Länderberichte
Wahlvorbereitungen
Am 14. April waren insgesamt 3.740.951 Kroaten im In- und Ausland aufgerufen in 6612 Wahllokalen im Inland und 82 Wahllokalen im Ausland ihre ersten 12 Abgeordneten für das Europaparlament zu wählen. Auslandskroaten konnten dies sogar ohne eine spezielle Registrierung in ihren Auslandsvertretungen auf der Grundlage ihrer Personaldokumente tun.
Nach Schließung des Wählerverzeichnisses hatte der Verwaltungsminister Arsen Bauk das überarbeitete kroatische Wählerverzeichnis für die Europawahlen der Öffentlichkeit vorgestellt und dabei überraschend mitgeteilt, dass sich die Anzahl der wahlberechtigten Kroaten von 4.504,765 zum Zeitpunkt des EU Referendums im Januar 2012 auf nunmehr nur noch 3,740,951 und damit immerhin 763,814 Wahlberechtigte weniger verringert hatte.
Er schrieb diese deutliche Verringerung der Zahl der Wahlberechtigten der Überprüfung der Listen durch sein Ministerium zu. Dies hatte das Ziel, das Wählerregister von „Karteileichen“ und „Phantomwählern“ zu reinigen. Erstmals war es ihnen auch möglich, einzelne Kandidaten der üblichen Partei- bzw. Koalitionslisten auszuwählen und ihnen damit eine bessere Wahlchance zu verschaffen. Mit einer Stimme wählten sie also die Liste als solche und mit einer zweiten, zusätzlichen Stimme hoben sie einen Kandidaten auf dieser Liste besonders hervor. Zur Kandidatur waren Parteien bzw. Partei- und Koalitionslisten zugelassen, welche 5,000 Unterschriften vorweisen konnten. Diese durften sich dann im Rahmen eines Wahlkampfes bis zum 12. April um Mitternacht um die Stimmen der Wähler bemühen.
Streit um den Wahltermin
Vor der Verkündung des Wahltermins durch den kroatischen Präsidenten hatte es noch eine Diskussion darüber gegeben, ob diese Wahlen zusammen mit den in Kroatien auch anstehenden Kommunalwahlen oder davon getrennt durchgeführt werden sollten. Staatspräsident Josipovic entschied sich nach Konsultationen mit den Parteien schließlich für den separaten Wahltermin, nicht zuletzt deshalb, weil er der Auffassung war, diese ersten kroatischen Europawahlen in besonderer Weise würdigen bzw. herausheben zu sollen. Auch das von der Opposition vorgebrachte „Kostenargument“ – die Kosten für die separate Durchführung der Wahlen sollten etwa 11,2 Mio. Euro betragen - konnte ihn nicht davon überzeugen beide Wahlen gemeinsam an einem Tag durchzuführen, zumal es ihm wichtig schien, dass sich der kroatische Wähler der besonderen Thematik dieser Wahl bewusst wird.
Nach Ende der Meldefrist wurden von der Staatlichen Wahlkommission schließlich 27 Parteilisten und eine Bürgerliste zu den Wahlen für das Europaparlament zugelassen. Von den Parteilisten wurden acht von Parteikoalitionen und 19 von jeweils einer Partei nominiert. Insgesamt nehmen 40 verschiedene politische Parteien mit 336 (28x12) Kandidaten an den Europawahlen teil, darunter 207 männliche und 129 weibliche Bewerber/-innen.
Die 12 zu entsendenden kroatischen Europaabgeordneten vergrößern die Gesamtzahl der Europaabgeordneten dann auf 766, weshalb bei den nächsten regulären Europawahlen, voraussichtlich im Mai kommenden Jahres, einige Mitgliedstaaten, darunter auch Kroatien auf (1) Abgeordneten und Deutschland auf 3 Abgeordnete werden verzichten müssen, damit die seit dem Lissabon Vertrag geltende zulässige Höchstmenge von 751 Abgeordneten nicht überschritten wird.
