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Nur jeder zehnte Bulgare (10 Prozent) glaubt an die Unabhängigkeit der Medien im eigenen Land. Der Öffentlichkeitsarbeit der Politiker stellen die Bürger ein ähnlich schlechtes Zeugnis aus – nur 11 Prozent fühlen sich gut informiert. Dies sind die Hauptergebnisse einer landesweiten repräsentativen Erhebung (1.024 Befragte).
Die Medienlage in Bulgarien wird immer kritischer bewertet – sowohl von internationalen Organisationen als auch den Bürgern des Landes. "Immer weniger Bulgaren glauben an eine wirkliche Freiheit der Medien", kommentiert Christian Spahr, Leiter des KAS-Medienprogramms Südosteuropa, die neuen Umfrage-Ergebnisse. Demnach bestreiten 67 Prozent der Bürger, dass die Medien unabhängig sind. Nur 10 Prozent glauben ausdrücklich an unabhängige Berichterstattung, weitere 24 Prozent der Bürger sind sich nicht sicher. "Die Vertrauenskrise hat einen Tiefpunkt erreicht", so Spahr. "Die Ergebnisse zeigen kaum Unterscheide zwischen verschiedenen Altersgruppen, Menschen aus Großstädten und kleineren Orten oder nach dem Bildungsstand", erklärt die geschäftsführende Gesellschafterin des Meinungsforschungsinstituts "Alpha Research", Boriana Dimitrova.
Bulgarien liegt im internationalen Ranking der Pressefreiheit aktuell nur auf Platz 109 von 180 Ländern (Reporter ohne Grenzen). "In Bulgarien gibt es keine systematische Unterdrückung von Journalisten, aber eine Schwächung der Medienfreiheit durch viele Faktoren: Monopole von Oligarchen, eine gegenseitige Abhängigkeit von Medien und Politik, die dramatische wirtschaftliche Krise der Medien sowie rechtliche Defizite und schwache Selbstregulierung", so Spahr. In einer früheren Untersuchung hatte die KAS festgestellt, dass sich jeder dritte Journalist scheut, über bestimmte Personen, Firmen oder Themen zu berichten.
Unzureichend informiert fühlen sich die Menschen nicht nur von den Medien, sondern auch von der Politik. 64 Prozent halten die Öffentlichkeitsarbeit der Politiker für schlecht oder sehr schlecht, nur 11 Prozent sind damit zufrieden. Weitere 25 Prozent haben dazu kein klares Urteil. "In einer Zeit paralleler europäischer Krisen und großen Reformbedarfs müssen Politiker stärker als sonst in professionelle Kommunikation investieren", schlussfolgert Spahr. "Expertenforen wie der Regierungssprecher-Verband SEECOM und Konferenzen des KAS-Medienprogramms Südosteuropa unterstützen den Weg zu einem transparenten Bürgerdialog." Kürzlich erschien ein neues KAS-Fachbuch für politische Kommunikation, das insbesondere die Herausforderungen für neue EU-Mitglieder und Kandidatenländer beschreibt.
Auch die Qualität der Debatten in den Medien war ein Thema der Umfrage: Eine Mehrheit der Bulgaren nimmt Diskriminierungen und Diffamierungen im öffentlichen Diskurs wahr, die sich in der Medienberichterstattung spiegeln.
Politiker stehen dabei im Fokus. 67 Prozent der Bürger nehmen in den Medien Diskriminierungen oder Beleidigungen von Politikern wahr. Dies liegt nach Ansicht der Meinungsforscher von Alpha Research nicht nur an der Qualität der Berichterstattung, sondern maßgeblich auch am Umgang der Politiker untereinander: "Beleidigungen, Aggression und Hassrede sowie ein demütigender Ton gegenüber dem politischen Gegner in Fernsehauftritten und parlamentarischen Debatten führen dazu, dass Politiker gleichzeitig Urheber und Opfer von Diskriminierung sind", erläutert Studienleiterin Boriana Dimitrova.
54 Prozent der Bulgaren erkennen Diskriminierungen und Diffamierungen nationaler und ethnischer Minderheiten in Medienberichten über das politische Geschehen. 49 Prozent sehen Fälle von Diskriminierung religiöser Minderheiten und 44 Prozent sehen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als Ziel von Diskriminierung.
Die Umfrage wurde auf dem South East Europe Media Forum (SEEMF) am 27. November 2017 in Sofia den rund 300 Konferenzbesuchern vorgestellt. SEEMF ist die größte Medienkonferenz in Südosteuropa und findet jedes Jahr in einem anderen Land der Region statt. Veranstalter sind das KAS-Medienprogramm Südosteuropa, die Südosteuropäische Medienorganisation (SEEMO) und die Zentraleuropäische Initiative (CEI).
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