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KAS Kroatien

Veranstaltungsberichte

Kroatien und die Westbalkan-Staaten (WB6)

von Marko Prusina
Die Konrad-Adenauer-Stiftung veranstaltete zusammen mit dem Forschungsinstitut für hybride Kriegsführung am 09. Dezember 2019 in Zagreb ein Rundtischgespräch über die aktuelle politische Lage in Kroatien und den Westbalkan-Staaten. Unter Beteiligung des Assistenzminister im Ministerium für auswärtigen und europäische Angelegenheiten , Stribor Kikerec, diskutierten kroatische Politiker, Historiker und Sicherheitsexperten mit ihren Kollegen aus den Nachbarstaaten über die Erfahrungen Kroatiens in den euroatlantischen Integrationen (EU und NATO) und dessen Beziehungen zu den Ländern in der Umbegbung.

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Der Assistenzminister im Ministerium für auswärtige und europäische Angelegenheiten, Stribor Kikerec, erinnerte, dass nach der Unterzeichnung des Abkommens von Dayton Ende 1995 der Krieg in Bosnien und Herzegowina beendet und der Frieden dem Land „aufgezwungen“ wurde. Allerdings sei das Land weiterhin von einer politischen, gesellschaftlichen, nationalen und wirtschaftlichen Stabilität weit entfernt. Die Sicherheitslage ist zusätzlich wegen der Rückkehrpflicht ehemaliger Mitglieder der Terrororganisationen IS und Al-Qaida von den Kriegsschauplätzen in Syrien und Irak kompliziert.

Der Abgeordnete im Parlament der Republik Bosnien und Herzegowina, Dr. Damir Arnaut, war der Auffassung, dass Bosnien und Herzegowina ein Staat mit einem unzureichend entwickelten demokratischen System und einer schwachen Wirtschaft sei, weshalb es für die organisierte Kriminalität anfällig wäre. Gleichzeitig würde es ein leichtes Ziel für Aktivitäten (öffentlich wirtschaftliche und finanzielle, aber hinter denen sich starke politische und religiöse Ziele verbergen) arabischer Staaten, der Türkei, Russlands, Chinas, darstellen. Diese Staaten würden versuchen immer aggressiver, ihren Einfluss in diesem Gebiet auszudehnen. In diesem Zusammenhang seien auch die politischen Eliten bei keiner bedeutenden Frage in der Lage, eine Übereinstimmung zu erreichen. Auch auf der intellektuellen Szene herrsche derzeit eine ununterbrochene Auseinandersetzung nationalistischer, nationaler, bürgerlicher und „bürgerlicher“ Weltanschauungen.

Der Professor von der Universität Banja Luka, Dr. Miloš Šolaja, betonte daraufhin, dass die konstante Verlegung hochwertiger, vereinbarter, kompatibler und konstruktiver Lösungen einzelner nationaler Fragen im multiethnischen Bosnien und Herzegowina zur weiteren nationalen Feindseligkeit und einer dauerhaften – und starken – politischen und wirtschaftlichen Instabilität führe. Bei der Frage der politischen Identität von Bosnien und Herzegowina herrsche keine Einigkeit, die den Völkern in Bosnien und Herzegowina akzeptabel wäre, insbesondere bei den konstitutiven Völkern: Bosniaken, Serben, Kroaten. Im Land existiere auch kein Konsens über die Mehrheit der Fragen, auf denen die nachhaltige Zukunft eines Staates beruhen könne. Eine davon sei auch die bezüglich des Beitrittsprozesses von Bosnien und Herzegowina in die Kooperationsprogramme und die zukünftige NATO-Mitgliedschaft. Der einzige Punkt bei dem ein allgemeiner Konsens erreicht wurde, sei die Friedensfrage und die Notwendigkeit, den Frieden, bzw. die derzeitige Lage, aufrechtzuerhalten.

Der Abgeordnete im Parlament der Republik Serbien, Prof. Dr. Zoran Dragšić, unterstrich in Folge, dass die pluralistische Gesellschaft Bosnien und Herzegowinas weder eine gemeinsame Vorstellung einer politischen Einheit noch gemeinsame Werte teile. Nicht einmal im kleinsten benötigten Maße für die Aufrichtung einer konstruktiven gesellschaftlichen und politischen Vereinbarung, die Entwicklung positiver und integrativer gesellschaftlicher Beziehungen, die Bildung einer Gemeinschaft gleichberechtigter Völker und Bürger und eines lebensfähigen Staates. Letztendlich hätten auch die nachträglichen Änderungen der Bestimmungen des Dokuments des Dayton-Friedensabkommens seitens einiger Vertreter der internationalen Gemeinschaft zu einer weiteren Komplizierung der sowieso aufwändigen politischen Lage in Bosnien und Herzegowina geführt.

Der Dozent an der Universität in Mostar, Dr. Dražen Barbarić, lenkte die Aufmerksamkeit der Versammelten auf die Krise der Wahllegitimität staatlicher Institutionen in Bosnien und Herzegowina, die dauerhaft vorhanden sei. Diese würde die Weiterentwicklung des Staates verhindert, denn ohne die Legitimität des Staates könne keine politische Gemeinschaft existieren. Solch ein Staat würde zur Sicherheitsbedrohung nicht nur für die Nachbarländer, sondern auch für die EU werden. Wenn man sich allerdings wirklich eine Stabilisierung des demokratischen Prozesseses durch die Gestaltung relevanter und notwendiger Politiken und gesellschaftliche Transformationen wünsche, müsse man ernsthaft an der Änderung existierender Paradigmen arbeiten und eine wahre Rechtstaatlichkeit anordnen. Die Einrichtung einer politischen Gemeinschaft, deren Legitimität auf der Unterstützung aller drei konstitutiver Völker und aller Bürger beruhe, sei die wichtigste Voraussetzung für die Stabilisierung der demokratischen Staatsordnung.

Abschließend verwies der Abgeordnete im kroatischen Parlament, Prof. Dr. Miroslav Tuđman, auf die Rolle der EU in diesem Teil Europas. Seiner Meinung nach müsse sich die EU nicht nur in Bosnien und Herzegowina, sondern in allen Westbalkanstaaten intensiver engagieren, um deren Bevölkerungen eine Beitrittsperspektive in die Integrationsprozesse anzubieten. Diese Prozesse würden ihnen die Beruhigung politischer, ethnischer und gesellschaftlicher Spannungen und Krisen garantierten und ein Fundament für Rechtsstaatlichkeit schaffen, und damit auch zum Wirtschaftswachstum und Schutz von Menschenrechten beitragen. Falls die EU und NATO das WB6 Gebiet nicht „einnehmen“ werden, werde es jemand anderer tun (Russland, China, die Türkei, arabische Staaten). Das werde die Krisenprozesse nur verstärken und Krisenlösungen immer komplexerer und unrealisierbarer machen.

 

Die Konferenz "Kroatien und die Westbalkan-Staaten" wurde am 09. Dezember 2019 ab 10.00 Uhr auf unserer Facebook-Seite (https://www.facebook.com/kas.zagreb/) Live übertragen.

 

Mehr Informationen zur Veranstaltung finden Sie unter:

https://www.facebook.com/kas.zagreb/posts/3690561820970533

https://www.facebook.com/kas.zagreb/videos/456727341654907

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Kontakt

Holger Haibach

Holger Haibach

Leiter des Auslandsbüros Kroatien

holger.haibach@kas.de +385 1 4882-650 +385 1 4882-656

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