Kandidatenlisten der Parteien
Die Regierungspartei SDP hatte sich mit ihren Koalitionspartnern, der kroatischen Volkspartei (HNS) und der Rentnerpartei (HSU) frühzeitig um eine gemeinsame Kandidatenliste bemüht. Die gemeinsame 12-köpfige Liste wurde vom SDP Politiker Tonino Pikula angeführt. Neben ihm kandidierten weitere vier SDP Vertreter, Biljana Borzan, Marino Baldini, Oleg Valjalo und Sandra Petrovic Jakovina auf den vorderen fünf Listenplätzen. Erst danach folgten zwei Vertreter der HNS, darunter Jozo Rados und die Vorsitzende der Parteijugend Vedrana Gujic sowie einer Vertreterin der HSU, Marija Ilic auf Listenplatz 7. Kritiker monierten, dass es sich bei den Kandidaten um eher unbekannte kroatische Parteipolitiker handelte, deren Europakenntnisse unbekannt waren.
Die Kroatische Demokratische Union (HDZ) nominierte gemeinsam mit den Vertretern der Partei des Rechts und der Buzz Gruppierung die ehemalige Bürgermeisterin von Dubrovnik und stellvertretende Parteivorsitzende Dubravka Suica als Spitzenkandidatin für diese Europawahlen, gefolgt von den Abgeordnetenkollegen Andrej Plenkovic und Davor Ivo Stier sowie Ivana Maletic, die alle schon mit dem kroatischen Beitrittsprozess in verantwortlicher Rolle befasst waren. Der Vorsitzenden der Partei des Rechts, Ruza Tomasic, die bis in die jüngste Vergangenheit als Europagegnerin galt, wurde ein 6. Listenplatz zugewiesen, der vielen als wenig aussichtsreich erschien.
Die aus jeweils sechs Frauen und Männern bestehende Liste der kroatischen Labour Partei (HL) wurde vom Parteivorsitzenden Nikola Vuljanic angeführt, der wie einige andere Kandidaten auch in den letzten Monaten bereits als EU Beobachter Kroatiens fungierte und sich für den Parteislogan "For Your Voice in Europe!" und "Let's Cherish Our Values!" verantwortlich zeichnete.
Eine Zweierkoalition bildeten Vertreter der kroatischen Bauernpartei (HSS) und der kroatischen Sozialliberalen Partei (HSLS). Die HSS stellte sechs Kandidaten, die HSLS deren vier, ergänzt um zwei unabhängige Kandidaten. Angeführt wird die Liste nicht vom HSS Parteivorsitzenden Branko Hrg sondern von Miroslav Rozic. Der HSLS Vorsitzende Darinko Kosor gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass wenigstens einer seiner Listenvertreter es in das Europaparlament schaffen werde.
Die kroatische Allianz für Slavonien und Ba-ranja (HDSSB), die kroatische Demokratische Friedensallianz von Dalmatien (HDSSD) und die kroatischen Grünen wollten ebenfalls gemeinsam um die Stimmen der kroatischen Wähler werben, erklärten die jeweiligen Parteivorsitzenden Vladimir Sisljagic (HDSSB), Hrvoje Tomasovic (HDSSD) und Zdravko Peko (Greens), nachdem sie Stjepan Ribic (HDSSB) zu ihrem Spitzenkandidaten nominiert hatten. Der HDSSB Abgeordnete Boro Grubisic wurde auf den zweiten Platz der gemeinsamen Kandidatenliste gesetzt, die sich aus sieben Vertretern der HDSSB, drei Vertretern der HDSSD und zwei Vertretern der kroatischen Grünen zusammensetzt und vier weiblichen Kandidaten Listenplätze zuwies. Zur Teilnahme an diesen ersten kroatischen Wahlen für das Europäische Parlament waren schließlich immerhin 763,814 weniger als noch zum EU Beitrittsreferendum im Ja-nuar 2012 aufgerufen, als noch über 4,5 Mio. Kroaten wahlberechtigt waren.
Dies war wohl das Ergebnis einer ernsten Überprüfung des Wählerverzeichnisses, welche im Zuge der Verabschiedung eines neuen „Voter Registration Act“, durchgeführt worden war und vorschreibt, dass man über eine gültige ID-Karte verfügen und in Kroatien ansässig sein müsse. Auslandskroaten müssen sich für jede Wahl gesondert registrieren, bevor sie ihre Stimme abgeben dürfen. Am Wahltag könnten dann auch noch solche Wähler ihre Stimme abgeben, die statt über eine gültige ID-Karte, über einen gesonderten Wahlschein verfügen.
Die neuen Regelungen verhinderten, dass auch diesmal in Bosnien ansässige kroatische Staatsbürger an den Wahlen teilnehmen konnten, obwohl in der kroatischen Verfassung von einer Fürsorgepflicht gegenüber den Interessen der in Bosnien ansässigen Kroaten gesprochen wird. Der Vorsitzende der HDZ versprach in diesem Zusammenhang, dass die gewählten Europaabgeordneten seiner Partei in besonderem Maße die Interessen der bosnischen Kroaten im Europaparlament vertreten würden.
