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Hun Sens Kambodschanische Volkspartei erleidet erhebliche Verluste

von Denis Schrey

Parlamentswahlen in Kambodscha

Um 19:41 Uhr twitterte der kambodschanische Informationsminister Khieu Kanharith noch vor der Verkündung der Ergebnisse durch die Wahlkommission die vorläufigen Wahlergebnisse auf seiner Facebookseite. Danach erhält die regierende Kambodschanische Volkspartei (CPP) 68 der 123 Parlamentssitze. Die wichtigste Oppositionspartei, die Kambodschanische Rettungspartei (CNRP), mit ihrem vor einer Woche vom König begnadigten und aus dem Exil zurückgekehrten Präsidenten Sam Rainsy, konnte die restlichen 55 Sitze für sich verbuchen.

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Alle weiteren zur Wahl angetretenen 6 der insgesamt 8 registrierten Parteien sind nach den vorläufigen Ergebnissen nicht im Parlament vertreten.

Der Wahlabend gestaltete sich zunächst äußerst unübersichtlich. Noch vor den ersten offiziellen Zahlen der Wahlkommission ernannte sich die Oppositionspartei kurz nach 19 Uhr auf Grundlage eigener Berechnungen eigenmächtig zum Sieger der Wahlen. Kurz danach kam dann jedoch das Dementi derselben Partei, der Dank an die Unterstützer und die Auf-forderung die endgültigen Ergebnisse abzuwarten.

Am Abend herrschte eine gespenstische Stimmung in den Straßen der Hauptstadt, da Hun Sen großflächig die Innenstadt absperren ließ und das Militär und die Polizei in Alarmbereitschaft versetzte.

Deutliches Signal der Wähler an die Regierung

Sollten sich die Ergebnisse im Laufe der nächsten Tage bestätigen (mit dem offiziellen Endergebnis der Wahlkommission wird in zwei Wochen gerechnet, dieses sollte allerdings kaum vom derzeitigen Ergebnis abweichen), so wären sie ein deutliches Signal für den seit nun 27 Jahren im Amt befindlichen Premier Hun Sen und seine Partei. Die Opposition würde ihre Stimmenanteile nahezu verdoppeln (von 29 auf 55 Sitze), die Regierungspartei 22 Mandate einbüßen. Als dramatisch ist ebenfalls der Stimmeneinbruch der Königsparteien (FUNCIN-PEC und Nationalist Partei) zu bewerten, die zum ersten Mal in ihrer Parteigeschichte ohne gewählten Volksvertreter blieben.

Wahlverlauf

9,7 Millionen Kambodschaner waren gestern aufgerufen zwischen 7:00 und 15:00 Uhr ihre Stimme in einem der 19000 Wahllokale abzugeben. Insgesamt verliefen die Wahlen friedlich. Die Wahlbeteiligung lag nach ersten Schätzungen bei ca. 69 %, gegenüber 78,21 % bei den letzten Wahlen eine eher enttäuschende Ziffer. Die amerikanische Botschaft gratulierte in einer Stellungnahme am späten Abend der kambodschanischen Regierung zum Verlauf der Wahlen, die einen historischen Schritt zur weiteren Demokratisierung des Landes darstelle. Die Europäische Union, die USA und weitere westlichen Staaten hatten diesmal keine externen Wahlbeobachter entsandt, da die diversen Empfehlungen zur Umsetzung von Wahlreformen in der Vergangenheit von der Regierung nicht umgesetzt wurden (Quelle: Stellungnahme von Catherine Ashton, Wahlen Kambodscha vom 29.07 2013).

Neben den systemischen Defiziten wie der Monopolisierung und Kontrolle der Medien durch die Regierung, der Manipulation der Wählerlisten (Duplizierung von Wählern, unrechtmäßige Streichung von Wählern von den Listen, Druck von 3 Millionen zusätzlichen Wahlzetteln), wurden auf der Webseite der unabhängigen Organisation zur Beobachtung von Wahlen (COMFREL) insgesamt 200 Unregelmäßigkeiten am Wahltag gezählt, deren Details in Kürze veröffentlicht werden sollen.

