiesenen öffentlichen Ressourcen, trotz bestehender Unterfinanzierung, nie vollständig ausgegeben wurden: Das Ministerium für Landwirtschaft gab 2006 nur 84 Prozent seines Budgets aus, 2007 sogar nur 50 Prozent und 2008 25 Prozent. Das Ministerium für ländliche Entwicklung zeigt ähnliche Werte.
Viele Bauern mussten im letzten Jahr Mikrokredite aufnehmen. Mit den fallenden Lebensmittelpreisen sind sie nun nicht mehr in der Lage ihre Schulden zu tilgen. Dies wird langfristig einen Anstieg der landlosen Bauern bewirken. Des Weiteren ist die Nahrungssicherheit in den unteren Bevölkerungsschichten nicht gewährleistet. Unterernährung ist besonders bei Kindern immer noch ausgeprägt.
Textilindustrie und Arbeitslosigkeit
Besonders hart getroffen von den Auswirkungen der globalen Krise und der nachlassenden Nachfrage auf dem Weltmarkt ist die Textilindustrie, die mit 70 Prozent den Groβteil der Exporte des Landes und mehr als 10 Prozent des BIP ausmacht. Der Sektor beschäftigt 4 Prozent der kambodschanischen Arbeitskräfte. Insgesamt wird in diesem Jahr ein negatives Wachstum von -5 Prozent in diesem Sektor erwartet.
Seit Mitte 2008 haben die Bestellungen aus Europa und besonders aus den USA massiv nachgelassen. Insgesamt führte dies zu einem Rückgang der Textilexporte um 27 Prozent in den ersten fünf Monaten des Jahres 2009. Die USA bleiben die Hauptabnehmer für die kambodschanische Textilindustrie, auch wenn ihr Anteil von 72,6 Prozent im ersten Quartal 2008 auf 64,9 Prozent 2009 gefallen ist. Die EU hat ihren Anteil von 17,3 Prozent 2008 auf 20,3 Prozent 2009 erhöht. Textilexporte nach Japan haben im vergangenen Jahr einen Zuwachs von 91,5 Prozent erfahren. Auch der Export von Schuhen in Länder des mittleren Ostens und nach Russland stieg massiv an. Insgesamt konnte Kambodscha einen Anstieg von Schuhexporten in alle Länder um 28,3 Prozent verzeichnen.
Dennoch hat die abnehmende Nachfrage – gepaart mit der Aufhebung von Handelbarrieren der USA und der EU für China – dazu geführt, dass bereits zahlreiche Fabriken ihre Produktion aussetzen oder ganz geschlossen haben und die Arbeiter gezwungen sind, in ihre Provinzen zurückzukehren. Insgesamt haben ca. 60.000 Fabrikarbeiter in diesem Jahr ihren Job verloren. 90 Prozent der kambodschanischen Textilfabriken sind in ausländischer Hand, sodass sich die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in anderen Ländern direkt auf den Sektor auswirkt. Zudem wird die Wettbewerbsfähigkeit durch langsame bürokratische Prozesse beeinträchtigt. Während die Abwicklung der Zollformalitäten in Vietnam z.B. einen halben Tag in Anspruch nimmt, ist in Kambodscha mit drei bis vier Tagen zu rechnen. Viele Unternehmen entscheiden sich deshalb für andere Standorte.
Arbeiter und Kleingewerbe: Hauptleidtragende der Krise
Eine Studie des Cambodian Institute for Development Study hat gezeigt, dass für die bereits zuvor unterbezahlten Fabrikarbeiter mit dem Beginn der Wirtschaftskrise nun auch noch die Einnahmen aus Überstunden wegfallen, so dass sich ihre ökonomische Situation weiter verschlechtert. Dies wirkt sich auch auf die ländlichen Gebiete aus, da ca. 1,5 Mio. Menschen auf den Dörfern von den monatlichen Zahlungen der in den Städten arbeitenden Familienmitglieder abhängig sind.
Im Einzelnen analysiert die Studie, dass das Durchschnittseinkommen der Fabrikarbeiter bei 79 USD monatlich liegt. Dies schließt bereits Überstunden und andere Extrazahlungen ein. Mit der nachlassenden Nachfrage in der zweiten Jahreshälfte 2008 und damit wegfallender Extrastunden liegt der Durchschnitt inzwischen bei 67 USD monatlich. Davon zahlen die Arbeiter ca. 15 USD an ihre Familien in den Provinzen. Durchschnittlich bleiben ihnen 7 USD, die sie sparen. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Ausgaben in Phnom Penh haben die Textilfabrikarbeiter damit deutlich weniger zur Verfügung (1.85 USD/Tag im Vergleich zu 3,01 USD im restlichen Stadtgebiet). Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Existenzminimum nicht gesichert ist und die Löhne auf mindestens 90 bis 120 USD angehoben werden müssten, um den Arbeitern einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen.