Wahlkampfverlauf
Prominente Unterstützung aus dem Europaparlament erhielt die HSP durch den Vizepräsidenten der französischen Nationalen Front Bruno Gollnisch, der auch einer Wahlkampfveranstaltung der Partei in Karlovac beiwohnte und dort einige kritische Worte zur Situation in der EU fand. Der HSP Vor-sitzende Daniel Srb unterstrich, dass seine Partei als einzige die wahren Interessen Kroatiens und nicht etwa jene der Parteigruppierungen der europäischen Sozialisten und Christdemokraten, vertrete.
Auf einer Wahlveranstaltung der HDZ erläuterte der EU Kandidat Andrej Plenkovic seine fünf wichtigsten Ziele für die restlichen zwölf Monate im Europaparlament, als da wären: Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der kroatischen Wirtschaft, Lösung der Be-schäftigungsprobleme, Mobilität und Migration, Netzwerkbildung sowie Umweltschutz. Die HDZ Spitzenkandidatin Dubravka Suica, erklärte, dass die kommenden Europawahlen „…sowohl historische Wahlen seien, als auch die Chance für ein Misstrauensvotum gegen die aktuelle Regierung unter Ministerpräsident Milanovic böten…“, dessen Partei sich in diesen Wahlen schließlich auch um Mandate bemühe.
Allgemein wurde die Liste der oppositionellen HDZ als diejenige identifiziert, die über die meisten kenntnisreichen Kandidaten verfügt, während die IDS als einzige Liste europapolitische Themen in den Vordergrund ihres Wahlkampfes rückte. Wichtig erschien politischen Kommentatoren darauf hinzuweisen, dass Kandidaten neben guten Sprachkenntnissen vor allem über genaue Kenntnisse der europäischen parlamentarischen Prozesse verfügen sollten und stellten enttäuscht fest, dass neben dem SDP-Kandidaten Tonino Picula und dem HDZ Abgeordneten Andrej Plenkovic nahezu niemand im Wahlkampf relevante europa-politische Fragen erörtert hätte. Auch dienten die Wahlen den Parteien dazu, ihre Mitglieder bzw. Anhänger für die als wichtiger erachteten Kommunalwahlen zu mobilisieren. Besondere Aufmerksamkeit erlangte in den kroatischen Medien der Vorschlag des SDP Ministerpräsidenten, dass erfolgreiche SDP Kandidaten einen Teil ihres zukünftigen EU-Abgeordnetengehalts einer karitativen Einrichtung spenden sollten.
Wählerumfragen
In ersten Umfragen Ende März erklärten sich nahezu 65% der Befragten interessiert, an den Wahlen teilzunehmen, 32,6% wollten nicht zur Wahl gehen und 2,6% waren noch unentschlossen. Es sprachen sich zu diesem Zeitpunkt 26,3% der Befragten für die gemeinsame Liste der Regierungspartei-en SDP, HNS und HSU aus, was den ersten sechs Listenplatzinhabern wohl ein Mandat in Brüssel beschert hätte. Auf die von der kroatischen Oppositionspartei HDZ angeführte gemeinsame Kandidatenliste mit der kroatischen Partei des Rechts (HSP-AS) und der Rentnerpartei (BUZ) entfielen 18,4% der Stimmen, was für vier EU Abgeordne-tenmandate ausreichen sollte. Auf den dritten Platz kam die kroatische Arbeiterpartei (HL) die bei einem Stimmenanteil von 10% auf zwei Europamandate hoffen konnte. Sämtliche anderen Parteilisten, einschließlich die des Istrian Democratic Congress (IDS) geführt vom Präfekten Ivan Jakovcic, erreichten die 5% Hürde nicht.
