Länderberichte
Nach dem Rückzug der ugandischen Truppen aus der Distriktshauptstadt Bunia am 12.Mai 2003 hat sich die Lage zugespitzt. Die ugandischen Truppen haben vor ihrem Abzug die Kontrolle über die Stadt Bunia an die Miliz „Les combattants de Lendu“ (Die Lendu Kämpfer) übergeben. Diese Truppe hat schon in früheren Zeiten wegen Massakern an der Volksgruppe der Hema eine traurige Berühmtheit erlangt.
Nur kurze Zeit später hat die von der Volksgruppe der Hema dominierte UPC (Union des Patriotes Congolais) unter Thomas Lubanga die Stadt Bunia eingenommen, Massaker an der Zivilbevölkerung der Lendu vorgenommen und geplündert. Seitdem beherrscht Anarchie und Chaos das Leben in Bunia. Verschiedene marodierende Milizen plündern und morden unter der Zivilbevölkerung. Besonders tragisch ist, dass oft Kindersoldaten unter Drogeneinfluss für die jeweiligen Milizen die Greueltaten begehen. Die Lendu Milizen haben sich in den Urwald zurückgezogen und rüsten derweil für einen Rachefeldzug.
In der letzten Woche wurden 310 Tote unter der Zivilbevölkerung gezählt. Insgesamt haben sich 6.000 Personen auf das Gelände der MONUC (Beobachtermission der UN in der DR Kongo) mitten in der Stadt geflüchtet, wo sie sich den Schutz der internationalen Gemeinschaft erhoffen.
Die aktuelle humanitäre Katastrophe in der Gegend um Bunia hat ihre Ursachen nicht nur in dem vordergründigen Konflikt zwischen den Ethnien Hema und Lendu, sondern vor allem in dem seit 1998 andauernden Bürgerkrieg, in dem Uganda und Ruanda massiv verwickelt sind. Das Gebiet um Bunia wurde zunächst von der von Ruanda unterstützten Rebellenfraktion RCD Goma (Rassemblement Congolais pour la Démocratie) besetzt, später von der von Uganda unterstützten UPC (Union des Patriotes Congolais) unter Thomas Lubanga.
Lubanga selbst ist Angehöriger der Volksgruppe der Hema und seine Milizen setzen sich zum großen Teil aus dieser Ethnie zusammen. In diesen Milizen finden sich viele Kindersoldaten (Kadogos) wieder, die für ihre Skrupellosigkeit und Grausamkeit berüchtigt sind. Nach einem Zerwürfnis mit dem Hema Führer Lubanga hat die ugandische Armee im März 2003 die Stadt Bunia eingenommen und die UPC in den Urwald vertrieben. Schon im Vorfeld dieser Ereignisse hat die ugandische Armee allerdings lokale Lendu Milizen unterstützt.
Mit der gleichzeitigen Unterstützung der verschiedenen rivalisierenden Milizen nutzt Uganda nach Ansicht vieler Beobachter den ethnischen Konflikt aus, um eine Stabilisierung in der Region zu verhindern, seine Truppenpräsenz zu rechtfertigen und die Rohstoffausbeutung ungehindert weiterführen zu können. Zunächst war es der Regierung in Kinshasa und vielen internationalen Organisationen lieber, die ugandische Armee als „Stabilitätsfaktor“ in der Region zu haben, als die verschiedenen Ethnien sich selbst zu überlassen. Die Erkenntnis, dass die ugandische Armee mitursächlich für die Anheizung des ethnischen Konfliktes ist, hat sich auf internationaler Ebene erst langsam durchgesetzt.
Seitdem eine internationale Friedenstruppe von Franzosen und Engländern zur Befriedung des Konflikts im Gespräch ist, rückt der Konflikt in Ituri endlich mehr in den Blickpunkt der westlichen Öffentlichkeit. Die Europäische Union will sich unter Umständen an einer Friedensmission beteiligen und das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat eine finanzielle Unterstützung Deutschlands in Aussicht gestellt.
Allerdings ist die tatsächliche Entsendung einer internationalen Friedenstruppe noch von einer Vielzahl von Unsicherheitsfaktoren abhängig. Die französische Regierung stellt für eine Entsendung von Soldaten klare Bedingungen: der Einsatz soll unter der Schirmherrschaft der UNO stattfinden, das Mandat soll klar definiert sein, es soll eine internationale Schutztruppe sein und die Nachbarländer der DR Kongo sollen dem Einsatz zustimmen.
Eine schnelle Zustimmung Ugandas zu dieser Friedenstruppe kann zumindest angezweifelt werden. Eine nachhaltige Befriedung des Konfliktes in Ituri ginge mit einem Einflussverlust Kampalas einher, das dann nicht mehr die Rolle als Ordnungsmacht der Region spielen könnte. Darüber hinaus ist eine Friedenstruppe tatsächlich auf ein stabiles Mandat der UNO mit Befugnis, die Zivilbevölkerung zu schützen, angewiesen. Die in Bunia bereits stationierten uruguayischen Soldaten der MONUC haben sich während der Massaker darauf beschränkt, ihre Kasernen zu sichern, und haben daher viel Unmut und Unverständnis bei der kongolesischen Bevölkerung hervorgerufen.
Ein stärkeres Engagement der deutschen Außenpolitik zur Befriedung des Konfliktes in Ituri wäre in jedem Fall zu begrüßen. Der Entschließungsantrag der CDU/CSU Bundestagsfraktion zur aktuellen Situation in der DRK und die vom BMZ in Aussicht gestellte Finanzierung der Friedenstruppe sind in jedem Fall Schritte in die richtige Richtung. Im Gegensatz zur Kongo-Politik Belgiens, Frankreichs und Englands, die allesamt ihre eigene Agenda im Kongo Konflikt zu bewältigen haben und deswegen von vielen als Vermittler abgelehnt werden, würde ein verstärktes deutsches Engagement von vielen begrüßt werden.
Das liegt in erster Linie an der Tatsache, dass Deutschland bisher eine klare inhaltliche Positionierung zum Konflikt vermieden und sich daher im Guten wie im Schlechten nicht profiliert hat. Zudem hat sich Deutschland durch die Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit das Vertrauen der Kongolesen erworben. So leisten etwa GTZ, DWHH und politische Stiftungen einen aktiven Beitrag zum Aufbauprozess des Landes, der von vielen Kongolesen zur Kenntnis genommen wird.
So arbeitet beispielsweise die Konrad-Adenauer-Stiftung über ihr Büro in Kinshasa aktiv im Bereich der Friedenssicherung und Konfliktmanagement auch in der Region Ituri. Die Bedingungen für diese Arbeit sind freilich denkbar schwer: das Büro unseres Mitveranstalters „Justice Plus“ wurde im Zuge der Unruhen in Bunia geplündert. Ein für den Monat Juni in Bunia geplantes dreitätiges Seminar zum Thema „Friedliche Lösung von ethnischen Konflikten“ mit 150 Teilnehmern der verfeindeten Ethnien wird vor diesem Hintergrund vorerst nicht stattfinden können.