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Länderberichte

Neuer Präsident in Kasachstan gewählt – Gestalter oder Verwalter?

von Thomas Helm, Shynggys Ibraimov

Begleitumstände, Hintergründe und Perspektiven, die sich aus der Wahl am 9. Juni 2019 für Kasachstan ergeben.

Dass der Kandidat der übermächtigen Regierungspartei Nur-Otan, Kassym-Schomart Tokajew, die Präsidentschaftswahlen in Kasachstan gewinnen würde, war bei seiner Nominierung auf dem Nur- Otan-Parteitag am 23. April 2019 klar. So ist weniger das Wahlergebnis interessant als Begleitumstände, Hintergründe und Perspektiven, die sich aus der Wahl am 9. Juni 2019 für Kasachstan ergeben.

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​​​​​Dass der Kandidat der übermächtigen Regierungspartei Nur-Otan, Kassym-Schomart Tokajew, die Präsidentschaftswahlen in Kasachstan gewinnen würde, war bei seiner Nominierung auf dem Nur-Otan-Parteitag am 23. April 2019 klar. So ist weniger das Wahlergebnis interessant als Begleitumstände, Hintergründe und Perspektiven, die sich aus der Wahl am 9. Juni 2019 für Kasachstan ergeben.

Ein kurzer Blick zurück: Am 19. März 2019 um 19.00 Uhr hat Nursultan Nasarbajew, der erste Präsident der Republik Kasachstan der noch zur Sowjetzeiten Präsident wurde, symbolträchtig sein Amt niedergelegt. Damit ist ihm als einzigem Präsidenten aus Sowjetzeiten in Zentralasien nach fast drei Jahrzehnten im Amt ein freiwilliger Rückzug geglückt. Gleichwohl war es nur ein Teilrückzug, da er Vorsitzender der Partei Nur-Otan (82 Prozent der Parlamentsabgeordneten) geblieben ist und zudem den lebenslangen Vorsitz im Nationalen Sicherheitsrat hat. Wäre die Republik Kasachstan eine Aktiengesellschaft, so würde man sagen, er ist vom Vorstandsvorsitz an die Spitze des Aufsichtsrates gewechselt.

Gemäß Artikel 48 Abs. 1 der Verfassung der Republik Kasachstan wurden die Befugnisse des Präsidenten der Republik Kasachstan für die verbleibende Amtszeit mit der Ableistung des Eides an den bisherigen Vorsitzenden des Senats Kassym-Schomart Tokajew übertragen, der tags drauf als (Interims-) Präsident vereidigt wurde.

Tokajew ist ein Politiker mit jahrzehntelanger Erfahrung; er gilt als intellektuell und ausgleichend. Bereits Mitte der 90er Jahre leitete er das kasachische Außenministerium, von 1999 bis 2002 war er Premierminister und erhielt danach erneut den Posten des Außenministers. Im Jahr 2007 wurde er zum Vorsitzenden des Senats des Parlaments ernannt. Von März 2011 bis Oktober 2013 war Tokajew stellvertretender Generalsekretär und Generaldirektor der Vereinten Nationen in Genf. Seit Oktober 2013 leitete er erneut den Senat.

Nominierung der Kandidaten

Am 9. April 2019 verkündete Tokajew der Bevölkerung im staatlichen Fernsehen die Entscheidung für vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Die Wahlen wurden auf den 9. Juni 2019 festgelegt. Er versicherte, dass die Wahlen "aufrecht", "offen" und "gerecht" sein würden und forderte die Menschen auf, sich an den Wahlen zu beteiligen. Sicherlich war es richtig, nicht bis zum regulären Wahltermin im Jahr 2020 zu warten und sich die Macht per Wahl legitimieren zu lassen. Die Wahl aber ohne hinführende Vorankündigung, in der denkbar kürzesten Frist von den in der Verfassung vorgesehenen 60 Tagen anzuberaumen, war unfair allen anderen möglichen Kandidaten gegenüber. So hatte nur der Kandidat der Regierungspartei Nur-Otan eine reelle Chance, sich einer breiteren Bevölkerungsschicht bekannt zu machen.

Am 23. April 2019 wurde Tokajew auf einem Parteitag von Nur-Otan auf Vorschlag des Parteivorsitzenden Nursultan Nasarbajew in offener Abstimmung einstimmig zum Kandidaten der Partei für die Präsidentschaftswahlen bestimmt. Ein solches Wahlverfahren widerspricht jedoch den Grundsätzen demokratischer Parteien, da abweichende Voten in offener Abstimmung politisch risikolos nicht abgegeben werden können.

