Länderberichte
Gründe für diese Vermutung gibt es verschiedene. Den jüngsten Hinweis auf baldige Neuwahlen lieferte der Parteikongress der regierenden „United Malays National Organisation“ (UMNO), der Ende November/Anfang Dezember in Kuala Lumpur stattfand. Viele Beobachter bewerteten die Aussagen der Parteitagsreden als Auftakt zum bevorstehenden Wahlkampf. UMNO ist die größte politische Partei Malaysias und als Gründungsmitglied der „Nationalen Front“ (Barisan Nasional – BN) seit der Unabhängigkeit des Landes ununterbrochen in der Regierung vertreten. Bei den letzten Wahlen 2008 hat die BN deutliche Einbusen bei den Wählerstimmen hinnehmen müssen und erstmals ihre Zweidrittelmehrheit verloren. Mit nur knapp über 50 % der Stimmen hatte sie fast eine Niederlage erlitten und konnte nur dank des Mehrheitswahlrechts eine komfortable Mehrheit von 63 % der Parlamentssitze erreichen. In vier von insgesamt dreizehn Bundesstaaten stellt jetzt das Oppositionsbündnis „Volksallianz“ (Pakatan Rakyat – PR) die Regierung, in einem fünften Staat konnte der Regierungswechsel durch den Übertritt einiger PR-Abgeordneter zum BN wieder rückgängig gemacht werden.
Die Umfragewerte haben sich seitdem nicht wesentlich verändert. Und wenig spricht dafür, dass bis 2013 ein klarer Stimmungswechsel zu Gunsten der BN herbeigeführt werden könnte. Statistische Schätzungen sagen voraus, dass in zwei Jahren etwa 2,5 Millionen Neuwähler zusätzlich zu den Urnen kommen werden , dass könnte je nach Wahlbeteiligung bis zu 17% der Stimmen ausmachen. Da junge Wähler erfahrungsgemäß eher für Veränderungen offen sind, können sie auch leichter von der Opposition angeworben werden. Zudem gibt die globale Finanzkrise wenig Hoffnung auf einen signifikanten Aufschwung und Anstieg des für malaysische Verhältnisse derzeit eher schwachen Wirtschaftswachstums (4,6%).
Die Regierung ist sich dieser Situation bewusst. Der UMNO-Vorsitzende und Premierminister Dato’ Sri Haj Mohd Najib bin Tun Haji Abdul Razak versucht deshalb seiner Partei und Regierung ein progressives Reformerimage zu geben. Najib wurde im April 2009 zum Premierminister gewählt, nachdem sein Vorgänger Abdullah Ahmad Badawi wegen des Wahldebakels von 2008 zunächst den Parteivorsitz, und dann auch das Amt des Regierungschefs räumen musste. Najib Razak steht vor der Herausforderung, sich bei den nächsten Wahlen vom Volk bestätigen zu lassen und somit seine Führungsposition in der Partei zu festigen.
Bereits im September 2010 kündigte der Regierungschef ein neues Reformprogramm mit dem Namen „1Malaysia“ an. Das Konzept zielt auf mehr Effizienz, Transparenz und vor allem auf mehr Gemeinsamkeit zwischen den Ethnien Malaysias . Es beinhaltet eine Reihe von Kriterien („Key Performace Indicators“ - KPI), mit denen die Effizienz und Leistung einzelner staatlicher Institutionen, Ämter und staatlicher Dienstleistungen gemessen werden sollen. Premier Najib definierte sechs vorrangige Politikbereiche (so genannte „National Key Result Areas“ – NKRA), in denen die Regierungsführung verbessert werden soll: Kriminalitätsprävention, Korruptionsbekämpfung, Verbesserung des Zugangs zur Bildung, Erhöhung des Lebensstandards für Menschen mit niedrigem Einkommen, Verbesserung der ländlichen Infrastruktur und Verbesserung des öffentlichen Transportwesens. Für die Umsetzung des KPI-Systems ist der Minister für Einheit und Leistung (Unity and Performance Minister) zuständig.
Ein wichtiges Ziel des Reformprogramms ist aber auch die Rückeroberung der verlorenen Wählerstimmen, insbesondere unter den chinesischen und indischen Minderheiten. Zwar besteht die Regierungsallianz BN aus insgesamt 14 Parteien, in der neben UMNO die chinesisch geprägte MCA (Malaysian Chinese Association) und indische MIC (Malaysian Indian Congress) die wichtigsten sind. Als weitaus größte Partei vertritt UMNO jedoch vorrangig die Interessen der malaiischen Volksgruppe, die in Malaysia knapp die Mehrheit der Bevölkerung stellt. Insofern ist die Reaktion der nichtmalaiischen Wähler auf das „1Malaysia“ Konzept bislang eher zurückhaltend: Es überwiegt die Meinung, dass die Regierung weiterhin die Volksgruppe der Malaien bevorzugen wird und dass das Programm lediglich eine aufwändige Werbekampagne sei.
Auf der anderen Seite haben die Reformankündigungen Najibs zu einer kritischen Reaktion nationalkonservativer Kräfte in seiner eigenen Partei geführt. Diese gründeten eine Vereinigung mit dem Namen „Perkasa“ (Kraft), um die im Verfassungsartikel 151 gewährten Vorrechte der malaiischen Volksgruppe zu fördern und zu verteidigen.
