Deutsch-Mongolische Beziehungen
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, am 31. Januar 1974, vereinbarten Bonn und Ulaanbaatar die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen. Schon 24 Jahre zuvor, am 13. April 1950, nahm die DDR offizielle Beziehungen mit dem asiatischen Binnenland auf. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass die besonders tiefe und ausgeprägte Partnerschaft und Freundschaft zwischen der DDR und der Mongolei die Beziehungenbis heute sehr positiv prägt. Obwohl es spätesten seit 1921 Handelsbeziehungen zwischen beiden Ländern gegeben hat und bereits 1926 die ersten mongolischen Studierende nach Deutschland kamen, waren dies die ersten diplomatischen Beziehungen zwischen der Mongolei und einem deutschen Staat.
Bis zur Wiedervereinigung wurden etwa 20.000 Mongolinnen und Mongolen in der DDR an Hoch-, Fach- und Berufsschulen ausgebildet.[1] Bis heute ist das Interesse an Deutschland in der Mongolei ungebrochen, auch wenn Länder wie China, Russland, Südkorea, Japan und USA wesentlich wichtiger für die mongolische Wirtschaft und Gesellschaft sind. Pro Jahr legen ca. 5.000 Mongolinnen und Mongolen eine Sprachprüfung beim Goethe-Institut ab. Es ist davon auszugehen, dass das Fachkräfteeinwanderungsgesetz das Interesse weiter stärken wird. Die Bilanz würde damit deutlich positiver ausfallen als nach dem bis heute weitgehend folgenlosen gemeinsamen Rohstoffabkommen von 2011. Vor diesem Hintergrund wird auch der Besuch des deutschen Bundespräsidenten in der Mongolei als eine Chance zu einer weiteren Intensivierung und Vertiefung der Partnerschaft und Freundschaft gewertet.
Mongolei im Fokus der Welt- und Regionalmächte
Die Anzahl hochrangiger Besuche in der Mongolei hat insbesondere nach dem Beginn des Ukrainekrieges erheblich zugenommen. Die internationale Aufmerksamkeit, die dem 3,5 Millionen Einwohner starken Binnenland zugutekommt, ist angesichts seiner Bevölkerungsgröße bemerkenswert. Sie ist das Ergebnis mehrerer Faktoren. Zum einen ist es das Bestreben westlich gesinnter Länder die zwischen den beiden weltweit größten Autokratien eingepferchte junge Demokratie zu unterstützen. Zum anderen ist es das Interesse an dem tatsächlichen und vermuteten Rohstoffreichtum der Mongolei. Nicht zuletzt wirbt die Mongolei hiermit selbst um weltweite Aufmerksamkeit, insbesondere im Westen. Diese ist ein wesentlicher Stützpfeiler der außenpolitischen Strategie des Landes gegen den Einfluss der beiden übermächtigen Nachbarländer.
Die sogenannte Politik des Dritten Nachbarn, die sich auf alle wichtigen internationalen Organisationen und nicht direkt an die Mongolei angrenzenden Länder bezieht, ist ein wichtiger Bestandteil der mongolischen Außenpolitik. Sie bildet die letzte von insgesamt drei Säulen des mongolischen außenpolitischen Konzepts. Die ersten beiden Pfeiler sind freundschaftliche und gleichwertige Beziehungen zu den beiden Nachbarn. Die Reihenfolge ist bewusst gewählt.
Die Welt zu Gast bei Freunden
Die Mongoleibesuche westlicher Staatschefs gleichen gezielten Ruderschlägen mongolischer Außenpolitik, die dazu dienen, das Land in der Mitte des Stromes zwischen China und Russland auf der einen und dem Westen auf der anderen Seite zu halten. Insbesondere realpolitische und wirtschaftliche Aspekte treiben die Mongolei in Richtung der beiden Nachbarn, ca. 90 Prozent des mongolischen Exports gehen nach China und ca. 98 Prozent aller Erdölerzeugnisse kommen aus Russland.[2] Gleichwohl bleiben die mongolische Gesellschaft und Politik in ihren Werten und Interessen weitestgehend westlich orientiert. Trotz einiger Defizite und dem geringen Vertrauen gegenüber demokratischen Institutionen ist die Demokratie für die meisten Mongolinnen und Mongolen weiterhin mit Abstand die bevorzugte Regierungsform.[3] Die Aufmerksamkeit und die Unterstützung durch den Westen dient neben der eigenen Entwicklung auch als Signal an die beiden Nachbarn: Die Mongolei steht nicht allein.
