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Länderberichte

Kanada droht im Wahljahr ein Handelskrieg mit den USA!

Die EU und Kanada sollten stärker gemeinsam antworten.

Die von US-Präsident Trump angedrohten Strafzölle gegen Kanada und Mexiko sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Verlierer wird es auf beiden Seiten geben – nicht nur in den USA und Kanada, sondern auch in Europa. Die Vorbereitungen Kanadas und der EU für wirksame Gegenmaßnahmen laufen bereits an. Wie schon 2018 konzentriert sich die EU erneut auf den Warenhandel mit den USA. Das CETA-Abkommen könnte für beide Partner ein geeigneter und gemeinsamer Schutzschild sein. Der angelaufene Wahlkampf in Kanada wird dadurch unerwartet in eine neue Richtung gedrängt.

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Von der Androhung bis zur Umsetzung von Strafzöllen gegen Kanada

Bis zur letzten Minute hat US-Präsident Donald J. Trump seinen engsten Nachbarn und Verbündeten Kanada sowie den noch amtierenden Premierminister Justin Trudeau hingehalten. Die mehrfach in die USA entsandten kanadischen Minister kehrten zunächst ergebnislos zurück. Wieder einmal schienen die Tage der Regierung Trudeau gezählt. Die Androhung von 25 Prozent Strafzöllen auf kanadische Warenexporte in die USA löste auf kanadischer Seite nicht nur auf Regierungsebene Empörung aus. Eine Liste mit zahlreichen Gegenmaßnahmen Kanadas in einer Größenordnung von zeitlich gestaffelt 125 Milliarden Dollar auf US-amerikanische Importe, vorwiegend im Lebensmittelbereich, wurde vorgelegt und für den Fall der Inkraftsetzung der Zölle durch die US-Regierung bereits als zeitversetztes Paket beschlossen.

Womöglich härter wirkten Kürzungen der Energieexporte Kanadas in die USA. Beide Länder sind industriell stark miteinander verflochten. Gerade in der Automobil-, Zulieferer- oder Bergbauindustrie gefährdet der drohende Handelskrieg die jeweilige Produktivität erheblich. Das von der Trump-Administration gegen Kanada angeführte Handelsbilanzdefizit zu Lasten der USA ist laut den vorgelegten Berechnungen des kanadischen Finanzministeriums deutlich geringer als behauptet und beruht maßgeblich auf den Energieexporten Kanadas in die USA. Die US-amerikanische Wirtschaft profitiert jedoch erheblich von günstiger Energie und Rohstoffen. Die von Kanada geplanten Gegenreaktionen im Energiesektor führten unweigerlich zu steigenden Preisen für Waren und Energie in den USA für Verbraucher und Industrie. Alle Hoffnungen Kanadas ruhen nun auf den noch verbleibenden Wochen Verschnaufpause, um die USA davon zu überzeugen, dass dieser Weg in die wirtschaftliche Sackgasse führt.
 

CETA-Abkommen nutzen

Ein Ankurbeln des zuletzt ins Stocken geratenen Warenhandels mit der EU könnte womöglich manche Einbrüche des Bruttoinlandsprodukts in Kanada kompensieren. Eine darauf abzielende Strategie ist noch nicht erkennbar. Womöglich befindet sich Kanada auch deshalb in einer deutlich schwächeren Verhandlungsposition. Die starke Abhängigkeit Kanadas von den USA mit einem geschätzten Waren- und Energiehandel von rund 75 Prozent einseitig in Richtung USA legt zumindest nahe, die Verbündeten und westlichen Partner stärker in den Blick zu nehmen. Was künftig in der nordatlantischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik noch dringlicher als je zuvor ist, sollte für Zeiten eines Handelskrieges allemal gelten.

Der Trump-Regierung geht es am Ende womöglich weniger um den wirtschaftlichen Kollateralschaden gegen Kanada, sondern in erster Linie um die Lösung zweier durchaus ernst zu nehmender Handlungsfelder, die beide Länder nicht innerhalb von vier Wochen werden lösen können. Vielleicht war das auch der Grund für eine Verschiebung der Strafzölle gegen Kanada um einen Monat.