Auch die durchschnittlichen Einnahmen eines Motorikscha-(„Tuk Tuk“)-Fahrers, ein weit verbreitetes Verkehrsmittel in der Hauptstadt, sind bereits von 10 USD auf 4 UDS täglich gefallen. Eine Studie von Indochina Research fand außerdem heraus, dass ca. 75 Prozent der urbanen Haushalte im Juni 2009 deutlich weniger Einkommen zur Verfügung haben als im Vorjahr. Informelle Kleingewebe wie Friseurläden, Motorradwerkstätten und Essensstände sind stark von der Wirtschaftskrise betroffen. Die verminderten Einnahmen führen zu einer schlechteren Ernährung; 17 Prozent der Befragten haben nicht genug Geld, um genügend Reis für ihre Familien einzukaufen, 73 Prozent können sich nicht genug Hühnerfleisch leisten.
Auch die Situation der Migrantenarbeiter hat sich drastisch verschlechtert, da viele Zielländer Restriktionen vorgenommen haben. Südkorea hat angekündigt in diesem Jahr statt 4.000 wie im Vorjahr nur 1.000 kambodschanische migrant workers zuzulassen. Thailand und Malaysia kündigten an, die Aufnahme von kambodschanischen Arbeitern vollkommen auszusetzen. Im letzten Jahr waren ca. 8.000 kambodschanische migrant workers ins Ausland gegangen und hatten dort insgesamt ca. 300 Mio. USD erwirtschaftet. Eine Arbeitsvermittlung beziffert die Abnahme der ins Ausland entsendeten Arbeiter seit Anfang 2009 mit 80 Prozent. Die zurückkehrenden Arbeiter müssen nun in der heimischen Landwirtschaft unterkommen. Das Team für Migration und Remittances der Weltbank geht davon aus, dass die Zahlungen 2009 in Ostasien und dem Pazifik insgesamt um ca. 4 – 8 Prozent abnehmen werden.
Bau- und Immobilienbranche
Bereits 2008 erlebte der Bausektor einen leichten Abschwung. Viele (ca. 30 Prozent
) der laufenden Bauprojekte wurden im Jahr 2009 eingefroren oder abgebrochen, so dass auch in diesem Sektor in diesem Jahr ein Rückgang um 1,5 Prozent erwartet wird. Die Bauunternehmen sind in diesem Jahr nur zu 30–50 Prozent ausgelastet, so dass mit Entlassungen und weiter ansteigender Arbeitslosigkeit zu rechnen ist.Auch im Baugewerbe spielen langwierige bürokratische Prozesse eine hemmende Rolle. Während es in Thailand nur 150 und in Vietnam 200 Tage dauert eine Baugenehmigung zu erhalten, wartet man in Kambodscha 710 Tage. Der Prozess ist außerdem von kostspieligen inoffiziellen Gebühren begleitet, die Investitionen weiter behindern.
Um die Immobilienbranche anzukurbeln erarbeitet die Regierung gerade ein neues Gesetz, das es Ausländern erlauben soll, Eigentum in Kambodscha zu erwerben. Premierminister Hun Sen erhofft sich dadurch einen Anstieg der Investitionen im Immobiliensektor und daraus resultierende Investitionen in anderen Bereichen. Um den Ausverkauf kambodschanischen Territoriums zu vermeiden werden jedoch nun Einschränkungen diskutiert, die Anzahl und Wert der erwerbbaren Objekte genauer bestimmen sollen.
Tourismus
Der Tourismus in Kambodscha ist sowohl von der wirtschaftlichen Krise als auch von politischen Problemen der Region betroffen. Während im Jahr 2008 mit 2,2 Mio. ankommenden Touristen noch ein Wachstum von 5,5 Prozent zu verzeichnen war, wird für 2009 eine Stagnation bzw. Abnahme von 0 bis -3 Prozent erwartet. Bereits im Januar waren im Vergleich zum Vorjahr rund 2 Prozent weniger Touristen gekommen.
Da viele Jobs im Tourismussektor angesiedelt sind und besonders der informelle Sektor von ausländischen Besuchern profitiert, hat dies massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Tourismus macht mit den daran anknüpfenden Aktivitäten ca. 20 Prozent der kambodschanischen Wirtschaft aus. Es ist zu erwarten, dass mindestens 10.000 Arbeitsplätze in diesem Bereich wegfallen. Da viele Haushalte auf dem Land von Einnahmen aus dem Tourismus abhängen, wird dies zu einem Anstieg der ländlichen Armut führen.
