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Länderberichte

„When South Africa sneezes, Namibia catches a fever”

von Natalie Russmann

Die Auswirkungen der südafrikanischen Ausschreitungen auf Namibia

Nach dem Haftantritt des Ex-Präsidenten Zuma brachen am 07. Juli 2021 Ausschreitungen in Südafrika aus, die mit Plünderungen, Sachbeschädigungen und den Verlust an Menschenleben einhergingen. Insbesondere die Handelszentren Johannesburg und Durban waren schwer betroffen. Das Nachbarland Namibia haben die Ausschreitungen und Plünderungen stark belastet, da es auf südafrikanische Importe angewiesen ist. Die Grundversorgung an Lebensmitteln, medizinischen Gütern sowie Kraftstoff und Energie sind von den Lieferungen aus Südafrika abhängig. Nun besteht die Möglichkeit, dass die Güterknappheit die ohnehin schwierige Lage noch einmal deutlich verschärfen könnte. Um ähnliche Situationen in der Zukunft besser abfedern zu können, müsste Namibia damit beginnen, seine Importe zu diversifizieren und seine Wirtschaft zu einer innovativen und nachhaltigen zu entwickeln sowie die Eigenproduktion zu erhöhen. Die Covid-19 Pandemie hatte bereits vorher zu einem signifikanten Armutsanstieg im Land geführt. Eine hohe Anzahl an Todesopfern ist zu beklagen, darunter auch ranghohe Politiker und namhafte Staatsbedienstete. Dazu gehört auch der Chefunterhändler der namibischen Seite für das Versöhnungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland, Zedekia Ngavirue, sowie der Anführer des Stammes der Herero, Vekuii Rukoro, der das Abkommen stets kritisiert hatte.

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Die Ökonomische Abhängigkeit Namibias von Südafrika

Nach einem dreißig Jahre andauernden Freiheitskampf erlangte Namibia im Jahr 1990 die Unabhängigkeit von Südafrika. Damit wurde die seit 1920 andauernde Mandatsherrschaft des Nachbarlandes offiziell beendet. Heute ist Südafrika immer noch der wichtigste Handelspartner und hat einen bedeutenden Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen in Namibia.

Abgesehen davon, dass 80% aller Investitionen im Bergbau, Finanzsektor, Einzelhandel und Versicherungen aus Südafrika heraus getätigt werden[1], stammt auch weiterhin ein Großteil aller Güter daher.[2] In den vergangenen vier Jahren hat zwar die Anzahl der exportierten Güter relativ zu den importierten leicht zugenommen, jedoch ist die Grundversorgung in Namibia immer noch ausschließlich mithilfe von Produkten aus Südafrika gesichert. Dies umfasst nahezu alle essentiellen Güter, unter anderem Lebensmittel, Medizin, Kraftstoffe, Verarbeitungsgüter, elektronische Geräte, Fahrzeuge sowie Güter der Bauwirtschaft.[3]  Auch stammt über die Hälfte des genutzten Viehfutters in der namibischen Landwirtschaft aus dem Nachbarland[4].  Der Großteil dieser Güter wird hierbei auf dem Landweg über die Fernstraßen N10, N14 und N4 aus den Industriezentren Südafrikas eingeführt[5].

Neben den historisch engen Beziehungen der beiden Länder, hat unter anderem ihre Mitgliedschaft in der Südafrikanischen Zollunion (SACU) das ausgeprägten Abhängigkeits-verhältnis gefördert.[6] Südafrika ist die mit Abstand größte Volkswirtschaft in der SACU. Dies führt in Südafrika zu Ballungseffekten. Dadurch können geringe Kosten für die Produktion der Güter und deren Transporte erzielt werden, was deren Wettbewerbsfähigkeit steigert.[7] Dies hat das Land seit Jahren zu dem attraktivsten Investitionsstandort für viele Unternehmen gemacht, die innerhalb der Zollunion produzieren.[8]

Namibia als vergleichsweise kleine Volkswirtschaft mit einer geringen Marktgröße von rund 2,5 Mio. Einwohnern ist im Vergleich nicht wettbewerbsfähig.

Jedoch haben sich in den vergangenen Jahren auch in Namibia wirtschaftliche Fortschritte abgezeichnet. Aufgrund seiner guten Infrastruktur (Namibia besitzt das beste ausgebaute Straßennetz in Subsahara Afrika), eines funktionierenden Bankwesens und vor allem der politischen Stabilität, hat Namibia seit 2009 stetig an Beliebtheit bei ausländischen Investoren dazugewonnen.[9]

Profitiert hat die Gesamtbevölkerung Namibias allerdings bisher wenig von dieser Entwicklung. Die Arbeitslosenquote ist gleichbleibend hoch bei 35% im Jahr 2020.[10] Die Jugendarbeitslosigkeit liegt gar bei nahezu 50%.