In den vergangenen zwei Jahren gab es zahlreiche hochrangigen Besuche in der Mongolei, unter anderem von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, vom polnischen Präsidenten Duda[4] und seinem französischen Amtskollegen Macron[5], von Papst Franziskus[6], der US Under Secretary Victoria Nuland[7] sowie elf weiblichen Außenministerinnen,[8] darunter der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Sie dienten nicht zuletzt dem Zweck, die Zugehörigkeit der Mongolei zur demokratischen Staatsgemeinschaft zu unterstreichen. Der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier reiht sich in diese Reihe nahtlos ein.
Flankiert wurden diese Besuche von den Reisen mongolischer Staatsmänner ins westliche Ausland. Erwähnenswert an dieser Stelle sind die Besuche des mongolischen Premierministers Oyun-Erdene in Südkorea und in den USA. Beim letzteren ging Oyun-Erdene sogar so weit, die Vereinigten Staaten als Polarstern der mongolischen Demokratie zu bezeichnen.[9]
Stets auf Balance bedacht reisten der mongolische Staatspräsident Khurelsukh[10] und der Premierminister Oyun-Erdene in den beiden vergangenen Jahren nach China.[11] Der mongolische Parlamentspräsident Zandanshatar besuchte unterdessen Russland.[12] In diesem Jahr stehen die Gegenbesuche der beiden Staatschefs Xi Jinping[13] und Vladimir Putin im Raum. Beide waren zuletzt 2014 in der Mongolei.[14] Gerade der durch den mongolischen Präsidenten lang gewollte Besuch Putins[15] könnte die Mongolei in eine schwierige Lage bringen. Als Mitglied des Internationalen Strafgerichtshofs, das Drei-Millionen-Land stellt sogar einen der Richter, ist die Mongolei verpflichtet, den russischen Präsidenten beim Betreten des mongolischen Territoriums zu verhaften.[16] Es ist zu bezweifeln, dass die Mongolei dieser Verpflichtung nachkommen kann oder wird, zumal das zugehörige Vertragswerk keine Sanktionsmechanismen vorsieht.
Ein weiterer erwähnenswerter Besuch, der die Abhängigkeitsverhältnisse der Mongolei besonders unterstreicht, ist die Visite des Dumavorsitzenden, Vyacheslav Volodin.[17] Sie fand wenige Tage nach dem Dekret des russischen Präsidenten statt, das den Export von Benzin und Diesel außerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion untersagte. Volodin versicherte der mongolischen Seite lächelnd jedoch unverbindlich, dass das Dekret Freunde nicht betreffe, der Treibstoffmangel blieb dennoch nicht aus. Im gleichen Zug verlangte er der Mongolei die Schaffung eines gemeinsamen parlamentarischen Ausschusses ab, der durch mongolisches Recht nicht gedeckt ist.[18] Der Ausschuss soll sich um die "Harmonisierung der Gesetzgebung und der Bereitstellung legislativer Unterstützung für die Entwicklung von Handelsbeziehungen, Fragen im Zusammenhang mit Verkehr, Wirtschaft, Finanzen, Energie und humanitären Angelegenheiten“ kümmern. Bislang blieb die Ausschussarbeit ohne Ergebnisse.
Die Welt zu Gast bei Realisten
Beim Besuch von Duda ging es nicht zuletzt um die Ausweitung der Handelsbeziehungen und der Wiedereröffnung einer polnischen Botschaft.[19] Macron flankierte bei seiner Visite französische Vorhaben im Bereich der Uranförderung.[20] Bei den Treffen mit japanischen und südkoreanischen Vertretern stehen ebenfalls regelmäßig Handelsfragen auf der Agenda, aber auch Visaangelegenheiten und die Rechte mongolischer Wanderarbeiter. Allein in Südkorea arbeiten ca. 40.000 Mongolinnen und Mongolen.[21] Beim Besuch von Premierministerin Oyun-Erdene in den Vereinigten Staaten wurde das Potenzial für eine Zusammenarbeit beim Abbau von seltenen Erden und kritischen Mineralien, einschließlich Kupfer, erörtert.[22]
Nicht viel anders sieht es bei den Treffen mit der russischen und chinesischen Seite aus. Bei den Gesprächen mit den Russen stehen der Bau der Gaspipeline „Die Kraft Sibiriens 2“ und der Ausbau der transsibirischen Eisenbahnverbindung durch die Mongolei sowie die Energie- und Lebensmittelsicherheit auf der Agenda.[23] China wiederum ist der wichtigste Partner, wenn es um den Ausbau der Energieerzeugungskapazitäten wie Wasserkraftwerke oder die Erweiterung der Infrastruktur geht.[24]
Der Besuch von Frank-Walter Steinmeier ähnelt stattdessen wohl eher der Visite des Papstes. Schon kraft seines Amtes wird der Bundespräsident der mongolischen Seite keine finanzielle Unterstützung oder den Bau neuer Kraftwerke zusagen können. Es bleibt abzuwarten, ob die Mongolen ihm zumindest die symbolische Verkündung einer strategischen Partnerschaft abringen können.
