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Die Bekanntgabe, geplant als Festakt, konnte lediglich drei Stunden später und unter grösster Anspannung durchgeführt werden, nachdem es gegen 20 Uhr Ortszeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Vertretern der Präsidentschaftsgarde und Milizen des MLC-Führers und Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba in unmittelbarer Nähe des Sitzes der Wahlkommission gekommen war. Diese Schusswechsel, die auch in die Wohngebiete des Stadtteils Gombe hineingetragen wurden, hielten selbst während der Bekanntgabe der Ergebnisse an. Da sich bereits in den vorausgegangenen Tagen ein Zusammenschrumpfen der absoluten Mehrheit des amtierenden Präsidenten Joseph Kabila andeutete und sich die Notwendigkeit eines zweiten Wahlkampfes zwischen den beiden Kontrahenten abzeichnete, kamen diese bewaffneten Auseinandersetzungen mehr als überraschend.
Eine Stichwahl zwischen den beiden Spitzenkandidaten war bisher als best-case Szenario gehandelt worden. Dies zum einen, um etwas Druck aus dem politischen Klima zu nehmen und etwas Zeit für Konfliktpräventionsmechanismen zu gewinnen, und zum anderen, um ein neues Kapitel im Wettstreit um die Präsidentschaft zu beginnen.
Da Herausforderer Bemba sich in der Hauptstadt Kinshasa erfolgreich gegen Kabila durchsetzen konnte (im Durchschnitt ca 53% der Stimmen, Kabila im Durchschnitt mit ca 15% der Stimmen), und seine Anhänger bereits am 27. Juli ihre Gewaltbereitschaft in der Zerstörung der Haute Autorite de Media (Oberste Kontrollbehörde der Medien) manifestierten, hätte die Verkündung einer absoluten Mehrheit für Amtsinhaber Kabila sicherlich noch weitläufigere bewaffnete Auseinandersetzungen in den Strassen Kinshasas provoziert.
Vor dem Hintergrund der gestrigen Ereignisse stellt sich Beobachtern allerdings die Frage, ob diese Scharmützel womöglich als aperçu für das was im Wahlkampf zu erwarten ist, gesehen werden müssen. Sicherlich wird der Wahlkampf zur Stichwahl mit weitaus härteren Bandagen gekämpft werden, als die eher lahmen Vorgängerveranstaltungen zur Wahl am 30. Juli. Fraglich bleibt jedoch, ob sich der bevorstehende Wahlkampf auf hitzige Rethorik beschränken wird, und inwieweit beide Führer ihre Sympathisanten und bewaffneten Truppen (Präsidentengarde und Bemba-Milizen) auch unter Kontrolle haben.
Unabhängig von den sicherheitspolitischen Implikationen der Stichwahl stellt sich nun auf dem politischen Parkett die Frage nach den möglichen Allianzen für den zweiten Wahlgang am 29. Oktober. Kabila angetreten als unabhängiger Kandidaten wurde bisher unterstützt von der Präsidentenpartei PPRD und dem vier Wochen vor dem 30. Juli geschmiedeten Wahlbündnis AMP (Alliance Majoritaire Presidentielle), das nicht nur politische Parteien sondern auch zivilgesellschaftliche Organisationen umfasst. Jean-Pierre Bemba wurde primär durch MLC-Anhänger und Mitgliedern der Koalition Regroupement des Nationalistes Congolais (RENACO) unterstützt. In Gesprächen insbesondere in der Hauptstadt Kinshasa zeichnete sich in der Vorwahlphase bereits ab, dass die Unzufriedenheit mit der Amtsführung Kabilas sich in einem Bündnis „Tous sauf Kabila (TSK)“ niederschlagen könnte. Entscheidend für die Allianzbildungen werden die Klassifizierungen Kabiliste vs. Mobutiste der übrigen 31 Präsidentschaftskandidaten sein. Ein Zünglein an der Waage stellt sicherlich der politische Dynosaurier Antoine Gizenga und dessen Partei PALU (Parti Lubumbiste) dar. Mit 13.06% der Stimmen wird PALU ein notwendiger Partner für Jean-Pierre Bemba werden. Obgleich Gizenga aufgrund der Rehabilitierung Lumumbas durch Laurent Desirée Kabila sich selbst wohl eher mit dem Lager Kabilas identifizieren dürfte, wird seine Basis, unter der sich auch zahlreiche UDPS-Sympathisanten befinden, sicherlich eher auf der Seite Bembas stehen. Der überraschenderweise auf Platz vier gelandete Nzanga Joseph-François Mobuto (4.77%), Sohn des Ex-Diktators und Schwager Bembas, kann als sicherer Weggefährte des letzteren gelten. Auch die Sympathien eines Oskar Kashala, der es als Neuling auf der politischen Bühne des Kongo gleich auf Platz fünf (3.46%) schaffte, liegen nach all den Problemen, die man ihm von Regierungsseite in der Vorbereitung seines Wahlkampfes bereitete und der Anschuldigung ein Söldnerkomplott gegen Präsident Kabila geplant haben zu wollen, wohl eher auf der Seite eines Jean-Pierre Bemba.
Die hinter dem ehemaligen Zentralbankgouverneur Pierre Pay-Pay (1.58%) stehende Parteienallianz CODECO hatte sich bereits im Vorfeld der Wahlen für eine Allianz aller gegen Kabila ausgesprochen, so dass auch diese Unterstützung Bembas als sicher gelten darf.
Für den zweiten Urnengang wird die Frage entscheidend sein, ob Antoine Gizenga eine Wahlempfehlung für den einen oder anderen Kandidaten aussprechen wird. Weitere Faktoren, die den Ausgang der Stichwahl beeinflussen können, sind zudem die bisher in einigen Landesteilen nicht zur Wahl gegangenen Bürger (z.B. Mbuyi-Maji mit einer Wahlbeteiligung von 16.84%; Landesdurchschnitt 70.54%) und die extrem hohe Anzahl (5.54%) an ungültigen (870 758) und nicht markierten (122 946) Stimmzetteln.
Der Wettstreit um die Gunst der Kongolesen am 29. Oktober scheint offen zum jetzigen Zeitpunkt. Bleibt zu hoffen, dass der zweite Wahlgang nicht mit angehaltenem Atem einhergeht, sondern wirklich die zunächst erhoffte Atempause bringt.