Mit allem Nachdruck erwartet die USA nämlich von Kanada ein effektiveres Grenzregime, um illegale Zuwanderung in die USA einzudämmen. Fakt ist jedoch, dass bereits jetzt in den USA einige Millionen Menschen ohne geklärten Aufenthaltsstatus leben und arbeiten. Kanada fürchtet viel mehr, dass eine Gegenbewegung die ohnehin drängende Zuwanderungsproblematik nach Kanada weiter verschärfen könnte. Dennoch verweist die Regierung Trudeau auf die geplante personelle Verstärkung des Grenzschutzes und die Beschaffung weiterer technischer Unterstützungsmittel wie z.B. den Einsatz von neuen Hubschraubern zur besseren Grenzüberwachung. Es sollen im Übrigen, wie vielfach missverstanden, nicht 10.000 neue Grenzschützer eingesetzt werden, sondern die ohnehin Ende letzten Jahres beschlossene Anhebung um weitere etwa 2.500 auf insgesamt 10.000 Grenzbeamte.

Zum anderen will die USA den Drogenkartellen in Kanada und Mexiko den Kampf ansagen. Der US-Amerikaner und langjährige Berater Donald Trumps, David Navarro, erklärte bereits vor wenigen Tagen in einem Interview mit POLITICO, es handele sich um einen Drogenkrieg und nicht um einen Handelskrieg. Die neue US-Administration setzt Strafzölle ein, um die weitere Einfuhr von Drogen, insbesondere Fentanyl, in die USA aus den beiden benachbarten Ländern Kanada und Mexiko zu verhindern. Zwar schwenkt die noch amtierende kanadische Regierung hier erkennbar auf den Kurs der USA ein. Fakt aber ist, dass der Anteil des Drogenhandels aus Kanada in die USA deutlich geringer ist als umgekehrt. Die USA müssten dieses Problem also zunächst selbst besser in den Griff bekommen.

Kanada kämpft bereits seit einigen Jahren mit beiden Problemen, hat sie aber unter Umständen durch eine zu liberale Zuwanderungs- und Drogenpolitik zu einem Großteil selbst verursacht. Auch hier weisen die politischen Entscheidungen der letzten Monate darauf hin, dass die Zuwanderung in den nächsten Jahren deutlich gegenüber den bisherigen Planungen begrenzt werden soll.

Zwei wesentliche Fragen der Bevölkerung stehen im Wahljahr 2025 in Kanada unweigerlich im Raum: Erstens, ist die liberale Drogenpolitik in Kanada gescheitert? Ein Blick in die Großstädte Kanadas und die hohe Zahl der Obdachlosen, meist auch Drogenabhängigen, spricht für diese These des Scheiterns der teilweisen Freigabe selbst harter Drogen. Fentanyl, eigentlich verwendet im Bereich der Anästhesie, fordert inzwischen eine drastisch steigende Zahl an Todesopfern auf Seiten der USA und Kanadas.

Die Opposition der Konservativen mit Pierre Poilievre an der Spitze fordert eine radikale Kehrtwende und will mit drastischen Bestrafungen des Besitzes und vor allem des Handels mit harten Drogen einen strikten Kurs einschlagen, der notwendig erscheint.

Zweitens, hat die großzügige Einwanderungspolitik Kanadas maßgeblich in den letzten drei Jahren die Grenze der Akzeptanz und Belastbarkeit der Provinzen und des gesamten Landes erreicht und sollte Kanada sich womöglich wieder stärker auf die qualitative Fachkräftezuwanderung konzentrieren? Die Regierung Trudeau hatte bei einer Gesamtbevölkerung von rund 40 Millionen Kanadiern bereits nach der Neuwahl 2021 beschlossen, jährlich 400.000 bis 500.000 Menschen neben der humanitären Aufnahme von rund 50.000 Kriegsflüchtlingen die Zuwanderung nach Kanada zu gestatten, mit der Aussicht darauf, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erhalten. Die inzwischen auf 6-7 Prozent gestiegene Arbeitslosigkeit oder der Mangel an Hausärzten und medizinischer Grundversorgung oder aber die akute Wohnungsnot haben bereits im letzten Jahr zu einem Umdenken der Regierung geführt, aber womöglich zu spät. Durch die Drohungen der USA dürfte der Handlungsdruck in Kanada nochmals verschärft werden. Die Zahlen von in den USA ohne geklärten Aufenthaltstitel lebenden Menschen, die in Richtung Kanada drängen könnten, schwanken zwischen rund 1 Mio. bis zu über 10 Millionen. Die kanadische Politik steht hier vor einer der größten Herausforderungen.

 

Trump bewirkt im Wahlkampf Kanadas das Gegenteil, damit schadet er den Konservativen

Kanada steht im Wahljahr vor einer Richtungsentscheidung. Die Gelassenheit und weltoffene Toleranz Kanadas in der Frage der Zuwanderung scheint einer steigenden Sorge in der Bevölkerung zu weichen, dass die zunehmend erkennbaren Konflikte nicht mehr beherrschbar bleiben, sogar teilweise mit Blick auf die Wohnungspreise entgleiten und so das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des kanadischen Staates an seine Grenze kommt.