Bei einer Wahlbeteiligung von nur 39% würde die SDP-HNS-HSU Koalition auf einen Stimmenanteil von 32,8% (7 MEPs), die HDZ-HSP/AS-BUZZ Koalition auf 19,9% (4 MEPs) und die HL auf 7,5% (1 MEP) kommen. Diese Zahlen galten als ein Hinweis darauf, weshalb die Regierungskoalition einen separaten Wahltermin mit wahrscheinlich geringer Wahlbeteiligung einem gemeinsamen Termin vorzog. Nach einer noch am 8. April veröffentlichten allerletzten Wählerumfrage bezeichneten es nur 39,1% der 1300 Befragten als sicher, dass sie sich an den Europawahlen beteiligen würden, 36,5% dagegen nicht; 11,9% bezeichneten es als wahrscheinlich, dass sie nicht zur Wahl gingen und 8,1%, dass sie es wohl doch täten. Diese Umfrage bestätigte in etwa die vorher veröffentlichten Parteipräferenzen, indem sie die „Regierungsliste“ aus SDP-HNS-HSU bei 29,5%, die „Oppositionsliste“ aus HDZ-HSP-BUZ bei 22,2% und die HL-Liste bei 7,5% Unterstützung sah. Im Ergebnis stiegen die Chancen der „Oppositionsliste“ damit leicht statt der bis dahin vorhergesagten vier, möglicherweise sogar fünf Parlamentsmandate zu erringen.
Wahlbeteiligung
Über die zu erwartende Wahlbeteiligung war lange spekuliert worden. Erfahrene Europapolitiker, wie Doris Pack, hatten die Entscheidung des kroatischen Staatspräsidenten, die Wahlen separat und nicht mit den anstehenden Lokalwahlen gemeinsam abzuhalten, mit dem Hinweis kritisiert, dies würde wohl zu einer eher bescheidenen Wahlbeteiligung beitragen. Dass die Wahlbeteiligung schließlich tatsächlich nur sehr bescheidene 20,84% erreichte, gab ihr im nachhinein Recht und zeigte, wie wenig erfolgreich die Bemühungen kroatischer politischer Akteure um eine entsprechende Wäh-lermobilisierung für Europa gewesen sind. Die Wahlbeteiligung lag damit nur bei etwa der Hälfte derjenigen, die noch das EU Referendum im Januar 2012 gekennzeichnet hatte.
Wahlergebnis
Neben der geringen Wahlbeteiligung überraschte aber vor allem das Wahlergebnis. Nach der Auszählung von 98,01% der Wahllokale in Kroatien stand fest, dass sich das oppositionelle Wahlbündnis aus HDZ – HSP AS – BUZ mit 32,86% der abgegebenen Stimmen knapp gegen das „Regierungsbündnis von SDP – HNS – HSU mit nur 32,07% durchgesetzt hatte. Damit entsendet die Opposition sechs, die Regierungskoalition dagegen nur fünf Abgeordnete ins Europaparlament. Mit einem Stimmenanteil von 5,77% schaffte es die kroatische Arbeiterpartei gerade noch zumindest einen der 12 neuen Europaabgeordneten zu stellen.
Interessant waren auch die Erfolge einzelner Listenplatzkandidaten vor dem Hintergrund des erstmals angewandten Systems der sog. „offenen Listen“, bei dem man neben der Liste als Ganzes mit einer zweiten Stimme auch einen einzelnen Kandidaten der Liste besonders herausheben kann. Im Falle der erfolgreichen „Oppositionsliste“ gelang der Spitzenkandidatin der HSP-AS, Ruza Tomasic das Kunststück, auf dem Listenplatz 6 mit 26,53% der (zusätzlich abge-gebenen) Einzelstimmen alle anderen (vor ihr platzierten) Listenplatzkandidaten zu übertrumpfen. Die (eigentliche) Spitzenkan-didatin aus den Reihen der HDZ, Dubravka Suica kam nur auf einen „Zweitstimmenanteil“ von 12,83% und wurde noch von ihrem Parteifreund, Andrej Plenkovic, der allerdings in den letzten Monaten bereits als EU Beobachter Kroatiens in Brüssel akkreditiert war ,mit einem Stimmenanteil von 15,3% übertroffen. Auf der „Regierungsliste“ setzte sich erwartungsgemäß der Spitzenkandidat Tonino Pikula mit einem „Zweitstimmenanteil“ von 47,17% gegen seinen Mitbewerber durch, auf den Spitzenkandidaten der Liste der Arbeitspartei entfielen dagegen auch nur bescheidene 15,14%.
Die „Regierungsliste“ gewann in 12 (Zagreb, Split, Osijek, Rijeka, Zadar, Velika Gorica, Sibenik, Cakovec, Koprivnica, Bjelovar, Varadzin und Sisak), die „Oppositionsliste“ in 8 kroatischen Städten (Dubrovnik, Vukovar, Pozega, Karlovac, Virovitica, Krapina, Knin und Gospic) während die Liste der istrischen Regionalpartei zwar die Wahlen in der Stadt Pula gewinnen nicht aber die landesweit gültige 5-% Hü rde überwinden konnte.
