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KAS Colombia

Veranstaltungsberichte

“Beschäftigungsfähigkeit Jugendlicher”

Hablemos Con

Am 9. Oktober fand die vierte Gesprächrunde der Seminarreihe “Hablemos Con” (Sprechen wir mit…) im Jahr 2021 statt; das Event wurde vom Studenten-Netzwerk „Red Estudiantil“ der Konrad- Adenauer-Stiftung und der KAS Kolumbien veranstaltet.

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Während der Pandemie des COVID-19 haben sich die Armutsquote, die Arbeitslosigkeit und informelle Arbeitsverhältnisse ebenso wie andere soziale Indikatoren zunehmend verschärft. So stieg die Arbeitslosenquote in Kolumbien im Jahr 2020 um 5,4% auf 15,9% gegenüber 2019 (10,5%), (Daten der statistischen Behörde Dane 2020). Obwohl die allgemeine wirtschaftliche Lage einen Grossteil der Bevölkerung betrifft, leiden einige Gesellschaftsgruppen besonders unter den Folgen von Lockdown und Einschränkungen der Mobilität, vor allem die Betroffenen einer typisch kolumbianischen Modalität, der Informalität von Arbeitsverhältnissen.

Vor diesem Hintergrund haben Riskogruppen wie Jugendliche, Frauen oder ethnische Minderheiten, sowohl in Städten als auch auf dem Land am meisten unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu leiden. In der Hauptstadt Bogotá leben 25% der arbeitslosen Jugendlichen (Daten der statistischen Behörde Dane, 2021); damit ist Bogotá die Stadt mit dem höchsten Anstieg der Jugenarbeitslosigkeit während der Pandemie. Von diesen Voraussetzungen ging das Gespräch “Hablemos Con“ zum Thema „Beschäftigungsfähigkeit Jugendlicher“ aus.

Moderatorin war die Politologin Camila Torres, als Experten nahmen teil, die Direktorin des Politikwissenschaftlichen Instituts ICP, María Clara Escobar; der Direktor der Stiftung Interra, Eduard Arias León und die Psychologin Nubia García, die sich auf Menschliche Entwicklung spezialisiert ist und mit öffentlichen Institutionen gearbeitet hat.

Zunächst erklärte María Clara Escobar, dass der Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt zurückgegangen sei, vor allem wegen einer fehlenden Arbeitsreform, die mehr Flexibilität bei den Vertragsbedingungen erlaube; die aktuellen Kosten, die über das eigentliche Gehalt hinausgehen erlaubten es vielen Arbeitgebern nicht, mehr Angestellte einzustellen. Für viele Unternehmer stelle es eine Risiko dar, in einen Arbeitsmarkt zu investieren, der durch Gesetze und eine hohe Steuerlast eingeschränkt werde, Bedingungen die immer mehr informelle Arbeitsverhältnissen, ohne soziale Sicherheit für die Arbeitnehmer zur Folge haben.

Auf einem Arbeitsmarkt, der zu 95% aus Klein- und Mittelunternehmen bestehe, sei der Unternehmenssektor der am meisten von staatlichen Interventionen betroffene Akteur und gerade der KMU-Sektor müsse die höchste Steuerlast im Vergleich zum Durchschnitt der übrigen OECD-Länder tragen. Daher sei es notwendig, Beispiele anderer Länder mit einer grösseren wirtschaftlichen Freiheit heranzuziehen oder Ideen in Betracht zu ziehen, wie zum Beispiel regional unterschiedliche Löhne oder eine stundenweise Anstellung, vor allem weil die aktuellen Vorschriften die Chancen Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt reduzieren. Weiterhin sollten Schulen und Universitäten Bildungswege anbieten, die auf die Bedürfnisse und die Nachfrage des aktuellen Arbeitsmarktes zugeschnitten sind.  

Eduard Arias León bemerkte, dass die staatlichen Subventionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen zwar notwendig waren, um die Reaktivierung nach der wirtschaftlichen Öffnung anzustossen, jedoch nicht ausgereichten um neue Initiativen zur Jugendbeschäftigung zu initiieren. Unterstützungsprogramme zur Jugendbeschäftigung seien nicht genügend fokussiert gewesen, um die Jugendlichen wirklich zu erreichen. 

León betonte, dass die Jugendlichen zum Beispiel im April mit 25% den grössten Anteil an der Arbeitlosenquote Kolumbiens darstellten. Während der gesamten Pandemie waren die Frauen die am meisten betroffene Bevölkerungsgruppe. Die Zahl der sogenannten “Ninis” (Jugendliche, die weder studieren noch arbeiten) sei in Bogotá im ersten Semester 2021 auf  540.000 Personen angestiegen. Die entsprechenden Programme seien kurzfristig angelegte Schock-Programme zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gewesen, die jedoch ihren Zweck nicht erfüllt hätten; daher müsse man staatliche Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Jugendliche als langfristige Alternativen im Rahmen einer künftigen Arbeitsreform in Betracht ziehen.  

Die Psychologin Nubia García betonte, dass die Sozialpolitik für Jugendliche problematisch sei, weil sie die sozialen Unterschiede durch die Bevorzugung bestimmer Jugendlicher noch vertiefe und die gesamte öffentliche Sozialpolitik in Kolumbien auf der Einteilung in soziale Klassen basiere. Sie empfehle daher einen differenzierten Fokus innerhalb der öffentlichen Politik beizubehalten, forderte jedoch die Beteiligten auf, über die Bedeutung des Problems der Arbeitslosigkeit als integrales Problem der Jugend nachzudenken, das über soziale Klassen und bestimmte Zonen der Stadt hinausgehe. Andererseits seien befristete Dienstleistungsverträge in letzter Zeit der Normalfall geworden, was zu einer weiteren Verarmung vor allem von Jugendlichen beigetragen habe.

Die Expertin betonte weiterhin, dass öffentliche Programme zur Schaffung von Arbeitsplätzen die weiblichen Jugendlichen benachteiligten, da mehr Optionen für Männer angboten werden, was zu Diskriminierung beim Abschluss von Arbeitsverhältnissen führe. Momentan bestünden immer noch viele soziale Barrieren bei der Einstellung Jugendlicher, die Hindernisse für eine wirkliche Chancengleichheit darstellen.

Zum Abschluss diskutierten die Experten über die fehlende Reaktion des aktuellen Bildungssystems auf die Nachfrage am Arbeitsmarkt. Die Zuschauer äusserten auch ihre Bedenken hinsichtlich eines späteren Rentenanspruchs der heutigen Jugendlichen, möglicher Szenarien nach einer Arbeitsreform oder der fehlenden Wettbewerbsfähigkeit des kolumbianischen Arbeitsmarktes. Die Panel-Teilnehmer bedankten sich abschliessend beim Publikum und betonten erneut, wie wichtig es sei, dass die Jugendlichen sich an verschiedenen Initiativen beteiligten, um dadurch die Diskussion über Themen von lokaler und nationaler Bedeutung zu erweitern.

 

 

 

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