Länderberichte
Algerien wählt die Kontinuität
Nach der Bestätigung der Ergebnisse durch den Verfassungsrat steht der Wahlausgang fest. Mit 90,23% der abgegebenen Stimmen geht Amtsinhaber Abdelaziz Bouteflika als überragender Sieger aus dem Urnengang hervor und steht nun vor einer dritten Amtszeit als Staatspräsident Algeriens. Die Trotzkistin Louisa Hanoune erreichte mit 4,50% den 2. Platz, gefolgt von Moussa Touati mit 2,04%. Die drei weiteren Kandidaten teilen sich den Rest der Stimmen.
Mit einer hohen offiziellen Wahlbeteiligung von 74,56% ist auch das selbstgewählte Kriterium Bouteflikas einer überzeugenden Stimmenzahl scheinbar erfüllt. Wahlbeobachter von Afrikanischer Union (AU) und Arabischer Liga attestierten einen fairen und transparenten Ablauf.
Algerien hat die Kontinuität gewählt, auch und vor allem mangels anderer Alternativen. Die anderen fünf Kandidaten, denen nie Chancen eingeräumt wurden, und die gegenüber Staatspräsident Bouteflika als politische Leichtgewichte zu bezeichnen sind, gaben dem Urnengang lediglich den Anschein eines Wettkampfes. Mit einer riesigen Allianz hinter dem Amtsinhaber – von den Parteien der Regierungskoalition über Unternehmer bis zu Gewerkschaften – bestand am Wahlausgang denn auch nie ein geringster Zweifel.
Der Verfassungsrat – der alle Einsprüche gegen das Ergebnis zurückwies – bestätigte am 14.April die Zahlen. Inwieweit vor allem die hohe Wahlbeteiligung der Realität entspricht, bleibt fraglich, ist aber letztlich auch nicht nachprüfbar. In den Großstädten und der rebellischen Kabylei war das Desinteresse jedenfalls sichtbar. Die beiden historischen, von der kabylischen Minderheit geprägten Oppositionsparteien RCD und FFS haben sich an der Präsidentschaftswahl nicht beteiligt.
Bouteflika, und was kommt dann?
Die dritte Amtszeit Bouteflikas ist ein Zeichen der Kontinuität, aber leider auch der politischen Stagnation. Mit Blick auf die in Algerien – vor allem unter jungen Menschen – vorherrschende politische Apathie und Enttäuschung dürfen weder der Sieg Bouteflikas noch die hohe Wahlbeteiligung darüber hinwegtäuschen, dass die Frage nach der politischen Zukunft des Landes offen bleibt: was passiert, wenn mit Bouteflika der letzte prominente Vertreter der alten Garde der Befreiungskämpfer abtritt? Wohin wird sich Algerien dann entwickeln?
Ein beunruhigendes Bild für die Zukunft zeigte deshalb der Wahlkampf 2009. Kein ernsthafter Gegenkandidat trat gegen Bouteflika an, keiner konnte Profil gewinnen. Inhaltliche Debatten über Zukunft des Landes fehlen. Unter den potentiellen Nachfolgekandidaten, häufig genannt wird beispielsweise der aktuelle Regierungschef Ahmed Ouyahia, sticht zudem keiner wirklich heraus und vor allem verfügt keiner mehr über die historische Legitimität Bouteflikas. Diese historische Legitimität des Staatspräsidenten ist aber bisher auch der Kitt des aktuellen politischen Systems Algeriens. Noch immer stellen der blutige Befreiungskampf gegen Frankreich und die „nationale Unabhängigkeit“ als höchster Wert einen entscheidenden Referenzpunkt algerischer Politik dar. Deshalb wird es künftig darauf ankommen, die Politik in Algerien aus der Umklammerung durch die Vergangenheit zu befreien. Es geht darum, die gelungene Stabilisierung nach den blutigen neunziger Jahren dauerhaft in einem modernen, weltoffenen Staat zu verankern und dem Land Perspektiven zu geben. Dies wird nicht einfach sein. Algerien braucht daher ein politisches System und vor allem eine politische Kultur, die politische Legitimität auch nach dem Abtreten Bouteflikas schaffen kann. Ansonsten bliebe nur das Militär, oder das Chaos.