Plenković und „Entschlossen für Kroatien“ als Wahlgewinner
Sieg ist ein Zeichen der Kontinuität in der HDZ
„Die Menschen in diesem Team sind etwa Besonderes, jeder auf seine Weise. Wir denken nicht unbedingt alle gleich, aber wir teilen die gleichen Werte, die gleichen Überzeugungen in der HDZ und für Kroatien,“ sagte Plenković bei der Vorstellung seines Teams. Mit seiner ausgewogenen Kandidatenliste, die beide Flügel der Partei repräsentiert, versucht der wiedergewählte Parteichef, die sich auftuende Kluft zwischen dem eher liberal-christdemokratischen und dem nationalkonservativen Flügel der Partei zu überwinden. Ein vollständiger Sieg des Lagers von Plenković auf allen Ebenen bei den parteiinternen Wahlen dürfte nun, soweit jetzt absehbar, für Ruhe in der Partei sorgen, zumindest bis zu den im September stattfindenden regulären Parlamentswahlen. Das Ergebnis von 6:0 (hinsichtlich der Führungspositionen) ist sogar deutlicher als der enorme Vorteil, den Plenković gegenüber seinem Gegenkandidaten Kovač erzielt hat (ca. 79 zu 21 Prozent). Eine Fortsetzung der „Flügelkämpfe“ ist vorerst nicht mehr zu erwarten. Die HDZ hat sich mit der eindeutigen Wiederwahl von Plenković für die Option der Fortführung eines pro-europäischen, zentristischen Kurses entschieden und gegen eine nationalkonservativ ausgerichtete Option. Es bleibt allerdings die Frage offen, inwieweit die eher nationalkonservativ ausgerichteten Wähler der HDZ sich durch diese Entscheidung repräsentiert fühlen. Das Abschneiden des unabhängigen und konservativen Kandidaten Miroslav Škoro mit 24 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen Ende 2019, das relativ schwache Abschneiden der HDZ bei den Europawahlen im Frühjahr letzten Jahres, und Škoros Ankündigung, bei den Parlamentswahlen im September mit einer eigenen Liste anzutreten, lassen Spielraum für Spekulationen hinsichtlich der Frage, wie das konservative Lager nach den Wahlen im September aufgestellt sein wird.
Erste Zeichen der Unzufriedenheit der Nationalkonservativen
Für innenparteiliche Unruhe sorgte schon im Jahr 2017 die von Plenković vorangetriebene Regierungskoalition mit der linksliberalen HNS, mit der bei weitem nicht alle Parteimitglieder einverstanden waren. Die Koalition zwischen dem „wirtschaftsliberalen Flügel“ der HNS und der „liberal-christdemokratischen“ „Mehrheit“ der HDZ führte sowohl zu einer Abspaltung des linksliberalen Flügels der HNS als auch zu einer Unzufriedenheit des „nationalkonservativen“ Lagers der HDZ. Die der HDZ nahestehenden konservativ-klerikalen Kreise sahen die Entscheidung des Ministerpräsidenten und HDZ-Vorsitzenden für diese Koalition durchaus als Ursache wohlmöglich größerer Herausforderungen und Probleme. Die Kritiker der aktuellen Politik der HDZ stellten den christdemokratischen Charakter der Partei gänzlich in Frage. Das Bestreben, kurzfristig eine Verlängerung der Amtszeit einer Regierung zu erreichen (das Regierungsbündnis mit der damals gerade gegründeten konservativen Sammlungsbewegung MOST war innerhalb kurzer Zeit gescheitert), wurde von den Anhängern der jetzigen parteiinternen Opposition „Option für Änderung“ als ein Kompromiss gegen die Grundüberzeugungen der Partei empfunden, die dadurch in der Folge langfristig an Glaubwürdigkeit beim Wähler verlieren könne. Daraus resultierte auch der überraschende Rücktritt des damaligen Außenministers und politischen Sekretärs der HDZ, Davor Ivo Stier, mit dem Plenkovič zuvor zusammen im Europaparlament als Abgeordneter tätig gewesen war und der ihn bei seiner Bewerbung um die HDZ-Führung unterstützt hatte. Bei den jüngsten parteiinternen Wahlen standen sich nun die Beiden auf unterschiedlichen Seiten gegenüber (Stier als Kandidat von Miro Kovač für den Stellvertretenden Parteivorsitz).