Bezogen auf die Regionen (counties) konnte die „Regierungsliste“ sich nur in drei Regionen mit einem Stimmenanteil von mehr als 40% präsentieren, während dies der „Oppositionsliste“ immerhin in neun Regionen gelang, wobei diese vor allem in den zentralen und südlichen Landesteilen, jene der Mitbewerber eher in und um Zagreb, sowie im Nordwesten des Landes befanden.
Risiken und Chancen des EU Beitritts
Ein erfolgreicher Beitritt Kroatiens in die Eu-ropäische Union bringt, neben offensichtlichen Vorteilen auch einige nicht zu unterschätzende (wirtschaftliche) Nachteile mit sich.
CEFTA Einschränkungen
So sträubt sich etwa Bosnien-Herzegowina Kroatien auch nach einem Beitritt zur EU zu erlauben, weiterhin (agrarische) Güter zu den bisher gültigen präferentiellen Bedingungen einzuführen. Bisher waren die kroatischen Warenexporte in die CEFTA (Central European Free Trade Agreement) Staaten von allen Zöllen befreit, weshalb momentan Verhandlungen über ein Zusatzprotokoll zu den Verträgen zwischen der EU und den CEFTA Mitgliedstaaten stattfänden, um dieses Problem noch vor dem kroatischen Beitritt zu lösen.
Kroatien wünscht sich die bleibende Zollfreiheit von nahezu 300 Waren, was von Bosnien-Herzegowina mit dem Hinweis auf die ohnehin schon niedrigen Zollsätze bisher abgelehnt wird, solange mit der EU keine Reziprozität erreicht werden kann. Ohnehin wird der Agrarsektor Kroatiens von einem EU Beitritt in unmittelbarer Weise betroffen sein. Es gelte, so der stellvertretende kroatische Landwirtschaftsminister Snjezana Spanjol, Kosten zu reduzieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, damit man zumindest in EU Nischenmärkten erfolgreich sein kann, während man mit deutlichen Exporteinbußen in den CEFTA Absatzmärkten rechnen muss. Vielversprechender erscheinen Anstrengungen der kroatischen Nahrungsmittelindustrie im Bereich Bäckereiwesen, wo kroatische Unternehmen über erste Erfolge bei der Penetration in Märkte von EU Nachbarstaaten wie Ungarn und Österreich berichteten. Insgesamt, so der kroatische Ministerpräsident bei seinem Besuch einer Messe in Mostar, bliebe die kroatische Nahrungsmittelindustrie aber aufgefordert, sich dem Wettbewerb mit europäischen EU Konkurrenten zu stellen und entsprechende „Kreativität“ zu zeigen.
EU Finanzhilfen
Solche und ähnliche Anpassungsprobleme sollen deshalb zum Teil durch besondere EU Finanzhilfen erleichtert werden. Deshalb werden Kroatien in den ersten sechs Monaten der Mitgliedschaft immerhin EU Verpflichtungsermächtigungen (Finanz- und Fördermittel) im Umfang von nicht weniger als EUR 655.1 Mio. zur Verfügung gestellt. Das sind deutlich mehr als die dann zu zahlenden EU Mitgliedsbeiträge Kroatiens in Höhe von EUR 211.9 Mio. Kroatien wird mit dem Tag des Beitritts, so der zuständige EU Kommissar Janusz Lewandowski, im Antragswege mittelbar auf immerhin EUR 374 Mio. Barmittel zugreifen können.
Nachtragshaushalt für 2013 notwendig
Im Zuge der Vorbereitung Kroatiens auf den EU-Beitritt hat sich die kroatische Regierung auch entschlossen einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Dieser sieht jetzt Einnahmekürzungen in Höhe von HRK 253.9 Mio. auf insgesamt HRK 113.4 Mrd. und Ausgabenkürzungen in Höhe von HRK 874 Mio. auf HRK 123.6 Mrd. vor.
