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Politisches Kräftemessen in der Republik Moldau

von Sven-Joachim Irmer

Premierminister Filat kündigt Koalitionsvertrag

Die moldauische Regierungskoalition, Allianz für die Europäische Integration (AEI), die 2009 gegründet wurde, erlebt die schwerste Krise ihrer Geschichte. Die Koalition verfügt über 59 von 101 Sitzen im moldauischen Parlament.

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Die AEI ist auch früher schon durch Krisen gegangen. Verstärkt haben sich die Auseinandersetzungen in der AEI durch Machtverschiebungen innerhalb der der Demokratischen Partei (DPM). Hauptakteur und Repräsentant eines neuen Flügels in der DPM ist der umstrittene Geschäftsmann Vlad Plahotniuc. Plahotniuc gilt als "Politiker", der bereits während der kommunistischen Regierung im Hintergrund agierte. Nach dem Machtverlust der Kommunisten in der Republik Moldau wechselte er das politische Lager und wurde stellvertretender Vorsitzender der Demokratischen Partei.

Der AEI gehört auch die Liberaldemokratische Partei (PLDM) an, ihr Vorsitzender ist Premierminister Filat. Bisher hat die PLDM wahlweise mit der Liberalen Partei (LDPM) oder mit der DPM zusammengearbeitet, abhängig von der eigenen Agenda.

In dem jetzigen Konflikt geht es nun nicht mehr um die Agenda der PLDM, sondern um ein politisches Kräftemessen zwischen dem Premierminister auf der einen Seite und LDPM / DPM auf der anderen Seite.

Obwohl die Beziehungen in der Allianz nie sehr friedlich waren, ist die aktuelle Lage eine ernsthafte Belastungsprobe für die Regierung.

Was hat die aktuelle Krise ausgelöst?

Nach Meinung der meisten Analytiker ist der Koalitionsvertrag das Hauptproblem, insbesondere das Geheimprotokoll, das die Vertreter der Parteien unterschrieben haben und in dem die Hauptfunktionen in der Regierung und den rechtsstaatlichen Institutionen unter den Parteien sorgfältig aufgeteilt wurden.

Betroffen sind die Staatsanwaltschaft, die Nationale Integritätskommission und das Nationale Zentrum für Korruptionsbekämpfung. Interessant sind diese Posten für jede Partei, da diese Institutionen genutzt werden können, um die politischen Gegner zu marginalisieren. In der Vergangenheit nutzte man dies besonders gegen die Kommunistische Partei, aktuell scheint es so, als ob sich die Koalitionsmitglieder untereinander über die Institutionen angreifen.

Ein anderer Grund für den jetzigen Konflikt war der Wille des Premierministers, das Ministerkabinett zu disziplinieren. Filat erklärte, dass „heutzutage in der politischen Arena eine Konfrontation zwischen der legalen und illegalen Macht geschieht, die sowohl die Kontrolle von staatlichen Institutionen als auch von riesigen Medien-Einrichtungen (so genannte „Berlusconisierung) übernommen habe“. Die illegale Macht wird laut Filat von Vlad Plahotniuc angeführt.

Zu einer weiteren Eskalation kam es durch einen Jagdunfall am 23. Dezember, bei dem eine Person getötet wurde. Brisant daran ist die Liste der Teilnehmer: Generalstaatsanwalt, verschiedene Richter, hochrangige Beamten sowie Geschäftsmänner.

Besonders der Umstand, dass Politiker der DPM versuchten den Unfall und den Teilnehmerkreis zu verheimlichen, veranlasst den Premierminister zu einer erneuten scharfen öffentlichen Verurteilung der DPM. Die anderen Parteien sahen in dem Ereignis eher eine Lappalie, die vom Premierminister völlig überzogen dargestellt wurde.

In letzter Konsequenz trat der Generalstaatsanwalt zurück. Damit geriet die abgesprochene Machtverteilung in der AEI ins Wanken.