2019: Das Jahr des Umbruchs der innenparteilichen Unzufriedenheit
Besonders das Jahr 2019 war für die HDZ ein schwieriges Jahr. Dies hat sich auch bei den Europawahlen bestätigt. Die zuvor noch stärkste Partei im Land ging davon aus, dass man die verlorengegangene Unterstützung des nationalkonservativen Spektrums durch Wähler der politischen Mitte kompensieren werde, die laut einer Umfrage des Europaparlaments 40 Prozent der Wählerschaft ausmachen1. Die HDZ unter Plenković entschied sich dafür, die noch bestehende relative Stärke gegenüber den anderen Parteien als richtigen Zeitpunkt für die Präsentation einer neuen Generation von jungen Politikern und die Bekräftigung der HDZ als Partei der rechten Mitte zu nutzen, personifiziert durch die Spitzenkandidatur des noch jungen Karlo Ressler. Die Nicht-Berücksichtigung von politischen „Schwergewichten“, u.a. des nun gescheiterten Gegenkandidaten und Prätendenten für das Amt des Parteivorsitzenden, Kovač, wurde dabei von einem Teil der HDZ-Mitglieder sehr kritisch betrachtet. Jedenfalls endete die Europawahl mit einem doch enttäuschenden Ergebnis, in dem die HDZ ihr gesetztes Ziel von 5-6 Mandate nicht erreichte, sondern letztendlich der größte Kontrahent, die Sozialdemokratische Partei (SDP), mit vier EU-Parlamentssitzen gleichzog.
Dem Parteichef der HDZ wurde vorgeworfen, zu wenig und zu spät auf die mannigfaltigen Korruptionsfälle in der eigenen Administration reagiert zu haben. Erst im September 2019 kam es zu einer bis dato beispiellosen Kabinettsumbildung. Viele Vertreter des nationalkonservativen Flügels der HDZ gaben dem Parteichef auch deshalb und wegen seines eher auf die politische Mitte orientierten Kurses die Schuld für das schlechte Abschneiden bei den Europawahlen und in den nationalen Umfragen. Sehr bald wurde klar, dass diese Unzufriedenheit in einer Gegenkandidatur aus eben diesem Lager enden könnte. Allerdings war das nationalkonservative Lager der Partei anfangs gespalten hinsichtlich der Frage, wer Kandidat dieser Strömung der HDZ sein sollte.
Die Situation zu Beginn des Jahres 2020
Am 1. Januar 2020 übernahm Kroatien erstmalig die EU-Ratspräsidentschaft. In der Führung der HDZ erhoffte man sich durch die damit verbundene außenpolitische Profilierung auch Ruhe in der Partei. Allerdings begann das Jahr mit einer Wahlniederlage der HDZ bei den Präsidentschaftswahlen, als die amtierende Präsidentin, Kolinda Grabar-Kitarović, sich dem sozialdemokratischen Herausforderer Zoran Milanović knapp geschlagen geben musste. Erneut wurde die Frage aufgeworfen, wer die Verantwortung für die Niederlage zu tragen habe. Diese Frage wurde in den folgenden Monaten zum wichtigsten Thema innerhalb der HDZ. Eine Reihe innerparteilicher Konkurrenten von Parteichef Plenković rief nach der verlorenen Präsidentschaftswahl zum Kurswechsel in der Partei auf. Die Partei müsse die Botschaft der Wählerschaft erkennen und dementsprechend ihre bisherigen Entscheidungen neu bewerten.
Die HDZ am Scheideweg – die Mannschaftsaufstellung von Plenković
Obwohl die offizielle Kampagne für die am 15. März stattfindenden innenparteilichen Wahlen erst am 2. März begann, entschied sich der HDZ-Parteivorsitzende Plenković, sein Team als auch das politische Programm „Entschlossen für Kroatien“ für die innenparteilichen Wahlen bereits am 15. Februar vorzustellen. Es galt, sechs Plätze in der Führungsriege zu besetzen: die des Parteivorsitzenden, des ersten Stellvertreters und die der vier Vizepräsidenten. Dabei entschied sich Plenković für ein Team, das sowohl aus eher progressiven als auch aus nationalkonservativen Kandidaten bestand. So schlug er für das Amt des ersten Stellvertreters Tomo Medved, der in der Partei zum konservativen Flügel gehört (Minister für die Belange der Kriegsveteranen) vor, für die Position der weiteren Vizevorsitzenden den Infrastrukturminister Oleg Butković, Ivan Anušić, Landrat der Osijek-Region (Osječko-Baranjska županija), Branko Bačič, HDZ-Fraktionsvorsitzender im kroatischen Parlament und Zdravka Bušić, Staatssekretärin im Außenministerium. Dem politischen Programm dieses Kandidatenteams wurde der Titel „Entschlossen für Kroatien“ gegeben. Dies sollte sowohl Zusammenhalt als auch Durchsetzungskraft symbolisieren.