Reisediplomatie als Balanceakt
Durch den Einmarsch Russlands in der Ukraine sah sich die Mongolei zu einer Neubewertung der bisherigen Sicherheitsarchitektur des Landes gezwungen, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Letztendlich hängt das Ergebnis von dem Ausgang des Ukrainekrieges und damit dem Ausmaß der westlichen Unterstützung ab. Gleichwohl fühlt sich das Land in seinem außenpolitischen Kurs bestätigt: Man sucht den Interessenausgleich und vermeidet jegliche Provokation gegenüber den beiden Nachbarn.
Der Bruch der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung und die aufziehende globale Systemrivalität zwingen die Mongolei zu realpolitischem Handeln, ohne auf das Bekenntnis zum internationalen Recht zu verzichten. Die Stimmenthaltung der Mongolei bei allen UN-Resolutionen zur Verurteilung des Ukrainekrieges muss angesichts der geopolitischen Lage des Landes als Zustimmung gewertet werden.[25] Ein klares Ja war für die Regierung in Ulaanbaatar nicht umsetzbar. Umso wichtiger ist es, dass Mongolei ihre komplexe Situation weiterhin klar an die westlichen Partner kommuniziert.
Die für 2024 im Raum stehenden Besuche des südkoreanischen Präsidenten Yoon Suk Yeol, des kasachischen Präsidenten Tokaev und der Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen werden unter einem ähnlichen Stern stehen. In Ulaanbaatar wird hinter verschlossenen Türen offener um Verständnis geworben werden können. Hinter vorgehaltener Hand gilt der Besuch als Gegenbalance zur Putin-Visite. Dies weiß man auch im Westen. Die Mongolei wird weiterhin jede Unterstützung brauchen, möchte sie nicht ab vom demokratischen Kurs ans autokratische Ufer gedrückt werden. Daher ist der Besuch des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier auch jenseits praktischer Ergebnisse richtig und wichtig.[1] Bundesarchiv, Stasi-Unterlagen-Archiv: https://www.ddr-im-blick.de/jahrgaenge/jahrgang-1981/report/probleme-beim-einsatz-mongolischer-staatsbuerger-in-der-ddr/; Stand 02-06-2024
[2] Mongolia: Trade Statistics, globalEDGE, https://globaledge.msu.edu/countries/mongolia/tradestats; Stand 02-06-2024
[3] Politbarometer 2023, Sant Maral Foundation: https://www.santmaral.org/_files/ugd/915e91_658ad78e7b8e469d828b49a2c359e494.pdf; Stand 02-06-2024
[4] Mongolia, Ulaanbaatar. Visit of President Andrzej Duda. Meetings and agreements, Polish News, 2023.04.25, https://polishnews.co.uk/mongolia-ulaanbaatar-visit-of-president-andrzej-duda-meetings-and-agreements/; Stand 02-06-2024
[5] Macron makes first French presidential visit to Mongolia, France 24, 2023.05.21, https://www.france24.com/en/asia-pacific/20230521-president-macron-makes-first-french-presidential-visit-to-mongolia; Stand 02-06-2024
[6] A 10-hour flight to meet 1,500 Catholics: The Pope visits Mongolia, CNN, 2023.09.02, https://edition.cnn.com/2023/09/02/asia/pope-francis-mongolia-trip-intl/index.html; Stand 02-06-2024
[7] US Embassy in Mongolia: Under Secretary of State for Political Affairs Nuland’s Travel to Japan and Mongolia: https://mn.usembassy.gov/pr-041923/; Stand 02-06-2024
[8] Montsame, B. BATTSETSEG: Women’s leadership brings a positive impact on all spheres of life: https://www.montsame.mn/en/read/322105; Stand 02-06-2024