In der zweitgrößten Partei Kasachstans, Ak-Zhol («Partei der Unternehmer»), äußerten sechs Mitglieder den Wunsch, Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen zu werden. Auf Vorschlag des Parteivorsitzenden Azat Peruashev wurde lediglich eine Kandidatin den Delegierten vorgeschlagen und in geheimer Wahl gewählt. Den Abstimmungsergebnissen zufolge unterstützten 170 Delegierte des Kongresses die Kandidatur von Daniya Yespaeva, 15 stimmten dagegen.

Am 28. April um 18:00 Uhr war die Nominierung aller Präsidentschaftskandidaten abgeschlossen, seit dem 10. April waren neun Kandidaten registriert. Amangeldy Taspikhov nominiert von der Gewerkschaftsföderation Kasachstans, Amirzhan Kossanov von der patriotischen Bewegung «Schicksal der Nation» («Ult tagdyry»), Daniya Yespayeva von der Demokratischen Partei («Ak Zhol»), Zhambyl Akhmetbekov von der Kommunistischen Volkspartei Kasachstans, Zhumatai Aliyev - vom öffentlichen Verband «Nationale Demografie» («Khalyk-Demografien»), Kassym-Schomart Tokajew - von der Partei «Nur-Otan» («Licht des Vaterlandes»), Sadybek Tughel - von der republikanischen öffentlichen Bewegung «Uly dala Kyrandary» («Große Steppenadler»), Talgat Yergaliyev - vom Verband der kasachischen Bauherren, Toleutai Rakhimbekov - von der Demokratischen Volkspartei «Aul» («Dorf»).

Anforderungen an Kandidaten für das Präsidentenamt der Republik Kasachstan

Kasachstan stellt weitgehende gesetzliche Anforderungen an einen Bewerber für die Präsidentschaft, wobei es Interpretationsspielräume gibt, die besonders von Nur-Otan genutzt wurden. So muss ein Kandidat, um zugelassen zu werden,

  • die kasachische Staatsangehörigkeit von Geburt an haben;
  • in den letzten 15 Jahren auf dem Territorium der Republik Kasachstan gelebt haben;
  • über eine Hochschulausbildung verfügen;
  • darf nicht jünger als 40 Jahre sein;
  • muss im Besitz des aktiven Wahlrechts sein;
  • muss Erfahrungen im öffentlichen Dienst oder in gewählten Positionen über mindestens 5 Jahre verfügen;
  • muss die Amtssprache Kasachisch verhandlungssicher sprechen.

Nachdem der Kandidat Talgat Yergaliyev am parteiinternen Zwist innerhalb Ak Zhol-Partei scheiterte, bestand Kandidat Zhumatai Aliyev, laut Wahlkommission, den Sprachtest nicht. Beim derzeitigen Präsidenten von Kasachstan, Kassym-Schomart Tokajew war man großzügig;¹ seine zweijährige Amtszeit für die UN in Genf wurde als Dienstreise gewertet. Die endgültige Kandidatenliste für den Präsidenten der Republik Kasachstan bestand aus sieben Personen, wobei Amirzhan Kossanov, Kandidat der Bewegung «Schicksal der Nation», mit Einschränkung als einzige echte Alternative (Opposition) zum Spitzenkandidaten von Nur-Otan, Präsident Tokajew zu werten ist. Mit Einschränkung deshalb, weil nicht eindeutig klar ist, wer hinter Kossanov steht und ob seine Kandidatur eventuell konstruiert ist.

Während Tokajew als langjähriger Ministerpräsident und Außenminister ein ganz klarer Kandidat des Systems ist, wobei er immer ein treuer Gefolgsmann des ersten Präsidenten war, ist die Rolle Kossanovs ambivalenter. Er ist Journalist und war in den 90er Jahren Pressesprecher des damaligen Ministerpräsidenten Kashygeldin, der heute in London im Exil lebt. Ihn deshalb aber als Oppositionellen gegenüber dem System einzusortieren, wäre zu weitgehend. Während von Tokajew vor allem Kontinuität zu erwarten ist, gegebenenfalls mit eigenen mehr oder weniger weitgehenden Akzenten (s. letzter Absatz), steht Kossanov einen tiefergehenden Wandel, bei der er aber schnell an die Grenzen stoßen würde, welche die etablierten Machtstrukturen, repäsentiert durch einige einflussreiche Familien, setzen.