Die Antwort der von der DPM dominierten Justiz folgte alsbald. Eine Reihe führender Mitglieder der LDPM, inklusive amtierender Minister, sind Ziele der strafrechtlichen Ermittlungen geworden, die vom Zentrum für die Korruptionsbekämpfung und von der Staatsanwaltschaft geführt werden. Beide Institutionen stehen der DPM nahe oder werden von Personen geleitet die enge persönlich Beziehung zu Plahotniuc unterhalten.

Die politische Reaktion folgte ebenso umgehend. Die PLDM stimmte gemeinsam mit der Kommunistischen Partei für die Auflösung der Funktion des ersten stellvertretenden Sprechers des Parlamentes (Vlad Plahoniuc). Die Position des Vize-Präsidenten des Parlaments sei in der Verfassung nicht vorgesehen, so Filat in seiner Begründung.

In der Zwischenzeit wurde überraschend der Leiter des Steueramtes und andere Beamten, die der PLDM zugerechnet werden, wegen Einflussnahme und Lobbyismus verhaftet. Gleichzeitig wurden Durchsuchungen in den Büros des Regierungsgebäudes vorgenommen.

PLDM hält eine Neuauflage der AEI für möglich

Die PLDM hat angekündigt, sie habe bereits eine Neuversion des „AEI-Abkommens“ erarbeitet und möchte diese alsbald den Partnern zwecks Wiederherstellung der Allianz vorstellen. Die Partner klagen jedoch weiterhin öffentlich über den Egoismus, die Verantwortungslosigkeit und den übermäßigen Führungsanspruch der PLDM. Die DPM und LP haben ihre Minister aus dem Kabinett Filat noch nicht zurückgezogen. Gespräche sollen in den kommenden Tagen folgen.

Hauptkritikpunkte der DPM und LP an Premier Filat sind die Zusammensetzung des Regierungskabinetts und „seine Diplomatie“. Sie beschuldigen ihn, die Hoffnungen der Bürger enttäuscht zu haben, indem er die „Illusion“ kultiviert hat, dass die Republik Moldau im Rahmen des Gipfels von Vilnius zur Östlichen Partnerschaft das Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen könnte, während technisch lediglich dessen Paraphierung möglich wäre.

Präsident Nicolae Timofti hat in seinem Mediationsversuch zugesichert, dass sich die drei untereinander zerstrittenen Parteien der AEI bald an einen Tisch setzen werden, um eine neue Formel für die politische Kohabitation zu finden.

Die Mehrheit der Beobachter, ungeachtet der politischen Zugehörigkeit, behauptet, dass es keine Alternative für die AEI in der Moldau gebe. Die „Gefahr“, dass die Kommunistische Partei zurück an die Macht kommt und damit die Entwicklung des Landes und der EU-Integrationsprozess zum erliegen kommen, wolle keine der regierenden Parteien der AEI.

Andererseits müßten PLDM, DPM und die LP sich zügig auf einen neuen Koalitionsvertrag verständigen – mit einer vernünftigen Lösung, die alle Seiten zufrieden stellt und damit auch das Regieren bis zum Ende der Amtszeit 2014 ermöglicht.

Eine andere Variante sehen Analysten in einer Minderheitsregierung der PLDM. Diese gilt als sehr riskant und kann vorgezogene Wahlen nach sich ziehen. Laut den letzten Umfragen würden die bisherigen Regierungsparteien starke Verluste hinnehmen müssen. Einziger Profiteuer wäre die Kommunistische Partei.

Wie es weiter geht, ist zur Zeit schlecht abzuschätzen. Ein endgültiger Bruch der Koalition wäre aber ein dramatischer Rückschlag bei der Annäherung an die EU. Gleichzeitig würde ein Bruch der AEI auch bedeuten, dass die Gespräche zur Lösung des immer noch bestehenden Transnistrienkonflikts bis auf Weiteres zum erliegen kommen. Die 5+2-Gespräche vom 19. bis 20. Februar zur Lösung des Konflikts werden bereits jetzt als reine Pflichtveranstaltung ohne wesentliche Fortschritte bewertet.

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