Länderberichte
Sowohl von der Regierung als auch von den FARC wurde er als Mitglied der Kommission zur Ermöglichung eines humanitären Abkommens anerkannt, das zur Befreiung der Entführten beitragen sollte. Padre Echeverri hat eine Schule im Stadtteil Aguablanca in Cali mitgegründet, und war Rektor von Schulen in Cali und Bogotá. Auch war er Professor für Kanonisches Recht und Richter des Kirchengerichtes.
Hubert Gehring (HG): Padre, es freut uns sehr, uns mit Ihnen über Ihre Erfahrungen zum Konflikt in Kolumbien austauschen zu können. Seit über 50 Jahren hört und liest man in Deutschland über die Angriffe der FARC und anderer bewaffneter Gruppen in Kolumbien. Jetzt, wo wieder einmal Verhandlungen anstehen, können sie uns bitte erklären, worum es in diesem Konflikt in Kolumbien eigentlich geht und warum in den letzten Jahrzehnten tausende von Kolumbianern dabei umgekommen sind?
Padre Darío Echeverri (DE): Also, um es vorweg zu sagen, ich bin praktisch wie ein “Fallschirmspringer” durch gewisse Lebensumstände in diese Mission “gefallen”. Ich habe meine ganze Liebe und meinen Glauben hineingelegt, aber ich weiß, dass ich kein Techniker bin; ich kann Ihnen eher über mein Leben und meine Erfahrungen berichten, als aus professioneller Sicht eine Lösung des Konfliktes darzulegen.
Zunächst muss man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Nach schweren Auseinandersetzungen zwischen Liberalen und Konservativen in der Vergangenheit und aufgrund einer ungleichen Verteilung von Grund und Boden, haben einige wenige in Kolumbien große Besitztümer, während viele nichts besitzen. Das bewirkte die Reaktion der FARC, die eine gerechtere Verteilung von Grund und Boden suchen und das ist auch der Hauptgrund ihres Kampfes. Die ELN suchen eher mehr Gerechtigkeit für die Arbeiterkasse, weswegen sie den Gewerkschaften näher stehen.
So entstanden die FARC, entstand die ELN, entstanden die Selbstverteidigungsgruppen auf dem Lande, aber nachdem der Konflikt sich verschärfte und die Guerilla ihre ursprünglichen Beweggründe vernachlässigt hatte, entstanden die Paramilitärs. Abertausende von Kolumbianern haben während dieses Konfliktes ihr Leben verloren. In manchen Jahren gab es in diesem Konflikt zwischen 34.000 und 37.000 Tote.
HG: Wenn es so einen schweren Konflikt in einem Land gibt, geht man normalerweise davon aus, dass Anstrengungen unternommen werden diesen zu lösen bzw. zumindest zu verhandeln. In Kolumbien besteht dieser Konflikt seit 50 Jahren, das heißt seit zwei Generationen und es gibt Familien mit drei Brüdern von denen der eine noch lebt, der zweite auf Seiten der Regierung umgekommen ist und der dritte auf der Seite der FARC. Warum eine so lange Konfrontation?
DE: Weil die tatsächlichen Gründe für diesen Konflikt von den staatlichen Institutionen nicht wirklich angegangen wurden. Es gab zwar Agrar-Reformen, die jedoch dem Problem nicht auf den Grund gegangen sind. Als sich der ehemalige Präsident Pastrana zu Beginn seiner Regierungszeit, das heißt vor mehr als 13 Jahren, mit den FARC zu Verhandlungen zusammengesetzt hat, wurde eine Agenda aufgestellt. Es ist traurig zu sehen, dass die Themen der aktuellen Verhandlungsagenda im Grunde dieselben sind, wie sie zu Beginn der Verhandlungen der Regierung Pastrana beschlossen wurden. Wenn die Verantwortlichen diese Probleme ernst genommen hätten, hätte man schon viele Gründe für diesen Konflikt ausschalten können, aber dies ist nicht geschehen.
HG: Das heißt, unabhängig von den politischen Parteien die jeweils an der Macht waren?
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DE: Ja, unabhängig von den Parteien. Ich würde sagen, das Establishment, die Institutionen haben nicht den Willen gehabt, die Gründe für den Konflikt zu lösen.
HG: Heute hat eine neue Verhandlungsrunde zwischen der Regierung und den FARC begonnen. Ich habe den Eindruck, dass es dieses Mal eine sehr intensive Verhandlung wird. Welches ist die Position der Katholischen Kirche dazu?
DE: Die Annäherungen, die vor dem eigentlichen Dialog zwischen der Regierung und der FARC stattgefunden haben, fingen schon viel früher an, als in den Medien berichtet wird und es mussten große Probleme bewältigt werden, zum Beispiel die Ermordung von Alfonso Cano. Trotzdem konnte auch dieses Hindernis überwunden werden.
Präsident Santos hat die Katholische Kirche aufgefordert, die pastoralen Dialoge mit Vorsicht zu führen, diese Annäherungen, die die Kirche mit den bewaffneten Gruppen unterhält. Ihre Rolle ist es nicht zu vermitteln, sondern den Prozess zu erleichtern. In Ausnahmefällen hat sie Verhandlungen geführt. Zum Beispiel als die ELN 2003 in der Sierra Nevada von Santa Marta eine Gruppe von Ausländern entführt hatte, darunter auch eine Deutsche. Damals hatte Präsident Uribe die Kirche gebeten, die Befreiung zu verhandeln. Und das haben wir auch geschafft.
Die Kirche hat dem Präsidenten bereits wiederholt gesagt: “Zählt auf uns, wir sind da”. Der Präsident der Bischofskonferenz, Monseñor Rubén Salazar, hat öffentlich erklärt, dass die Kirche die Bemühungen der Regierung Santos unterstützt und als eine mutige Geste mit hohem Einsatz anerkennt. Dabei hat sie immer wieder ihre Bereitschaft betont, zu helfen, falls es notwendig sein sollte. Und der Präsident hat seine Delegierten geschickt, um mit Monseñor Salazar zu sprechen, dabei wurden die genauen Voraussetzungen definiert unter denen die Kirche mitarbeiten wird.
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