Kambodscha hat es versäumt, den Tourismussektor zu diversifizieren. Dies führt dazu, dass sich Besuche weitgehend auf die Gegend um Siem Reap und Angkor Wat reduzieren, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer nur 6 Tage beträgt und nur wenige Touristen erneut kommen. Nur etwa 7 Prozent der Touristenausgaben kommen armen Gemeinden zu Gute, was im internationalen Vergleich mit Ländern mit geringem Einkommen weit unter dem Durchschnitt liegt.
Die Regierung plant ein neues Tourismusgesetz, das den Sektor besser regeln soll. Kleine und mittelständische Unternehmen sollen dadurch zur Registrierung gezwungen werden. Dies soll zu geregelten Steuereinnahmen und einheitlichen Preisen beitragen.
Die Antwort der Regierung und der internationalen Geberländer
Verminderte Steuereinnahmen machen es der Regierung zunehmend schwer die Auswirkungen der Krise zu bekämpfen. Zwar wurden der Regierung im Dezember 2008 Hilfen von insgesamt 1 Mrd. USD zugesagt, dennoch wirkt sich die Krise auch stark auf Entwicklungshilfe und die Finanzierung von Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) aus. Im nächsten Jahr ist mit massiven Kürzungen der Hilfszahlungen zu rechnen. Bereits jetzt sind im Non-Profit-Sektor Entlassungen aufgrund mangelnder Finanzierung zu verzeichnen und viele NGOs müssen bereits Büros in den Provinzen schließen. Entwicklungshilfezahlungen machen ca. 9 Prozent des kambodschanischen BIP aus.
Die Regierung versucht die Bürger durch ein Herunterspielen der Krise zu besänftigen und ihr Vertrauen zu stärken. Mit Finanzpaketen soll das Schlimmste vermieden, Massenarbeitslosigkeit und Armut verhindert und die kambodschanische Wirtschaft in Stand gehalten werden.
Im Mai hatte die Regierung insgesamt 7 Mio. USD in Form von Stipendien zur Verfügung gestellt, die es 45.000 Fabrikarbeitern ermöglichten, an Umschulungen teilzunehmen. Neben Ausbildungen im Bereich Kosmetik und Mechanik wurde ein Großteil der Arbeiter in landwirtschaftlichen Berufen geschult. Es wurde ein Stimuluspaket über 18 Mio. USD verabschiedet, mit dem die landwirtschaftliche Entwicklung angekurbelt werden soll. Auβerdem sind Steuerbefreiungen für landwirtschaftliche Investitionen geplant. Gleiches gilt für Textilfabriken. Im Juni folgte ein weiteres Paket von 1 Mio. USD, das Mikrokredite bereit stellt, mit denen kleine Unternehmen finanziert werden können. Nachdem die Arbeiter eine kurze Schulung absolviert haben, werden ihnen ab September Kredite zwischen 100 und 1.000 USD mit einem monatlichen Zinssatz von 1,5 Prozent gewährt. Kritiker befürchten, dass ein Großteil des Geldes nicht bei den Arbeitern ankommen, sondern durch korrupte Regierungsbeamte abgeschöpft werden wird.
In den ersten Monaten dieses Jahres hat die Regierung 33 Investitionsprojekte bewilligt, die zusammen einen Gesamtwert von 985 Mio. USD ergeben. Davon gehen 445,7 Mio. in Projekte zur Verbesserung der Infrastruktur, 319,4 in landwirtschaftliche Projekte wie Zuckerrohr- und Kautschukplantagen, 185,4 Mio. in den Tourismussektor und 34,7 Mio. in industrielle Projekte. Es bleibt zu sehen, wie viele der Projekte tatsächlich in vollem Umfang realisiert werden.
Auch die internationalen Geber beteiligen sich mit Finanzhilfen an der Abfederung der krisenhaften Entwicklungen. Die asiatische Entwicklungsbank hat Kambodscha einen konzessionären Kredit von USD 59,4 Mio. zugesagt, um die Folgen der Wirtschaftskrise auszugleichen; die konkrete Nutzung wird nun diskutiert. Gemeinsam mit der Europäischen Kommission, der dänischen Entwicklungshilfeorganisation DANIDA, der Organisation für Industrielle Entwicklung der Vereinten Nationen (UNIDO) und der Weltbank hat das Handelsministerium ein Trade Development Support Programm im Wert von 12 Mio. USD auf den Weg gebracht, um den internationalen Handel zu fördern. Kürzlich hat die Weltbank außerdem eine Nothilfe von 13 Mio. USD zugesagt, die es der Regierung ermöglichen soll, Nahrungsmittel- und soziale Sicherheit zu gewährleisten und Bauern besseren Zugang zu Krediten zu gewähren.