Wahlkampf und Debatten

Die Debatte der Kandidaten für die Präsidentschaft von Kasachstan fand im staatlichen Fernsehsender Khabar statt. Daran nahmen vier Kandidaten und drei Vertreter der Kandidaten teil. Während recht schnell klar war, dass der aussichtsreichste Kandidat, Präsident Tokajew nicht persönlich teilnehmen wird, wurde vor allem der Zeitpunkt der Ausstrahlung fast schon wie ein Staatsgeheimnis gehütet. Erst 24 Stunden vorher stand fest, wann die Debatte der Kandidaten stattfinden wird. In drei Runden beantworteten die Bewerber bzw. deren Vertreter Fragen vor allem zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Kasachstans, wobei ein strenges Zeitregime herrschte, dass von allen eingehalten wurde. Etwas eigenwillig war das Sprachregime, bei dem manche Bewerber zwischen Kasachisch und Russisch wechselten, andere bei einer der beiden Sprachen blieben. Mehrheitlich wurde Kasachisch gesprochen.

Finanzierung

Jeder Präsidentschaftskandidat muss in Kasachstan eine „Wahlgebühr“ an die zentrale Wahlkommission entrichten. Die Wahlgebühr beträgt ca. 2,5 Mio. Tenge, also etwa 5.000 EURO. Jeder Präsidentschaftskandidat erhielt 7 Mio. 331 Tsd. Tenge staatliche Unterstützung für den Wahlkampf vom Staat. Trotz der gleichen Zuweisung seitens des Staates war der Betrag, den die Kandidaten für den Wahlkampf zur Verfügung hatten, sehr unterschiedlich.

Am 29. Mai hatten Präsidentschaftskandidaten für ihre Wahlkampagne folgende Summen gesammelt: ²​​​​​​​

Kandidaten Eigenmittel und Mittel des Vereins, der ihn nominiert hat Freiwillige Spenden von Bürgern und Organisationen Insgesamt
Kassym-Schomart Tokajew 624.824.570 Tenge 510.000.000 Tenge 1.134.824.570 Tenge
Amirzhan Kossanov 76.000.000 Tenge 35.974.855 Tenge 111.974.855 Tenge
Toleutai Rakhimbekov

124.046.818 Tenge

94.290.300 Tenge

218.337.118 Tenge

Sadybek Tughel

20.200.000 Tenge

102.272.000 Tenge

122.472.000 Tenge

Daniya Yespayeva

0 Tenge

250.865.000 Tenge

250.865.000 Tenge

Zhambyl Akhmetbekov

310.000.000 Tenge

128.000.480 Tenge

438.000.480 Tenge

Amangeldy Taspikhov 3.200.000 Tenge 272.856.000 Tenge 276.056.000 Tenge

Die Spreizung der zur Verfügung stehenden Mittel betrug zwischen dem am besten ausgestatteten Kandidaten Tokajew und dem „oppositionellen“ Kossanov den Faktor 1 zu 10. Während Tokajew über ein Budget von umgerechnet 2,7 Mio. EUR verfügte, hatte Kossanov nur rund 270.000 EUR zur Vefügung.

Im Vorfeld der Wahl

Bereits vor der Wahl war die Situation mit Proteststimmungen angespannt. Beispielsweise wurden Aktivisten in den Städten Almaty und Uralsk festgesetzt und wegen ihrer Aufrufe zu gerechten Wahlen in einigen Fällen sogar für ein paar Tage inhaftiert. So wurden in Almaty zwei Aktivisten, die ein Plakat mit der Aufschrift "Du kannst der Wahrheit nicht entkommen", zeigten von der Polizei festgenommen und wegen einer nicht genehmigten Kundgebung zu 15 Tagen Haft verurteilt.

Am 1. Mai 2019 fanden in den Städten Astana, Almaty, Semey, Karaganda und Aktobe Kundgebungen statt. In den größten Städten Kasachstans, Astana und Almaty, versammelten sich Hunderte von Menschen, die zum Boykott der Wahlen aufriefen und die Umbenennung der Hauptstadt in Nur-Sultan ablehnten, einen verbesserten sozialen Schutz für behinderte Menschen forderten und gegen den in der Diskussion stehenden Bau eines Atomkraftwerks protestierten.