Notwendig wurde diese Revision durch eine abrupte Kontraktion des BIP im letzten Quartal 2012 um 2,3%, als Folge eines Produktionsrückgangs in der Industrie allein im Februar um 3% (und 4,1% auf das Jahr bezogen) und einer sich deshalb verschlechternden Wachstumsprognose für die kroatische Wirtschaft insgesamt von 1,8% auf nur noch 0,7 % für das laufende Haushaltsjahr. Angesichts einer im Februar um 0,9% weiter gewachsenen Arbeitslosenzahl auf nahezu 375.400 und einer Arbeitslosenquote von mittlerweile 21,9% fragen sich viele Bürger, wann bzw. wie der Abwärtstrend bei einer solch niedrigen Erwerbsquote (1,336840 Mio. Erwerbstätige auf 4,284889 Mio. Einwohner = 31%) aufgehalten werden kann. Diese, auch der Rezession in vielen EU Staaten geschuldete Wachstumsverlangsamung macht sowohl Einschränkungen der geplanten öffentlichen Investitionen notwendig, führt jedoch gleichzeitig im Erfolgsfall zu einer Reduktion des Haushaltsdefizits von 10.9 Mrd. (3.2% of BIP) auf nur noch 10.2 Mrd. Kuna (3% des BIP).
Einsparungen sollen vor allem in folgenden Ministerien gelingen: Wirtschaftsministerium (HRK 270 Mio.), Verteidigungsministerium (HRK 153 Mio.), Landwirtschaftsministerium (HRK 130 Mio.) und Gesundheitsministeri-um (HRK 120 Mio.), Transportministerium (HRK 107 Mio.), Ministerium für Regional Entwicklung (HRK 104 Mio.) und des Unternehmensministeriums (HRK 35 Mio.). Allein das Kabinettsreferat (HRK 5.2 Mio.) und das Bildungsministerium (HRK 40 Mio.) dürfen Mehrausgaben tätigen, während das Finanzministerium und das Arbeitsministerium saldenneutrale Veränderungen vornehmen.
Substanzielle „Konsolidierungen“ sollen vor allem in den Budgets öffentlicher Unternehmen, wie etwa der staatlichen Wassergesellschaft „Hrvatske Vode“ und der staatlichen Straßenbaugesellschaft „Hrvatske Ceste“, erreicht werden, welche ihre geplanten Investitionen um HRK 1.1 Mrd. zurück-führen müssen, um damit das Defizit dieses Schattenhaushalt auf HRK 1.3 Mrd. oder 0.4% of BIP zu senken. Dem zuständigen Minister Lalovac war in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass weder Gehälter noch Pensionen gekürzt wurden, da sowohl die Einnahmen der Kroatischen Zentralbank (HRK 380 Mio.) als auch der staatlichen INA Ölgesellschaft (HRK 250 Mio.), wie auch die Verkaufserlöse aus des Veräußerung der Anteile der staatlichen „Croatian Compulsory Oil Stocks Agency“ (HANDA) an dem Pipeline Operator JANAF in Höhe von HRK 627 Mio. den notwendigen Saldenabbau realisieren helfen. Auf Dauer wird man jedoch im Rahmen dieser „Restrukturierungen“ der wichtigsten 23 öffentlichen Unternehmen wohl nicht an Lohnkürzungen und Entlassungen vorbeikommen, da man nach dem EU Beitritt verpflichtet sein wird, für alle staatlichen Subventionen in den öffent-lichen Sektor die explizite Genehmigung der zuständigen EU Kommission zu erlangen.
Momentan rechnet man in Kroatien, als Ergebnis der aktuellen konjunkturellen Entwicklung, mit Steuermindereinnahmen in Höhe HRK 951 Mio. auf nunmehr HRK 66.2 Mrd., um HRK 461 Mio. geringere Mehrwertsteuereinnahmen auf nunmehr HRK 43 Mrd. und Mindereinnahmen von speziellen Steuern und Gebühren in Höhe von HRK 358 Mio. auf nur noch HRK 11.8 Mrd. sowie um HRK 439 Mio. geringere Sozialabgaben auf nur noch HRK 37.6 Mrd.
Trotz dieses immer noch ambitionierten Nachtragshaushaltes drohen die kroatischen Staatsschulden, nicht zuletzt wegen der Sanierung der Werftindustrie und der kroatischen Staatsbahn, sich der 60% (vom BIP) Marke zu nähern. Zur Bedienung der Ende 2012 EUR 8,3 Mrd. (Gesamt: EUR 44,9 Mrd.) umfassenden staatlichen kroatischen Auslandsschulden (101,8% des BIP) hat die kroatische Regierung jüngst neue zehnjährige Staatsanleihen im Umfang von USD 1.5 Mrd. und einem Zinssatz von 5.625% - 5.750% platzieren können bzw. müssen.