Im September 2011 hatte Premierminister Najib Razak in einer Fernsehansprache angekündigt, den sog. Internal Security Act (ISA) von 1960 außer Kraft setzen zu wollen. Das kontroverse Sicherheitsgesetz war ursprünglich darauf ausgelegt, kommunistische Aufständische präventiv und ohne juristische Verzögerungen aus dem Verkehr zu ziehen. Mit der Zeit wurde das Regelwerk aber zunehmend gegen Oppositionelle und Regierungskritiker eingesetzt. Najib stellte in seiner Rede ebenfalls in Aussicht, die Bestimmungen für die Versammlungsfreiheit und das Zulassungssystem für die Presse zu liberalisieren. Wann die angekündigte Aufhebung des ISA in Kraft treten soll, sagte Najib nicht. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass dies nicht vor den Wahlen geschehen wird.
Als Vorbereitung für die angekündigten Sicherheitsreformen sollte der im November vom Abgeordnetenhaus des Parlaments verabschiedeten Gesetzesentwurfs zur Ausübung des Rechts auf Versammlung („Peacefull Assembly Bill“) dienen. Was von der Regierung als eine Anpassung an internationale Normen dargestellt und als ein Entgegenkommen an die Forderungen der Bevölkerung in Bezug auf mehr Transparenz und Rechtsstaatlichkeit gemeint war, ist jedoch von der Opposition und Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert und als ein Rückschritt gegenüber dem Status quo gebrandmarkt worden. Bemängelt wird vor allem der explizite Verbot von Straßenprotesten und die weitreichenden Vollmachten der Polizei bei der Bestimmung des Orts, der Zeit, des Datums und des Ablaufs der Versammlungen.
Prinzipiell sind die Reformbestrebungen von Premier Najib Razak als positiv zu bewerten. Die Vorhaben müssen aber auch konsequent umgesetzt werden. Hierfür braucht Najib ein klares Mandat vom Volk, um sich einerseits gegen den Widerstand in den eigenen Reihen besser durchsetzen zu können, und anderseits die Akzeptanz für die Veränderungen in der Gesellschaft zu erhöhen. In seiner Eröffnungsrede zum UMNO-Kongress schwor er seine Partei auf die bevorstehenden Herausforderungen ein. Er mahnte die Parteimitglieder an, den Wandel der Zeit und die verändertem Spielregeln zu erkennen und sich entsprechend anzupassen. Die UMNO müsse sich neuen Wählerschaften öffnen und in den neuen Medien stärker präsent sein. Gerade junge Wähler, die für einen Wahlsieg wichtig sind, könnten nur über diese neuen Medien erreicht werden. Er rief zur Geschlossenheit und zur Loyalität gegenüber der Partei auf. Ein wichtiges Problem für UNMO ist die „Wählbarkeit“ ihrer Kandidaten. Parteichef Najib Razak und sein Stellvertreter Muhyiddin Yassin haben klargestellt, dass bei der Aufstellung der Wahllisten etliche altgediente Parteimitglieder ihren Platz neuen, jüngeren Kandidaten werden überlasen müssen. Dies wird für eine Partei, die seit fünfzig Jahren unangefochten regiert, kein leichter Prozess sein.
Aber auch die Opposition ist nicht unbedingt in einem besseren Zustand. Das Dreierbündnis aus der „Peoples Justice Party“ (Parti Keadilan Rakyat – PKR), der chinesisch geprägten Democratic Action Parti (DAP) und der islamistischen Pan-Malaysian Islamic Party (Parti Islam Se-Malaysia – PAS) ist nicht von Problemen wie Rivalitäten, internen Machtkämpfen und einem Mangel an „wählbaren“ Kandidaten verschont. Auch sie müssen sich vor den Wahlen mit Fragen nach internen Reformen, der Öffnung für neue Wählergruppen und mehr programmatischer Kohärenz auseinandersetzen. In den von der Pakatan Rakyat regierten vier Bundesstaaten sind bislang keine durchbrechenden Veränderungen erkennbar geworden, die als überzeugendes Argument für eine Regierungsqualifikation auf nationaler Ebene dienen könnten. Dem populärsten Oppositionspolitiker, dem PKR-Vorsitzenden Anwar Ibrahim, droht im Falle einer Verurteilung im laufenden Gerichtsverfahren wegen angeblicher homosexueller Belästigung erneut das politische Aus . Die Urteilsverkündung wird für Anfang Januar 2012 erwartet.
Die treibende Kraft bei der Einforderung von Reformen und Veränderungen in Malaysia ist die äußerst aktive Zivilgesellschaft mit ihren zahlreichen Nichtregierungsorganisationen.
Trotz der relativen Schwäche des Regierungsbündnisses ist ein Wahlsieg der Opposition bei weitem nicht sicher. Wann auch immer die Wahlen stattfinden, sie werden spannend und für die Zukunft Malaysias von großer Bedeutung sein.
Neuer König gewählt
Am 14. Dezember 2011 legte der neue König von Malaysia (Yang di-Pertuan Agong), Sultan Abdul Halim Muadzam Shah, sein Amtseid ab. Er wurde im Oktober auf der Konferenz der Fürsten von den neun erblichen Herrschern (Sultanen) für fünf Jahre gewählt. Die rotierende Regentschaft in Malaysia ist eine weltweite Besonderheit. Sultan Abdul Halim Muadzam Shah aus dem Bundesstaat Kedah ist der erste König in der Geschichte Malaysias, der eine zweite Amtszeit absolviert. Er war bereits zwischen 1970 und 1975 König. Der Yang di-Pertuan Agong hat vor allem repräsentative Aufgaben. Er ist Oberbefehlshaber der Armee und Bewahrer der nationalen Traditionen. In den vier Bundesstaaten, die keine Erbmonarchien sind, (und in seinem eigenen Bundesstaat) ist der König oberster Vertreter des Islam.