Am 3. Juni versammelten sich mehrere Dutzend kinderreiche Mütter und alleinerziehende Mütter zu einer friedlichen Kundgebung in Nur-Sultan und forderten die Regierung auf, ihnen Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Viele der Teilnehmer gaben an aus entlegenen Gebieten des Landes gekommen zu sein. Einige haben sich darüber beschwert, dass sie im Rahmen des staatlichen Hilfsprogramms für einkommensschwache Familien seit Jahren auf eine Unterkunft warten.

Die stellvertretende Ministerpräsidentin, Gulshara Abdykalikova, der Minister für Arbeit und sozialen Schutz der Bevölkerung, Berdibek Saparbayev, und der Akim (Bürgermeister) von Nur-Sultan, Bakhyt Sultanov, sagten, sie seien bereit, diese Anträge «individuell» zu prüfen.

Am 27. Mai stellten Aktivisten aus Almaty ein Video auf Instagram mit dem hashtag #menoyandym ein, was übersetzt „Ich bin aufgewacht“ bedeutet. „Ich bin in einem Land aufgewacht, in dem der Name der Hauptstadt an einem Tag geändert wurde, ohne die Bürger zu fragen. Ich bin in einem Land aufgewacht, in dem es keine Meinungsfreiheit gibt. Ich bin in einem Land aufgewacht, in dem das Internet blockiert ist. Ich bin in einem Land aufgewacht, in dem ich mir mit 30 Jahren keine Wohnung leisten kann“, sagen die Mitwirkenden des Videos.³

Die Nichtregierungsorganisation "Echo" beobachtete die vorgezogenen Präsidentschaftswahlen und machte darauf aufmerksam. , dass eine strenge Regulierung der Hauptgrund für die kaum wahrnehmbare Kampagne war. So waren öffentliche Kundgebungen und Vieles, was zu einem Straßenwahlkampf gehört, schlicht untersagt.

Der extrem verkürzte Zeitraum durch das Vorziehen der Wahl, sowie strenge Regulierungen der Wahlkampfveranstaltungen und die Beschränkung der Regeln für die Abhaltung von Debatten im Fernsehen ermöglichten es den Wählern nicht, sich mit den Kandidaten und ihren Programmen vollständig vertraut zu machen. Es gab keine Wahlregistrierungskampagnen. Infolgedessen wussten viele Wähler im Land nicht, wo sie abstimmen konnten, und einige konnten sich nicht auf den Listen registrieren. Das Problem ist teilweise auch der kurzen Zeit von 60 Tagen von der Annoncierung bis zum Wahltag geschuldet.

Wahlprogramme

Der Wahlkampf der Kandidaten war nicht in allen Städten Kasachstans sichtbar. Er wurde insgesamt sehr zurückhaltend geführt und der größte Teil der Auseinandersetzung erfolgte in den sozialen Medien Facebook, Instagram und Twitter. Im Folgenden sollen nun die zentralen Punkte des jeweiligen Wahlprogramms wiedergegeben werden.

1. Kassym-Schomart Tokajew (Partei Nur-Otan)

Schwerpunkte des Wahlprogramms des Kandidaten der Regierungspartei Nur-Otan sind die Einheit des Volkes, die Verbesserung des Wohlergehens der Bürger, die Umsetzung der vom Ersten Präsidenten initiierten Programme, sowie das weitere Wirtschaftswachstum. Das Spektrum umfasst dabei die Stärkung der innenpolitischen Stabilität, die Entwicklung der Zivilgesellschaft, den Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger. Bemerkenswert ist, dass Tokajew im Wahlkampf nahezu völlig auf eigene Akzente verzichtet hat. Das Programm seines Vorgängers Nasarbajew war sein Programm. Weder auf dem Nominierungsparteitag von Nur-Otan im April noch in der heißen Wahlkampfphase fiel er durch einen eigenständigen Ansatz auf.

2. Amirzhan Kossanov (patriotische Bewegung «Schicksal der Nation», «Ult tagdyry»)

Amirzhan Kossanov als Hauptkonkurrent Kassym-Schomart Tokajews setzte thematisch auf eine eigene Zusammenarbeit mit der Europäische Union, sprach sich gegen den Bau von Kernkraftwerken sowie für die Unterstützung der Verbesserung der Umweltsituation am in weiten Teilen ausgetrockneten Aralsee und am ehemaligen Atomtestgelände bei Semey aus. Er garantierte die Unantastbarkeit der Rentenleistungen. Als ehemaliger stellvertretender Vorsitzender der Nationalsozialdemokratischen Partei Kasachstans, der wichtigsten Oppositionspartei des Landes enthielt sein Programm zudem die Absicht eines Übergangs zu einer parlamentarisch-präsidialen Regierungsform.