US-Präsident Obama und die amerikanische Regierung haben angekündigt, dass Kambodscha von der schwarzen Liste von Handelspartnern entfernt werden soll, die es amerikanischen Unternehmen bis jetzt untersagte, mit staatlich geförderten Krediten in ehemals verfeindeten Staaten zu investieren. Der amerikanische Senat plant außerdem die Einfuhrgebühren für Textilprodukte aus Kambodscha und anderen Least Developed Countries aufzuheben. Die Textillobby in den USA versucht dies jedoch zu vermeiden und argumentiert, dass ein solcher Vorstoß Arbeitsplätze in der heimischen Wirtschaft und 1 Mrd. USD Steuereinnahmen kosten würde.
Während seines Besuches in Südkorea hatte Premier Hun Sen die dortige Regierung um einen Kredit in Höhe von 380 Mio. USD gebeten. Davon sollen 200 Mio. USD in Straβenbauprojekte investiert werden, weitere 180 Mio. USD sollen in Bewässerungsprojekte in der Provinz Kandal und in ein Flusssanierungsprojekt in Pursat flieβen. Vertreter des landwirtschaftlichen Forschungsinstituts CEDAC (Centre d'Études et de Développement Agricole Cambodien) lobten die Maβnahmen der Regierung, die Landwirtschaft zu ihrer Hauptpriorität macht. Die Opposition zeigte sich besorgt über die weitere Verschuldung und verwies auf frühere Projekte, die in ihren Augen nicht erfolgreich, jedoch sehr kostspielig gewesen waren. Bereits zuvor hatte Südkorea der kambodschanischen Regierung ein Darlehen von 60 Mio. USD zugesagt, die in Straßenbau- und Kanalisationsprojekte investiert werden sollen.
Chancen trotz düsterer Aussichten?
Die globale Wirtschaftskrise wird in Kambodscha verheerende soziale Auswirkungen haben. Die UN warnt, neben Arbeitslosigkeit und Armut, vor daraus resultierender Unterernährung, steigenden Sterberaten unter Müttern und Kindern, ansteigender Prostitution und Menschenhandel sowie zunehmender Verschuldung. Das Konfliktpotential der kambodschanischen Gesellschaft wird generell als relativ hoch eingeschätzt. Eine Studie der EIU platzierte Kambodscha im März 2009 auf Rang 4 der Länder mit der höchsten Gefahr sozialer Unruhen, noch vor Irak, Sudan, Afghanistan und anderen konfliktgeplagten Ländern. Das kambodschanische System bietet keinerlei soziale Sicherung und die oben beschriebenen Entwicklungen bergen die große Gefahr ansteigender Armut. Besonders unter Jugendlichen und Schulabgängern wird die Arbeitslosigkeit massiv zunehmen. Es ist damit zu rechnen, dass der Arbeitsmarkt in diesem Jahr nur ein Viertel der Nachwuchskräfte absorbieren kann. Mangelndes Humankapital führt dazu, dass höher qualifizierte Arbeitsstellen meist mit ausländischen Arbeitskräften besetzt werden. Die Verbesserung der kambodschanischen Ausbildung sollte deshalb zusammen mit der Einrichtung eines sozialen Sicherungsnetzes und Investitionen in den landwirtschaftlichen Sektor oberste Priorität haben. Korruptionsbekämpfung wird von vielen Beobachtern als Schlüssel für eine Effizienzsteigerung gesehen. Das seit über 10 Jahren in Arbeit befindliche Anti-Korruptionsgesetz sowie weitere Regulierungen in den einzelnen Sektoren sind deshalb von großer Bedeutung für alle Bereiche der kambodschanischen Gesellschaft und Wirtschaft. Die Regierung arbeitet an einem Gesetzesentwurf und hat kürzlich angekündigt, ihn der Nationalversammlung innerhalb der nächsten drei Monate vorzulegen.
Der Oppositionsführer Sam Rainsy sieht in den Auswirkungen der Krise eine Chance für die demokratische Entwicklung Kambodschas: Die westlichen Geberländer könnten wieder mehr Druck ausüben und die Regierung zu einer besseren Politikführung anhalten. Dies war in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger geworden, da China und Korea Finanzhilfen lieferten, ohne Bedingungen der Good Governance zu stellen.
Es bleibt zu hoffen, dass es der Regierung gelingt, die schlimmsten Folgen durch staatliche Unterstützung, vorausschauende Gesetzgebung und adäquate Umverteilung an benachteiligte Schichten abzufedern und so die vorhergesagten sozialen Auswirkungen zu bändigen.