Abgesehen von den engen Handelsbeziehungen zwischen den beiden Ländern, sorgt auch die Kopplung des namibischen Dollar an den südafrikanischen Rand dafür, dass die wirtschaftlichen Entwicklungen im Nachbarland starke Auswirkungen auf Namibia haben. Der Namibische Dollar (NAD) wird im Verhältnis 1:1 mit den Südafrikanischen Rand (ZAR) getauscht. Somit ist jede Abwertung oder Aufwertung des südafrikanischen Rands sofort in Namibia spürbar. Die Inflationsrate wies aufgrund der stark voneinander abhängigen Märkte und der gekoppelten Währungen der beiden Länder, eine Korrelation von 86% zwischen 2010 und 2020 auf.[11]

Die engen wirtschaftlichen und historischen Verflechtungen zwischen Namibia und Südafrika prägen auch heute noch das politische Verhältnis beider Länder. Seit dem Ende der Apartheid regiert die South West Africa People's Organization (SWAPO) in Namibia und der African National Congress (ANC) in Südafrika. Beide Parteien entstanden aus den ehemaligen Befreiungsbewegungen ihrer Länder, sind seit ihrer Ernennung weitestgehend unangefochten, müssen sich jedoch strukturell und programmatisch reformieren, um die zunehmend unzufriedene und kritische junge Wählerschaft („born-free generation“) für sich gewinnen zu können.

Die SWAPO zeichnet sich auch dadurch aus, dass einige ihrer Führungsmitglieder Teil einer „neuen Elite“ geworden sind. Diese wird in beiden Ländern oft dafür kritisiert, eine Art von Vetternwirtschaft bei der Verteilung von staatlichen Aufträgen zu betreiben und dabei Korruption zu begünstigen („Tenderpreneurship“).[12]

Trotz struktureller Gemeinsamkeiten ist das Verhältnis von SWAPO und ANC ambivalent zueinander und zumeist abhängig von dem jeweils amtierenden Präsidenten. Viele der führenden namibischen Politiker seit 1990 haben selber aktiv im Freiheitskampf gegen Südafrika mitgewirkt und halten die Aufarbeitung von südafrikanischer Seite für nicht ausreichend.

 

Die Covid-19 Lage in Namibia

Namibia zeichnete sich bis zum Mai 2021 erfreulicherweise durch niedrige Covid-19 Infektions- und Todeszahlen aus. Die Situation hatte sich zwischenzeitig jedoch mit der 3. Pandemiewelle rapide verschärft und stellte eine große Belastung für das Gesundheits-system dar. Die Krankenhäuser arbeiteten am Rande des Zusammenbruchs und konnten zeitweise keine Patienten mehr aufnehmen. Um medizinische Hilfe zu leisten, schickte die deutsche Regierung am 08. Juli 2021 das weltweit größte Transportflugzeug Antonov AN-225 mit medizinischen Versorgungsgütern nach Windhoek.[13]

Zudem gab es nicht mehr genug medizinischen Sauerstoff im Land, dieser wird überwiegend per LKW aus Südafrika angeliefert.[14] Dieses Szenario kann sich jederzeit mit erneut steigenden Infektionszahlen wiederholen, bedenkt man die großen Entfernungen in Namibia und die unterschiedlichen Standards an Gesundheitsinfrastruktur zwischen Stadt und Land.

Das Abflachen der Infektionskurve wird insbesondere dadurch behindert, dass die Impfkampagne im Land zu spät gestartet wurde und nur schleppend voranging. Die Regierung hat es lange Zeit versäumt, die Covid-Impfungen in der Bevölkerung ausreichend zu bewerben und irreführende „Falschmeldungen“, die insbesondere in den sozialen Medien kursieren, aufzuklären. Auch deshalb sind lediglich rund 8% aller Namibier einfach und 3,8% doppelt geimpft, trotz der Verfügbarkeit von Impfstoffen über mehrere Monate.[15] Mittlerweile hat die staatliche Seite auf den Ernst der Lage reagiert und, mit Unterstützung des Privatsektors, eine großangelegte Kampagne gestartet. In diesem Zusammenhang wurden mehr Impfzentren geschaffen, was zu einem leichten Anstieg der Impfquote geführt hat. Die Impfstoffreserven sind jedoch nicht ausreichend, um die Nachfrage insbesondere nach dem Impfstoff AstraZeneca zu decken. Es wird jedoch damit gerechnet, dass bald weitere Chargen der Impfstoffe Sinopharm, AstraZeneca und Johnson und Johnson im Land verfügbar sein werden.[16]

Abgesehen von der hohen Letalitätsrate, hatte die Pandemie auch weitere einschlägige Folgen für die Gesellschaft in Namibia.