Zugleich bestärken die Drohungen Donald Trumps in Richtung Kanada den Zusammenhalt in Kanada und könnten dem anstehenden Wahlkampf eine neue Wendung geben. Besonders die Konservative Partei, die in Umfragen bisher weit vorne war und auch noch ist, kann sich der Solidarität des Team-Kanada nicht entgegenstellen. Deren Themen wie „Axe the tax“ rücken erstaunlich in den Hintergrund. Wenn das Parlament aus der Phase der Prorogation zurückkehrt, wird spannend zu beobachten sein, ob die bisher die Minderheitsregierung Trudeau tolerierende oder manchmal auch rettende NDP um Parteichef Singh tatsächlich dem voraussichtlichen Kandidaten für das Amt des neuen Premierministers das Misstrauen ausspricht, zumal Justin Trudeau als Zielscheibe mancher Angriffe entfällt.

Irritierend bleibt unabhängig davon, dass sich das kanadische Parlament inmitten einer ernsten Krise des Landes mit dem wichtigsten Handelspartner USA immer noch in der sogenannten Prorogation, quasi einer Zwangspause, befindet. Die Sorge der Liberalen vor einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen den potenziellen Nachfolger Mark Carney scheint so groß, dass sie erst am 9. März entscheiden, wer für die Liberalen die Nachfolge Trudeaus antreten wird. Und ob dieser den Moment des Aufbruchs und des Endes der Ära Trudeau für sich nutzt und Neuwahlen unmittelbar innerhalb von sechs Wochen ansetzt, ist bisher Spekulation. Der Wahlkampf nimmt gefühlt eine neue Wendung.
 

Zeitenwende in Kanadas Außen- und Verteidigungspolitik

Diese Turbulenzen des kanadischen Wahljahres dürfen aber den Blick nicht auf die außenpolitischen Herausforderungen verstellen. Der US-amerikanische Präsident fordert von den NATO-Verbündeten eine Anhebung der Verteidigungsanstrengungen auf 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Kanada erreicht mit derzeit rund 1,4 Prozent die vereinbarte Zielmarke von 2 Prozent nicht und steht hier vor einer weiteren Herausforderung. Die zunehmenden Spannungen mit Russland und China in der Arktis fordern Nordamerika und die nordischen Staaten Europas schneller als erwartet heraus. Auch hier sind die Drohungen Donald Trumps in Richtung Grönlands und damit gegen den NATO-Verbündeten Dänemark ein weiterer Hinweis darauf, dass die USA von Kanada und den europäischen Verbündeten mehr Engagement bei der Zurückdrängung russischer und chinesischer Interessen mit Blick auf die Arktis einfordern. Die USA werden ausweislich der jüngsten Äußerungen des US-Vizepräsidenten Vance auf der Münchener Sicherheitskonferenz vorsichtig ausgedrückt mehr Eigenverantwortung der Europäer erfordern.

Aber auch hier ergäbe sich die Perspektive eines engeren Schulterschlusses innerhalb der NATO zwischen Kanada und den nordischen Ländern in der NATO. Im Dezember 2024 hat Kanada eine neue Arktis-Strategie einschließlich des Dual-Use-Ausbaus der dortigen Infrastruktur vorgelegt. Die eingeplanten Investitionen von 1,5 Milliarden Dollar stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was benötigt wird, um sowohl die bisher fehlende Tiefwasser-Hafen-Infrastruktur, die notwendige Eisbrecher-Ausrüstung oder die Pipeline-Infrastruktur bis 2035 zu beschaffen oder zu bauen. Diese geplanten Investitionen fehlen wiederum im Gesamthaushalt Kanadas an anderer Stelle. Auf diese zweischneidige Forderung der USA an Kanada wies zuletzt der amtierende kanadische Verteidigungsminister Bill Blair sehr nachdrücklich in Washington hin. Er drohte bereits im Gegenzug mit einem Boykott US-amerikanischer Produkte auf dem heimischen Markt.

Bedeutender aber ist, dass erste Stimmen in Kanada in Sachen Ausbau der Infrastruktur der Arktis sowohl unter wirtschaftlichen als auch sicherheitspolitischen Aspekten für die NATO ein abgestimmtes und finanzielles Engagement aller NATO-Verbündeten erwarten. Kanada könne diese Investitionen womöglich nur mit der Hilfe anderer Länder zeitnah stemmen. Eine Abkehr von Prozent-Zielen hin zu strategischen Notwendigkeiten der jeweiligen Partner scheint geboten.
 