Der größte, versteckte Vorteil der Regierungspartei liegt hingegen in der nicht verhältnismäßigen Repräsentation der Wähler in der Nationalversammlung. Seit 2003 wuchs der Wähleranteil von 6,3 auf über 9 Millionen Wähler. Die Bevölkerung in der Hauptstadt Phnom Penh oder beispielsweise in der Kandal Provinz stieg aufgrund rapider Urbanisierung auf 1,7 Millionen bzw. 1,17 Millionen. Bei strikter Anwendung des Artikels 7 des Wahlgesetzes müssten demographische, geographische, soziale und wirtschaftliche Faktoren bei der Read-justierung der Sitzverteilung zwischen den Provinzen berücksichtigt werden. Die Regierung hatte in der Vergangenheit jegliche Umverteilung der Sitze blockiert und damit in den bevölkerungsreichen Provinzen sowie der Hauptstadt Phnom Penh, deren Stimmen bei dieser Wahl deutlich unterrepräsentiert sind, einen indirekten Vorteil. Wie sich bei diesen Wahlen zeigt, konnte die Oppositionspartei insbesondere in den großen Provinzen die Wahlen zu ihren Gunsten entscheiden.

Allerdings bleibt festzuhalten, dass insgesamt 40433 Wahlbeobachter, 1082 Journalisten von 119 Medien (davon 242 ausländische Journalisten) die Wahlen beobachtet haben. Durch die immer wichtigere Rolle der sozialen Medien in Kambodscha, die insbesondere die Jungwähler der urbanen Mittelschicht verstärkt nutzen, um auch politische Inhalte zu vermitteln und zu teilen, wurde die Transparenz der Wahlen deutlich verbessert. Durch das zeitnahe Twittern von Informationen über Unregelmäßigkeiten durch diverse Organisationen und engagierte Wähler erlebten Kambodschaner zum ersten Mal einen Wahltag in Echtzeit. Bis tief in die Nacht wurde auf den diversen Facebookseiten der Opposition, der Regierung, von Nichtregierungsorganisationen und Bloggern über die Wahlergebnisse diskutiert.

Sam Rainsy and Kem Sokha, die beiden Oppositionsführer gaben sich am frühen Montagmorgen kämpferisch und lehnten in einer öffentlichen Stellungnahme das vorläufige Wahlergebnis ab. Sie riefen zur Etablierung eines parteiübergreifenden Untersuchungsausschusses zur Prüfung gravierender Wahlmanipulationen auf: „We don’t accept the election results because there are too many irregularities. There were 1.2-1.3 million people whose names were missing and they could not go to vote“ teilte Sam Rainsy Reportern mit (Quelle: Kyodo News, Puy Kea). Der Vorschlag wurde aber bereits einen Tag später vom Nationalen Wahlkommittee und der CPP abgelehnt.

Mehrheit gesichert aber regionale Dominanz der CPP gebrochen

Sollten sich die vorläufigen Wahlergebnisse bestätigen, so zerfällt die Dominanz der Regierungspartei und stellt für die CPP das schlechteste Wahlergebnis seit 15 Jahren dar. Insbesondere dürfte den Premierminister Hun Sen der Verlust der Mehrheit in seiner Heimatprovinz Kandal persönlich treffen, in der er als Kandidat der CPP angetreten war. Aber auch in den anderen großen Provinzen Prey Veng und Kampong Cham und der Hauptstadt Phnom Penh erreichte die Opposition die Stimmenmehrheit. In den Provinzen Kampong Chnang, Kampong Tom, Kampot und Takeo konnte die Opposition deutlich zulegen und stellt die gleiche Anzahl von Abgeordeneten wie die Regierungspartei. In den stark ländlich geprägten Provinzen Battambang, Bantey Meancheym Koh Kong, Kratie, Mondulkiri, Preah Vihear, Pu-sat, Rattanakiri, Preah Sihanoukm Stung Treng, Kep und Ordoemean Chey sowie den ehemaligen Khmer Rouge Hochburgen Pursat und Pailin behält die CPP wie erwartet die Oberhand.

Die Stimmenmehrheit bleibt dank der in der Verfassung verankerten 50+1 Klausel bei der CPP. Die CPP wird damit erneut die Regierung stellen. Der Premierminister Hun Sen wird seine rekordverdächtige Regierungszeit von 28 Jahren im Amt noch einmal um 5 Jahre verlängern, allerdings unter stark veränderten Mehrheitsverhältnissen im Parlament.

Im Wahlkampf machte die CPP unter der unangefochtenen Führung des Premiers keinen guten Eindruck. Zwar verwies die Partei in ihrem Wahlprogramm auf die Erfolge ihrer Amtszeit (wirtschaftliche Erfolge und stabile Wachstumszahlen verursacht durch die boomende Tourismusindustrie und die Zunahme der Textilexporte sowie die Zunahme von Direktinvestitionen), die anhaltenden stabilen politischen Verhältnisse im Land, die Erfolge bei der Armutsbekämpfung und schrittweise Verbesserungen des Gesundheitssektors und des Erziehungssektors, die Fortschritte beim Aufbau dezentraler Strukturen, im Justizsektor, der Korruptionsbekämpfung sowie die Initiierung eines großen Programms zur Vergabe von Landtiteln für zuvor enteignete Bürger.