Die Opposition sammelt sich um einen Kandidaten
Neben dem amtierenden Vorsitzenden Plenković stellte die innerparteiliche Opposition ihre Liste „Option für Änderung“ vor. Im Vorfeld hatte sich diese Gruppierung darauf geeinigt, dass Miro Kovač, Außenminister a.D., Botschafter der Republik Kroatien in Deutschland a.D. und Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten des kroatischen Parlaments, Gegenkandidat von Andrej Plenkovic würde. Kovač beklagte, man habe in der Vergangenheit viele Entscheidungen getroffen, ohne dass die Parteimitglieder darüber informiert oder danach gefragt worden seien. Man müsse die Meinung der Mitglieder besser wahrnehmen und die Politiken in Absprache mit Ihnen bestimmen. Sein Team bestand aus dem Kandidaten für das Amt des ersten Stellvertreters, Ivan Penava, Bürgermeister der Stadt Vukovar, und für die Ämter der Vizevorsitzenden aus Davor Ivo Stier, Außenminister a.D, Milijan Brkić, stellv. Parteivorsitzender und HDZ-Generalsekretär a.D. und Tomislav Tolušić, Landwirtschaftsminister a.D. Anders als bei dem breit aufgestellten Team des Parteivorsitzenden handelte es sich hierbei ausschließlich um Vertreter des nationalkonservativen Flügels der HDZ.
Tag der Entscheidung – Wahlresultate
Bei den parteiinternen Wahlen am 15. März wurde erstmalig nach dem Prinzip „ein Mitglied, eine Stimme“ gewählt, mit 210.384 Wahlberechtigten insgesamt bzw. 206.976 Wahlberechtigen in Kroatien und 3.408 im Ausland. Der bisher Vorsitzende Plenković setzte sich mit 57.810 Stimmen bzw. 79 Prozent der Stimmen klar durch. Seinem Gegenkandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden, Miro Kovač, gelang es nur 15.582 Stimmen zu gewinnen. Bei dem Rennen um das Amt des ersten Stellvertreters gewann Tomo Medved, Minister für Kriegsveteranen und Mitglied des Teams „Entschlossen für Kroatien“, mit 51.211 Stimmen eindeutig gegen seinen Gegenkandidaten der „Option für Änderung“, den Bürgermeister von Vukovar, Ivan Penava, der insgesamt 21.186 Stimmen bzw. 29 Prozent erhielt. „Entschlossen für Kroatien“ war ebenfalls bei den Wahlen für die Ämter der vier Vizepräsidenten erfolgreich. Somit scheiterte die innerparteiliche Opposition auf ganzer Linie. Oleg Butkoviä, der derzeitige Minister für See, Verkehr und Infrastruktur, erhielt 44.572 Stimmen, der Bürgermeister von Osijek-Baranja, Ivan Anušić, der ebenfalls Leiter des Wahlstabs bei den letzten Präsidentschaftswahlen war, 41.609 Stimmen, Branko Bačić, HDZ-Fraktionsvorsitzender im kroatischen Parlament, 38.898 Stimmen und Zdravka Bušić, Staatssekretärin im Außenministerium, 34.265 Stimmen. Auf der anderen Seite gewann Davor Ivo Stier, Außenminister a.D., lediglich 23.427 stimmen, Milijan Brkić 19.343 Stimmen und Tomislav Tolušić 18.899 Stimmen. Von den „unabhängigen“ Kandidaten gewann Hrvoje Tomašević, 8.477 Stimmen und Ivan Kujundžić, Gesundheitsminister a.D., 7.604 Stimmen. Diese Wahlen waren in ihrem Ergebnis mehr als eindeutig und zum Teil aufgrund dieser Deutlichkeit überraschend. Besonders überraschte das schlechte Abschneiden von Milijan Brkić, der immer als Powerbroker des nationalkonservativen Flügels der HDZ galt.
Ein Blick auf das kommende Jahr
Der Parteivorsitzende und Ministerpräsident Andrej Plenković hat sich klar gegen seine innerparteilichen Gegner durchgesetzt. Wenn es auch in den Tagen und Wochen vor der Entscheidung absehbar war, dass er letztendlich gewinnen würde, so überrascht doch die Deutlichkeit des Ergebnisses. Allerdings stellt sich die Frage, ob es sich bei diesem klaren Ergebnis um eine Verschnaufpause für den Parteichef oder um einen endgültigen Sieg handelt. Zum einen ist bemerkenswert, dass die Wahlbeteiligung der HDZ-Mitglieder relativ niedrig war. Zum anderen ist nicht vorhersehbar, wie die HDZ bei den im September stattfindenden Parlamentswahlen abschneiden wird. Die Sozialdemokraten befinden sich im Aufwind und die HDZ hat mit einer eventuellen Kandidatur des Präsidentschaftskandidaten Miroslav Škoro für das Parlament mit ernsthafter Konkurrenz im eigenen politischen Lager zu rechnen.
Andererseits sind Krisenzeiten auch immer Zeiten der Exekutive. Bislang hat die Regierung von Andrej Plenković, das wird allgemein anerkannt, das Land sicher und umsichtig durch den Ausbruch der Corona-Krise geführt. Allerdings sind insbesondere die jetzt bereits absehbaren Einbußen im Tourismusgeschäft (ca. 20 Prozent des BIP) eine ernsthafte Herausforderung für das Land. Vieles wird darauf ankommen, wie die Regierung es schafft, diese Herausforderung zu meistern.