Die Europäische Union und Kanada?

Die fast zurückhaltende Reaktion der EU in Form eines Bedauerns der US-Drohungen in Richtung Kanada ist bemerkenswert. Gleichwohl warnt die EU zunächst deutlich vor vergleichbaren Maßnahmen gegenüber den Handelspartnern der EU, die bekanntlich inzwischen eingetreten sind. Der Eindruck mag täuschen, aber Kanada hat diese leichte Zurückhaltung der europäischen CETA-Handelspartner durchaus registriert. Die EU bereitet sich naheliegend zunächst einmal selbst mit eigenen Gegenzöllen auf einen harten Handelskonflikt mit den USA vor. Erneut dürfte der Fokus wie im Stahlkonflikt 2018 auf den Warenhandel gelegt werden. Schmerzlicher dürften die USA jedoch erneut die Überlegungen treffen, die großen digitalen Plattformen mit zusätzlichen Abgaben zu belegen. Und eine weitere Überlegung sollte hinzukommen. Kanada muss nicht Mitglied der Europäischen Union sein, um hier den wirtschaftlichen Schulterschluss eindrucksvoll auch gegenüber der Trump-Administration zu demonstrieren. Der Vorschlag des ehemaligen Bundesaußenministers Sigmar Gabriel, immerhin Vorsitzender der Atlantik-Brücke, zum Beitritt Kanadas zur EU in Anlehnung an einen zuvor veröffentlichten Beitrag im The Economist im Januar 2025, mag nicht zu Ende gedacht sein, aber die stärkere Verbindung des wohl europäischsten Landes Nordamerikas, Kanadas, mit der EU hätte ein recht großes Gegengewicht zu den derzeitigen Bestrebungen der USA unter Donald Trump.

Die USA sind der zweitgrößte Handelspartner der EU mit einem Handelsvolumen im Wert von rund 580 Milliarden Dollar noch im Jahr 2023. Mit Kanada bisher nur etwa 61 Milliarden, was nach nahezu vollständigem Abbau der Zollschranken zwischen der EU und Kanada in Zeiten von erneuten Zoll- und Handelskriegen ausgelöst durch die USA gesteigert werden könnte. Insofern hat die EU ein erhebliches Bündel an Gegenmaßnahmen, die jedoch bisher Schäden auf beiden Seiten des Atlantiks erwarten lassen. Lachender Dritter einmal mehr die stärkste Wachstumsregion der Welt, der indopazifische Raum. Bekanntlich ist Großbritannien Ende 2024 dem Freihandelsabkommen mit den Pazifikstaaten beigetreten und die US-Regierung signalisiert gerade in Fragen der angedrohten Strafzölle in Richtung eher Zurückhaltung und Wohlwollen gegenüber UK. Die nordatlantische Sicherheits- und Handelspartnerschaft darf sich hier nicht weiter spalten lassen. Dann hätte Präsident Trump sein Ziel erreicht.
 

Eine Perspektive

Womöglich ist in dieser Zeit eines erneut drohenden globalen Handelskrieges, ausgelöst durch den für Europa und Deutschland nach wie vor wichtigsten Handelspartner USA, eine Vertiefung der Handelsbeziehungen zu Kanada (und Mexiko) und eine deutliche Belebung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Handelspartner Kanada von strategischer Relevanz, um ein Gegengewicht der nicht immer nur geschlossen auftretenden Europäischen Union zu bilden. Daraus wird aller Voraussicht nach keine EU-Mitgliedschaft entstehen, aber das CETA-Abkommen wird seit 2017 deshalb nur faktisch angewandt, weil es bisher noch nicht in allen 27 Ländern der EU durch die Parlamente ratifiziert wurde. In Deutschland jedoch bereits seit Januar 2023.

Protektionismus und Zollkriege haben bisher mehr Schaden angerichtet. Es wäre wünschenswert, wenn sich diese Einsicht auf Seiten der USA durchsetzt. Die USA könnten bei genauerer Analyse so ihre wirkliche Stärke beweisen und würden dabei von ihren Verbündeten unterstützt. Die Gefahren für die freien Demokratien der westlichen Wertepartnerschaft und den internationalen Freihandel gehen von den autokratischen und diktatorischen Staaten aus. Die Partnerschaft mit Kanada ist für Europa und gleichsam für Deutschland womöglich gerade jetzt von hoher Bedeutung.

 

 

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Dr. Bernd Althusmann

Dr. Bernd Althusmann

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