Laut Beobachtern wurden die im Wahlprogramm dargestellten Erfolge allerdings schlecht vermarktet und durch die eigene monopolisierte und stark polarisierende Rhetorik des Premiers oft konterkariert. So drohte er im Wahlkampf offen dem eigenen Land mit Krieg, sollte die Opposition die Wahlen gewinnen und zeichnete ein düsteres Bild über die Zukunft Kambodschas. Gleichzeitig gelang es ihm immer seltener die so wichtige junge Bevölkerung – 30% der Kambodschaner sind zwischen 18 und 25 Jahre - von seiner Politik zu überzeugen. Insbesondere die junge Generation scheint auch in Hinblick auf den wachsenden Wettbewerbsdruck, der durch die bevorstehende wirtschaftliche Integration der ASEAN-Länder durch eine angestrebte Wirtschaftsgemeinschaft 2015 zunehmen wird, nicht an Lösungen der Regierung zu glauben, die die Wettbewerbsfähigkeit Kambodschas –insbesondere der ausgebildeten Arbeitskräfte – langfristig stärken sollen.

Die über Jahre anhaltende umstrittene Landvergabepolitik für Wirtschafts- und Minenkonzessionen der Regierung, der unzureichende Kampf gegen Korruption, die nur schleppenden Fortschritte für mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Zugang zu Informationen durch Regierungsstellen, die Niedriglöhne in der Textilindustrie und im öffentlichen Dienst, gaben der Opposition ihrerseits genügend Angriffsfläche und Platz für die Formulierung eigener Gegenpositionen.

Auch die Ernennung der dritten, im Ausland ausgebildeten, charismatischen Sohnes Hun Sens, Hun Many, zum Vorsitzenden des Jugendflügels der Partei konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich immer mehr Jugendliche der Opposition anschlossen.

Die kurz vor den Wahlen von Hun Sen persönlich angeordnete Beförderung seiner beiden anderen Söhne in hochrangige Regierungspositionen in der Armee und der Polizei dürften nicht unbedingt zu seiner Popularität beigetragen haben. Die Absicherung der politischen Zukunft der Familie Hun Sens wird insbesondere bei der jüngeren gebildeten Generation mit einer gewissen Skepsis gesehen.

Die sozialen Medien taten ihr Übriges, immer wieder auf die fehlende Unabhängigkeit der Nationalen Wahlkommission, der unzureichenden Sanktionierung der Wahlkampffinanzierung mit staatlichen Mitteln und der einseitigen Berichterstattung über die Wahlen durch die staatlichen Medien zu verweisen.

Die Opposition formiert sich neu

Im Juli 2012 beschlossen die beiden größten Oppositionsparteien des Landes, die Sam Rainsy Partei und die Human Rights Partei, bei den diesjährigen Parlamentswahlen gemeinsam als kambodschanische Rettungspartei (Cambodian National Rescue Party, CNRP) anzutreten.

Sam Rainsy lebte seit 2005 mit Unterbrechung im selbst auferlegten Exil in Frankreich, um eine langjährige Haftstrafe in Kambodscha zu vermeiden. Ihm wurden mehrere Vergehen wie unter anderem Verleumdung vorgeworfen. Bis eine Woche vor den Wahlen führte Kem Sokha, der ehemalige Präsident der Menschenrechtspartei, den Wahlkampf. Ihm gelang es mit ruhiger und unaufgeregter Art, die Angriffe der Regierung auf die Opposition geschickt zu kontern und für eigene Zwecke zu nutzen. So liefen diverse Diffamierungskampagnen der Regierung ins Leere. Inhaltlich besann sich die Opposition auf ihre Stärken und präsentierte sich als Anwalt der kleinen Leute. Mit Versprechen über die Festsetzung von Mindestlöhnen von bis zu 150,- Dollar in der Textilindustrie, in der ca. 500.000 Beschäftigte arbeiten, und von 250,- Dollar im öffentlichen Dienst sowie einer 10,- Dollar Rente für Angestellte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes sagte die Opposition der Korruption und der ungleichen Einkommensentwicklung im Land den Kampf an. Die Verschlankung des Staatsapparates sowie die kompromisslose Bekämpfung der Korruption sollten zur Finanzierung der Maßnahmen dienen. Als weitere Zielgruppe fokussierte die Opposition sich auf die Situation von enteigneten Landbesitzern die im Rahmen der Vergabe von landwirtschaftlichen und industriellen Großprojekten und Infrastrukturmaßnahmen von Umsiedlungen und Vertreibungen betroffen waren und versprach die Stärkung der Eigentumsrechte und verbesserte Rechtssicherheit für Betroffene.

