Länderberichte
Insgesamt kamen die Liberal-Demokratische Partei (PLDM), die Demokratische Partei (PDM) und die Liberale Partei (PL) nach Auszählung von gut 98 Prozent der Stimmen auf etwa 45 Prozent. Damit verfügen die drei Parteien über insgesamt 55 Mandate (von insgesamt 101) im Parlament: PLDM – 24, PDM – 19, PL – 12. Das beste Einzelergebnis erzielte jedoch die Sozialistische Partei der Republik Moldau (PSRM), die eine Kündigung des erst im Juni unterzeichneten Assoziierungsabkommens mit der EU und einen Beitritt zur Zollunion zwischen Russland, Belarus und Kasachstan anstrebt. Mit knapp 20,8 Prozent der Stimmen erhält die PSRM im neuen Parlament 25 Mandate. Ein schwaches Ergebnis erzielte hingegen die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM), die mit knapp 18 Prozent (21 Mandate) nur noch die drittstärkste Fraktion im Parlament bilden wird.
Mögliche Koalitionspartner mit Differenzen
Es ist davon auszugehen, dass die PLDM, PDM und PL eine neue pro-europäische Regierungskoalition bilden werden. Der Vorsitzende der PDLM und ehemalige Premierminister Vlad Filat hat bereits angekündigt, dass Koalitionsverhandlungen mit der PDM und PL unverzüglich beginnen sollen. Zudem betonte er, dass der pro-europäische Kurs nicht verhandelbar sei. Auch der Vorsitzende der PDM, Marian Lupu, und der Vorsitzende der PL, Mihai Ghimpu, sprachen sich für eine pro-europäische Regierungsbildung aus. Dennoch gibt es zwischen den drei europäisch gesinnten Kräften erhebliche Differenzen, die sich vor allem aus unterschiedlichen Nuancierungen der geopolitischen Präferenzen speisen. Die PL gilt als panrumänische Partei, während die PDM trotz der europafreundlichen Ausrichtung die Notwendigkeit guter partnerschaftlicher Beziehungen zu Russland besonders hervorhebt.
Zudem wirbt die PL offen für einen NATO-Beitritt der Republik Moldau, während die PDM an der in der Verfassung des Landes verankerten Neutralität festhält. Darüber hinaus gab es in der Vergangenheit erhebliche Spannungen zwischen den drei Parteien – im Frühjahr 2013 stimmten PDM-Abgeordnete gemeinsam mit der PCRM-Fraktion im Rahmen eines Misstrauensvotums gegen Premierminister Filat. Zudem verließ die PL das Regierungsbündnis, das nur durch die Spaltung der PL und der Gründung einer Splitterpartei (die Reformliberale Partei, PLR), die sich an der Koalition weiterhin beteiligte, überleben konnte. Sollte es wieder zu Konflikten zwischen PLDM, PDM und PL kommen, besteht die Gefahr einer gravierenden Umschichtung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament, die zu einer Abkehr vom europäischen Kurs führen könnte.
Enttäuschte Erwartungen – geringe Wahlbeteiligung
Die Parlamentswahl verlief weitestgehend korrekt. Durch die erstmalige Verwendung eines elektronischen Wahlregisters konnte eine mehrfache Stimmabgabe ausgeschlossen werden. Einzig in Moskau schafften es etwa 3.000 moldauische Bürger aufgrund des Andrangs beim Wahllokal innerhalb der moldauischen Botschaft nicht mehr, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung war mit 55,86 Prozent deutlich geringer als bei der vorherigen Parlamentswahl (63,30 Prozent). Eine zentrale Ursache hierfür dürfte in der Enttäuschung vieler Wähler liegen, die sich von der pro-europäischen Regierung viel mehr greifbare Ergebnisse erhofft hatten.
Besonders im Bereich der Justizreform und dem Kampf gegen die Korruption hatten viele Bürger größere Fortschritte erwartet. Auch die noch immer angespannte wirtschaftliche Lage hat sich für die meisten Moldauer nicht wesentlich verbessert. Dies bedeutet nun für die PLDM, PDM und PL, in der nächsten Koalition die Herausforderung von Beginn an anzunehmen und wirkliche Erfolge in den Bereichen Sozial- und Wirtschaftspolitik, Rechtsstaatlichkeit sowie Korruptionsbekämpfung zu erzielen. Die bisherigen Erfolge, u. a. die Abschaffung der Visumspflicht für moldauische Bürger für Reisen in die EU sowie die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU im vergangenen Sommer, haben sich noch nicht auf den Alltag der meisten Moldauer ausgewirkt, sodass die Unterstützung für die europäische Integration des Landes immer noch nicht von einer breiten Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen wird.
Sozialisten profitieren von Ausschluss der Partei „Patria“
Der Erfolg der PSRM gilt als überraschend, entstand jedoch im Kontext des Ausschlusses der in Umfragen deutlich besser dastehenden Partei „Patria“, deren Spitzenkandidat Renato Usatîi sich ein Image als Philantrop und als politisch „Unbefleckter“ geschaffen hatte. Die Zentrale Wahlkommission hatte jedoch den Ausschluss der Partei „Patria“ aufgrund undeklarierter finanziellen Zuschüsse aus dem Ausland im Wert von umgerechnet etwa 440.000 Euro. Usatîi hatte nach der Bestätigung der Entscheidung durch das Appelationsgericht in Chişinău umgehend das Land in Richtung Moskau verlassen.
Experten sind sich einig, dass die Wähler, die für „Patria“ hätten stimmen wollen, für die PSRM votierten, wodurch die Sozialisten, deren Einzug ins Parlament nicht als sicher galt, zur stärksten Kraft werden konnten. Sowohl der PSRM als auch „Patria“ war finanzielle Unterstützung aus Russland nachgesagt worden. Erstere hatte Wahlplakate aufgestellt, auf denen ein Foto mit dem Parteivorsitzenden Igor Dodon und der Spitzenkandidatin Zinaida Greceanîi bei einem Gespräch mit dem russischen Präsident Vladimir Putin zu sehen war. Außerdem soll die PSRM Stimmen von der PCRM abgeworben haben, da deren schwankende geopolitische Positionierung bei vielen Stammwählern negativ aufgenommen worden sein soll. Die PCRM hatte sich beispielsweise nicht explizit für eine Abkehr vom europäischen Kurs ausgesprochen.
Enorme Herausforderungen für neue Regierung
Die pro-europäischen Kräfte stehen somit vor riesigen Herausforderungen. Neben der Notwendigkeit, die positiven Ergebnisse der Annäherung an die EU in konkrete, sichtbare Maßnahmen umzusetzen, wird ihnen im Parlament eine radikalere Opposition gegenüber stehen. Vor dem Hintergrund des Konfliktes in der Ukraine und der konfrontativen Positionierung Russlands gegenüber dem Westen dürften die Verhandlungen im Transnistrien-Konflikt weiterhin kaum produktiv werden. Zudem dürfte die Russische Föderation die unterschiedlichen Embargos gegen die Republik Moldau – das Einfuhrverbot von Wein, Obst und Gemüse – fortsetzen, worunter die Wirtschaft des Landes weiterhin sichtbar leiden wird, solange die EU die Einbußen nicht kompensiert. Abzuwarten ist auch, ob Russland infolge des Wahlergebnisses die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für die etwa 200.000 moldauischen Gastarbeiter verschärfen wird. Dies würde die Lage vieler Haushalte, die von deren Überweisungen abhängen, erschweren. Die künftige Koalition muss sich daher auf eine schwierige Regierungszeit einstellen.