Fazit
Das überraschende Wahlergebnis wird die Diskussionen um die Fähigkeit der aktuellen Regierung, das Land zu führen bzw. in die richtige politische Richtung zu steuern weiter beleben. Der Wähler hat mit seiner Wahlentscheidung bzw. bis zu einem bestimmten Grad auch durch seine Wahlenthaltung seine Unzufriedenheit mit der aktu-ellen Politik zum Ausdruck gebracht. Viele Wähler mögen in dieser „Europawahl“ vor allem eine Entscheidung über zwölf weitere Bezieher hoher EU-Gehälter gesehen haben, denen sie die Legitimität dieser Gratifikation verweigern wollten. Sie erkannten keinen unmittelbaren Nutzen dieser Wahlen für sich selbst, ihre Ängste und ihre Existenzsorgen.
Wirtschaftsprobleme
Auch der Wahlerfolg der kroatischen Opposition kann nämlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Kroatien im Vergleich zu den anderen Staaten Südost- und Mitteleu-ropas mit Blick auf die wichtigen volkswirt-schaftlichen Parameter wie Wachstum und Beschäftigung nun schon im dritten Jahr in Folge das Schlusslicht der Vergleichsgruppe einnimmt. Nach einem Bericht der kroatischen Nationalbank erreichte Kroatien, wie Slowenien, im abgelaufenen Jahr 2012 mit -2% die ge-ringste „Wachstumsrate“ dieser Gruppe und auch die Arbeitslosenquote lag mit 15,8% (Berechnung ILO) bzw. 18% (Berechnung Eurostat) höher als in allen anderen Vergleichsländern. Während diese ihre finanzielle Konsolidierung im Wesentlichen durch eine Reduzierung der Staatsausgaben zu erreichen suchten, strebte Kroatien dies hingegen durch Steuer- bzw. Einnahmeerhöhungen an.
Vorzeitige Neuwahlen?
Schon vor den Europawahlen hatte es sowohl in der SDP als auch in der HNS immer wieder Stimmen gegeben, die der Regierungspartei SDP unterstellten aus Unzufriedenheit mit der HNS Neuwahlen in einer Koalition mit der kroatischen Labourpartei HL anzustreben. Der Fraktionsvorsitzende der HNS Jozo Rados dementierte diese Meldungen als Spekulation. Grund für diese Gerüchte waren jüngste Personalentscheidungen des Ministerpräsidenten Milanovic. Dieser hatte, nachdem bekannt geworden war, dass HNS Minister eigene Parteimitglieder per E-Mail auf Vakanzen im Ministerium hingewiesen hatten, die Geduld mit dem Koalitionspartner verloren und veranlasste Finanzprüfungen in einigen von HNS Vertretern geführten Staatsunternehmen. Solche Querelen kennzeichnen die „Partnerbeziehung“ seit dem Wahlsieg der sog. Kukuriku Koalition und fanden einen ersten Höhepunkt in den andauernden Auseinandersetzungen zwischen dem SDP Finanzminister Slavko Linic und dem damaligen HNS Vorsitzenden sowie stellvertretenden Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister, Radimir Cacic. Beide blockierten sich gegenseitig in der Implementierung ihrer Reformpläne und brachten die Wirtschaftspolitik der Regierungskoalition nahezu zum Erliegen. Selbst nach dem vorzeitigen Ausscheiden von Cacic aus der Regierung, wegen einer Verurteilung aufgrund eines von ihm verur-sachten tödlichen Verkehrsunfalls in Ungarn, besserte sich das Koalitionsklima kaum und auch die Popularität der HNS beim kroatischen Wähler blieb bei entsprechenden Umfragen mit 3,5 % unterhalb der entscheidenden 5%-Hürde.
Gegen Neuwahlen spricht jedoch die schlechte Verfassung sowohl der SDP als auch der HNS. Angesichts sinkender Popularitätswerte könnte auch die SDP nicht davon ausgehen in Neuwahlen besser abzuschneiden, als bei den letzten kroatischen Parlamentswahlen. Damals bescherte ihnen die Affäre um den inzwischen angeklagten ehemaligen Ministerpräsidenten und HDZ Parteivorsitzenden Ivo Sanader einen erheblichen Stimmenzuwachs. Nicht zuletzt zeigte sich auch der prospektive neue Koalitionspartner der SDP, der HL Parteivorsitzende Dragutin Lesar skeptisch, was eine solche Koalition betraf. Er verwies auf seine bisherige grundsätzliche Weigerung, vor Wahlen in Koalitionsvereinbarun-gen einzutreten. Zwar würdigte er die sich in diesen Gerüchten offenbarende Einsicht der SDP-Führung, dass man in Zukunft, angesichts der dramatischen Stimmenverluste der HNS bei jüngsten Umfragen, an seiner Partei als Partner einer stabilen Regierung nicht mehr vorbeikäme. Einen unmittelbaren Anlass für Neuwahlen sehe er aber nicht.