Begnadigung Sam Rainsys eine Woche vor der Wahl

Eine Woche vor der Wahl gab es dann noch einige handfeste Überraschungen, die den Wahlausgang beeinflusst haben. Zunächst wurden sämtliche Oppositionsabgeordnete von ihrem Mandat als Abgeordnete entbunden. Die Regierung begründete ihre Entscheidung mit der Anwendung der internen Geschäftsordnung der Nationalversammlung, in der Abgeordnete nur einer politischen Partei angehören dürfen. Nachdem die neu gegründete CNRP offiziell im Juni 2013 zu den Wahlen zugelassen wurde, gehörten die Abgeordneten zwei Parteien an (Sam Rainsy/Menschenrechtspartei und der neugegründeten CNRP an) was gegen die formalen Regeln des Parlaments sprach. Nach dieser Maßnahme erhöhten insbesondere die USA ihre Rhetorik gegenüber der Regierung und drohten ihre Entwicklungshilfe nach den Wahlen deutlich zu reduzieren. Ob diese Androhung letztlich den Premierminister dazu bewogen hat den König offiziell zu bitten eine Begnadigung für Sam Rainsy zu erwirken, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit sagen. Nachdem die IPU (International Parliamentarian Union), die Weltorganisation der Parlamente, in einer öffentlichen Stellungnahme zuvor die Teilnahme Sam Rainsys an den Parlamentswahlen forderte, schien der internationale Druck auf die Regierung diese zu dem unerwarteten Schritt zu bewegen.

Die Rückkehr Sam Rainsys wurde zum persönlichen Triumphzug des Oppositionspolitikers. Der Empfang und die Begleitung durch 50.000 Anhänger eine Woche vor den Wahlen schafften ein zusätzliches Momentum für die Opposition. In sieben Tagen führte Sam Rainsy gemeinsam mit Kem Sokha in den bevölkerungsreichen Provinzen Wahlkampf und wurde auch dort in der Regel begeistert empfangen. Getrübt wurden seine Auftritte nur von seiner Verbreitung anti-vietnamesischer Rhetorik. Immer wieder schürt der Oppositionspolitiker die Angst vor vietnamesischem Einfluss und Überfremdung auf sein Land und fordert eine strenge Immigrationspolitik gegenüber dem Nachbarn. Damit löste er insbesondere in den an Vietnam angrenzenden Provinzen antivietnamesische Stimmungen aus.

Auch wenn Sam Rainsy nicht selbst als Abgeordneter kandidieren durfte, wird seine Präsenz im Land der politischen Kultur zu Gute kommen. Es bleibt abzuwarten, ob es der Opposition gelingen wird, eine konstruktive Rolle einzunehmen, ihre Oppositionsarbeit programmatisch und organisatorisch weiterzuentwickeln und auch in anderen Themenfeldern in Zukunft an Profil zu gewinnen. Dann hätte sie eine Chance, bei den nächsten Parlamentswahlen die neue Regierung zu bilden.

Ausblick

Die Parlamentswahlen in Kambodscha sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Demokratie und Meinungspluralismus. Die Opposition wird zukünftig mehr Kontrolle ausüben und Rechenschaftspflicht von der Regierung einfordern.

Die nächsten Tage werden zeigen, ob die CPP nun zügig mit der Regierungsbildung beginnt und die Vorwürfe über die manipulierten Wahlen im Keim erstickt werden. Die Oppositionspartei und die Wähler haben nun 20 Tage Zeit das von der Wahlkommission proklamierte, vorläufige Wahlergebnis beim Verfassungsrat anzufechten.

Sollte die Opposition diesen Weg einschlagen, ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sie erfolgr eich sein wird. Es ist damit zu rechnen, dass Hun Sen auch in den nächsten fünf Jahren Kambodschas Regierungschef sein wird, auch wenn er sich mit einer geeinten und selbstbewussten Opposition im Parlament auseinandersetzen muss.

Den Länderbericht mit Wahlergebnissen und Tabellen können Sie sich oben als pdf-Dokument herunterladen.

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Woman casting vote 2013 cambodianelections2013.wordpress.com

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