3. Daniya Yespayeva (Demokratische Partei, «Ak-Zhol»)

Daniya Yespayeva , die Kandidatin der Demokratischen Partei, «Ak-Zhol», setzte sich gegen Bankgeheimnisse für Offshore-Konten ein und plädiert für die Rückführung der Gelder von Offshore-Zonen und Auslandsbanken nach Kasachstan. Sie unterstützte die absolute Unabhängigkeit der Justiz, wollte die Praxis regelmäßiger Abwertungen der Währung durchbrechen und niedrigere Mehrwertsteuersätze für Wirtschaftsgüter des täglichen Bedarfs einführen.

4. Toleutai Rakhimbekov (Demokratischen Volkspartei, «Aul»)

Das zentrale Anliegen des Wahlprogramms von Toleutai Rakhimbekov war die Entwicklung eines agroindustriellen Komplexes. Seiner Meinung nach sollte Kasachstan ein Agrarland werden. Er glaubt, dass die Bildung der jüngeren Generation im Geiste traditioneller Werte als Grundlage für die selbstbewusste Entwicklung des Landes erfolgen sollte. Rakhimbekov strebte an, die Arbeitslosigkeit unter den Jugendlichen im ländlichen Raum zu besiegen. Er versprach die Einführung eines Verfahrens der zinslosen Kreditvergabe an junge Menschen.

5. Sadybek Tughel (öffentliche Bewegung „Uly dala Kyrandary“)

Der Kandidat versprach, den Entwurf der neuen Verfassung vorzulegen. Seiner Meinung nach sollte Kasachstan nur eine Parlamentskammer haben. Er schlug auch vor, die Todesstrafe für Korruption und Pädophilie einzuführen. Bildung in Kasachstan sollte kostenfrei sein. Wissenschaft und Forschung sollten in Höhe von 2% des Bruttoinlandsprodukts gefördert werden.

6. Zhambyl Akhmetbekov (Kommunistische Volkspartei Kasachstans)

Der Kandidat der Kommunistischen Volkspartei Kasachstans befürwortete die wirtschaftliche Integration der Eurasischen Wirtschaftsunion und das Projekt «One Belt - One Road». Mit der Eurasischen Wirtschaftsunion befürwortete er die damit verbundene starke wirtschaftliche Bindung an Russland. Er gilt als Unterstützer des Internationalismus.

7. Amangeldy Taspikhov (Gewerkschaftsföderation Kasachstans)

Amankeldy Taspikhov sprach in seinem Programm die Arbeiterschaft, an. Er plädierte dafür, skrupellose Arbeitgeber stärker zur Verantwortung zu ziehen und bot steuerliche Anreize für Arbeitgeber in ländlichen Gebieten an. Der Kandidat des Gewerkschaftsbundes forderte echte Indikatoren für das Durchschnittsgehalt des Landes zu entwickeln. Er beabsichtigte ein staatliches Programm "Sichere Arbeit" zu entwickeln und das Arbeitsgesetzbuch zu ändern, um so die Möglichkeiten für die Durchführung von Schlichtungsverfahren zu erweitern.

Die Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl endete am 9. Juni 2019 mit einem deutlichen Sieg des Kandidaten von Nur-Otan, Kassym-Schomart Tokajew, der laut am 11. Juni 2019 veröffentlichtem amtlichem Endergebnis 70,96 Prozent der Stimmen erhielt und bereits am 12. Juni 2019 als Präsident vereidigt wurde. Mit dem hohen Sieg ist gerechnet worden; Prognosen vor der Wahl sahen ihn bei 72 Prozent. Interessanter sind schon die 16,23 Prozent für den einzigen wirklichen Oppositionellen Amirzhan Kossanov, dem in Umfragen zuvor nur rund 7 Prozent vorhergesagt worden sind. Im westlich am Kaspischen Meer gelegenen Gebiet Mangistau erhielt er mit fast 33 Prozent sein stärkstes Ergebnis und auch in der Hauptstadt erhielt er fast 20 Prozent. Das ist mehr als nur ein Achtungserfolg, vor allem, wenn man berücksichtigt, dass es bei der Wahl wahrscheinlich zu erheblichen Unregelmäßigkeiten gekommen ist. So ist in den sozialen Medien ein Video aufgetaucht, das zeigt, wie in einem Wahllokal stapelweise Wahlzettel in die Urne geworfen wurden. Ein anderes Video soll zeigen, wie einfach die Wahlzettel selbst zu manipulieren waren. Es wurde vorgeführt, wie die verwendete Tinte der Stifte in den Wahlkabinen innerhalb von Sekunden rückstandslos zu beseitigen war. So ärgerlich und unwürdig solche Tricksereien auch sind; das Wahlergebnis würde sich nicht grundsätzlich ändern. Der Abstand zwischen dem Erst- und Zweitplatzierten ist einfach zu groß, als das durch solche „Gaunereien“ ein Ergebnis zu erzielen gewesen wäre. So wurde Kassym-Schomart Tokajew im ersten Wahlgang mit deutlich mehr als den vorgeschriebenen 50 Prozent der Stimmen gewählt. Allerdings bleibt ein unnötiger schaler Beigeschmack, der die Reputation des siegreichen Kandidaten mindern dürfte.