[9] Remarks by Vice President Harris and Prime Minister Oyun-Erdene Luvsannamsrai of Mongolia, The White House, 2023.08.02, https://www.whitehouse.gov/briefing-room/speeches-remarks/2023/08/02/remarks-by-vice-president-harris-and-prime-minister-oyun-erdene-luvsannamsrai-of-mongolia/; Stand 02-06-2024
[10] Xi Jinping Meets with Mongolian President Ukhnaa Khurelsukh, Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China, 2023.10.19, https://www.mfa.gov.cn/eng/zxxx_662805/202310/t20231020_11164778.html; Stand 02-06-2024
[11] Xi Jinping Meets with Mongolian Prime Minister Luvsannamsrai Oyun-Erdene, Ministry of Foreign Affairs of the People’s Republic of China, 2023.06.27, http://gh.china-embassy.gov.cn/eng/zgyw/202307/t20230704_11107521.htm; Stand 02-06-2024
[12] Speaker G. Zandanshatar Departs for Russia on an Official Visit, Mongolian National News Agency, 2023.06.18, https://www.montsame.mn/en/read/321470; Stand 02-06-2024
[13] Will Xi Jinping Visit Mongolia in 2024?, The Diplomat, 2023.12.16, https://thediplomat.com/2023/12/will-xi-jinping-visit-mongolia-in-2024/; Stand 02-06-2024
[14] Mongolia’s unexpected 2014, East Asia Forum, 2015.01.07, https://eastasiaforum.org/2015/01/07/mongolias-unexpected-2014/; Stand 02-06-2024
[15] Meeting with President of Mongolia Ukhnaagiin Khurelsukh, President of Russia, 2023.10.17, http://en.kremlin.ru/events/president/transcripts/72519; Stand 02-06-2024
[16] Situation in Ukraine: ICC judges issue arrest warrants against Vladimir Vladimirovich Putin and Maria Alekseyevna Lvova-Belova, 2023.03.17, https://www.icc-cpi.int/news/situation-ukraine-icc-judges-issue-arrest-warrants-against-vladimir-vladimirovich-putin-and; Stand 02-06-2024
[17] Chairman of the State Duma V.V. Volodin Welcomed at Sukhbaatar Square, Mongolian National News Agency, 2023.09.24, https://montsame.mn/en/read/327463; Stand 02-06-2024
[18] Vyacheslav Volodin: Russia and Mongolia are reaching a new level of inter-parliamentary cooperation, The State Duma, 2023.09.24, http://duma.gov.ru/en/news/57882/; Stand 02-06-2024
[19] Republic of Poland Opens its Embassy in Mongolia, Mongolian National News Agency, 2023.04.25, https://montsame.mn/en/read/317633; Stand 02-06-2024
[20] Mongolia opens way for uranium mining with $1.7bn French deal, NikkeiAsia, 2023.10.13, https://asia.nikkei.com/Business/Materials/Mongolia-opens-way-for-uranium-mining-with-1.7bn-French-deal; Stand 02-06-2024
[21] “Welcome to Mongolia” programme announced in South Korea, News.mn, 2023.02.15, https://news.mn/en/798798/; Stand 02-06-2024
[22] Mongolia to deepen cooperation with US on rare earths, prime minister says, Reuters, 2023.08.03, https://www.reuters.com/world/mongolia-deepen-cooperation-with-us-rare-earths-pm-says-washington-visit-2023-08-03/; Stand 02-06-2024
[23] Power of Siberia-2: Construction of Mongolian part may start in early 2024, News.mn, 2023.10.31, https://news.mn/en/800020/; Stand 02-06-2024
[24] B.Choijilsuren: Loan agreement with China on Erdeneburen hydropower plant agreed, gogo Mongolia, 2023.10.11, https://mongolia.gogo.mn/r/qo0d1; Stand 02-06-2024
[25] U.N. resolution to end Ukraine war: How countries voted and who abstained, The Washington Post, 2023.02.24, https://www.washingtonpost.com/world/2023/02/24/un-ukraine-resolution-vote-countries/; Stand 02-06-2024