Mit dem offensichtlichen Wahlsieg der Opposition bei diesen Europawahlen verdüstern sich auch die Erwartungen der Regierungskoalition hinsichtlich der kommenden Lokalwahlen. Nimmt man allein die Tatsache, dass in den ersten knapp 15 Monaten der Amtszeit dieser Regierung bereits vier Kabinettsmitglieder ausgetauscht bzw. ersetzt werden mussten, so spricht das nicht gerade für die Stabilität der aktuellen Regierungskoalition. Sollten die am 19. Mai an-stehenden Lokalwahlen keine entscheidende Wende zugunsten der Regierungskoalition bringen, steht ihr sicherlich ein politisch „heißer Herbst“ bevor.
Schon jetzt hat der Oppositionsführer Karamarko angekündigt, dass er bei einem weiteren für die Regierungspartei blamablen Ergebnis im Herbst Neuwahlen fordern werde. Man wird abwarten müssen, ob es tatsächlich dazu kommen wird.
Annex: EU Abgeordnete der HDZ
Dubravka Šuica, geboren am 20. Mai 1957 in Dubrovnik, verheiratet, ein Kind, ist Vizepräsidentin der HDZ und der Frauengruppe der Europäischen Volkspartei. Sie war Mitglied des kroatischen Parlaments in drei Legislaturperioden und zweimal Bürgermeisterin von Dubrovnik. Sie war zudem Vizepräsidentin des Ausschusses für Europäische Integration, Mitglied des Ausschusses für Tourismus sowie Präsidentin des Ausschusses für Familie, Jugend und Sport im kroatischen Parlament.
Andrej Plenković, geboren am 8. April 1970 in Zagreb, ist Abgeordneter im kroatischen Parlament und aktuell Beobachter im Europäischen Parlament. Er ist Mitglied des Zentralkomitees der HDZ. In seiner beruflichen Laufbahn war er zuvor Staatssekretär für europäische Integration, Gesandter an der Botschaft in Paris, Leiter der Abteilung für Europäische Integration im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten und Mitglied der Verhandlungsdelegation für das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen zwischen Kroatien und der EU.
Davor Ivo Stier, geboren am 6. Januar 1972 in Buenos Aires (Argentinien) ist ein an der Katholischen Universität in Buenos Aires diplomierter Politikwissenschaftler. Er ist Abgeordneter im kroatischen Parlament, Vizepräsident des Ausschusses für Auswärtiges und Mitglied der kroatischen Parlamentarischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der NATO. Er ist zudem Internationaler Sekretär und Mitglied des Präsidiums der HDZ.
Ivana Maletić, geboren am 12. Oktober 1970 in Kroatien, verfügt über einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften von der Universität Zagreb. Derzeit arbeitet sie im Entwicklungsbereich. Zuvor arbeitete sie im kroatischen Finanzministerium. Sie nahm an den Verhandlungen mit der Europäischen Union über das Stabilisierungs- und Assozi-ierungsabkommen teil und ist Mitarbeiterin bzw. Co-Autorin zahlreicher Bücher über Wirtschaft und Finanzen.
Zdravka Bušić, geboren am 6. September 1950 in Imotski, absolvierte ein Studium der Bibliothek- und Informationswissenschaft an der Case Western Reserve University, in Cleveland, Ohio und erlangte dabei einen Mastertitel. Danach war sie während zweier Legislaturperioden (1995 bis 2003) Mitglied des kroatischen Parlaments. Von 2004 bis 2011 arbeitete sie als IT-Beraterin für die National- und Universitätsbibliothek in Zagreb und hat eine Reihe von staatlichen Auszeichnungen erhalten.
Ruža Tomašić ist Vorsitzende der kroatischen „Partei des Rechts“ (HSP-AS). Sie war während zweier Legislaturperioden Mitglied des kroatischen Parlaments.