Sowohl am Wahltag selbst als auch am Tag der Vereidigung und Amtseinführung des Präsidenten fanden Demonstrationen in der Hauptstadt, in Almaty und an anderen Orten statt, die an ungewöhnlich viele Teilnehmer angezogen haben, teilweise mehrere Tausend. Dabei gab es Verletzte, auch wurden Menschen von der Polizei festgesetzt. Insgesamt blieb es aber ruhig. Im Gebiet Mangistau, wo Amirzhan Kossanov sein bestes Ergebnis erzielt hat, zeigten Polizei und teilweise auch das Militär verstärkte Präsens, auch dort bleib es ruhig.⁴

Ausblick und Perspektiven

Wie geht es jetzt nach der Wahl weiter in Kasachstan? Die interessanteste Frage ist dabei, welchen Gestaltungsanspruch sich Präsident Tokajew selbst gibt und welche Gestaltungsmacht er gewinnen kann? Wird er ein Präsident, der nur als „Platzhalter“ für eine/n Nachfolger/in gegebenenfalls aus dem Umfeld des ersten Präsidenten fungiert oder kann er eigene Akzente setzen? Während seiner Nominierung und im Wahlkampf hat er kaum etwas erkennen lassen. Es ist natürlich schwierig, aus dem Schatten seines übermächtigen Vorgängers und dessen fast drei Jahrzehnten Amtszeit herauszutreten. Er hat allerdings politische Erfahrung auf allen Ebenen genug, national wie international, um das bewerkstelligen zu können. Auch sind 5 Jahre Amtszeit reichlich Zeit, um etwas zu gestalten. Entscheidend wird sein, inwieweit Präsident Tokajew und der erste Präsident Nasarbajew sich in ihren neuen Rollen zurechtfinden. Vor allem letzterer wird akzeptieren müssen, dass er jetzt nicht mehr Präsident ist. Das ist nach so langer Zeit durchaus schwierig. Der logische nächste Schritt wäre sicherlich die Aufgabe des Vorsitzes der Regierungspartei Nur-Otan, den Nasarbajew nach wie vor hält. Damit wäre dann sein Einfluss auf die operative Politik deutlich reduziert.

Möglicherweise schwebt Nasarbajew das „Modell Deng“ vor, mit dem Deng Xiao Ping in China in dem 1990ern, auch nach der Aufgabe seiner Ämter im Hintergrund als „graue Eminenz“ die Strippen gezogen hat. Sein lebenslanger Vorsitz im Nationalen Sicherheitsrat würde das erlauben. Betritt der dabei aber die Ebene der operativen Politik oder mischt sich sogar ins Tagesgeschäft ein, dann wird es früher oder später zum Konflikt zwischen den beiden kommen, vor allem dann, wenn Präsident Tokajew einen weitgehenden Gestaltungsanspruch entwickelt. Die beiden Herren müssen ihr künftiges Verhältnis dringend klären. Der nunmehr ehemalige Präsident Nursultan Nasarbajew ist während des Wahlkampfes mit dem Satz aufgefallen, er werde nach der Wahl nur noch für den neuen Präsidenten arbeiten. Das ist zumindest ein Versprechen.

¹ Von März 2011 bis Oktober 2013 arbeitet Kasym-Zhomart Tokayev als stellvertretender Generalsekretär und Generaldirektor der UNO-Büros in Genf.

⁴ Die Autoren des Berichts haben sich vom 11. Juni bis 13. Juni 2019 in Aktau und Zhanaozen (Gebiet Mangistau) aufgehalten. In Zhanaozen hatte im Jahr 2011 der Aufstand der Ölarbeiter stattgefunden.

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