Nachdem die erste infizierte Person am 13. März 2020 in das Land eingereist war, entschloss sich die Regierung am 24. März 2020 sämtliche größere Ansammlungen zu verbieten, alle nicht essenziellen Dienstleistungseinrichtungen zu schließen und den internationalen Grenzverkehr zu untersagen.[17] Dies sorgte für einen deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit im Land. So erhielten 22.977 Menschen Hilfszahlungen vom National Employment and Salary Protection Scheme, welches voraussetzte, dass die Anstellung aufgrund von Covid-19 verloren wurde.[18] Von den Zahlungen ausgeschlossen sind jedoch viele Menschen, die im informellen Sektor arbeiten. Der tatsächliche Anstieg der Arbeitslosigkeit übersteigt die offiziellen Zahlen daher deutlich, da zahlreiche Menschen und Tagelöhner durch die Schließung von Märkten ihre Existenz verloren haben.[19] Auch waren gerade Frauen hiervon betroffen, weil viele

Frauen in Namibia im Gastgewerbe beschäftigt sind. Durch die Schließung der Restaurants und Hotels schrumpfte die Industrie um 46,5% und sorgte damit für eine große Anzahl an Entlassungen. Nicht eingerechnet ist die Zahl derer, die Lohnkürzungen bis zu 50% hinnehmen mussten.

Basierend auf den beschriebenen Entwicklungen prognostizierte die World Bank im April 2021 ein gleichbleibend hohes Armutsniveau von 20.6% bis zum Ende des Jahres.[20] Die tatsächliche Armut im Land wird aufgrund der Nachwirkungen des langen Lockdowns wahrscheinlich die prognostizierten Werte deutlich übertreffen. Die Effekte davon werden einen Großteil der Bevölkerung betreffen, da bereits zum aktuellen Zeitpunkt mehr als die Hälfte der Namibier über nicht ausreichend Essen verfügen.[21]

 

Die Auswirkungen der Lieferschwierigkeiten auf Namibia

Aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit Namibias von Südafrika, bleiben die Ausschreitungen im Nachbarland nicht ohne Folgen für Namibia.

Die Lieferengpässe durch Einschränkungen in der Produktion und der Unterbrechung der Lieferketten in Südafrika machen sich bereits jetzt in Form einer steigenden Inflation in Namibia bemerkbar. Aktuell werden 70% aller Nahrungsmittel und 80% aller verkauften Güter aus dem Nachbarland importiert.[22] Somit wird ein Großteil der Konsumgüter im Land teurer werden. Diese Entwicklung wird noch weiter verstärkt werden, durch die gekoppelten Währungen der beiden Länder.

Insgesamt prognostiziert der Ökonom Mally Likulele, dass die Preise von Gütern und Dienstleistungen sich in Namibia verdoppeln könnten.[23]

Die Folgen dieser wirtschaftlichen Entwicklung werden vor allem die Ärmsten in Namibia zu tragen haben. Durch die steigenden Nahrungsmittelpreise wird sich dieser Anteil noch erhöhen und auch dafür sorgen, dass mehr Menschen unter chronischer Unterernährung leiden werden.[24]

Erschwerend kommt hinzu, dass die Ausschreitungen in Südafrika wahrscheinlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt vor Ort haben werden.

Aufgrund der wirtschaftlichen Situation in Südafrika kann mit weniger getätigten Investitionen aus dem Nachbarland gerechnet werden (Foreign Direct Investments). Da der Großteil der Investitionen aus Südafrika stammen, könnte dies zu einem Rückgang der Produktion in Namibia beitragen. Dieser Produktionsrückgang wird dann wiederum einen Wegfall von Arbeitsstellen herbeiführen,[25] mit schwerwiegenden Konsequenzen für die namibische Bevölkerung. Erhöhte Güterpreise in Kombination mit steigender Arbeitslosigkeit werden einen noch größeren Anteil der Bevölkerung in die Armut treiben.

Diese Entwicklung wird die ohnehin hohe Unzufriedenheit im Land weiter steigern.

Die großen sozialen Unterschiede im Land und die immer wieder aufflammenden Korruptionsskandale, haben in den letzten Jahren den Frust der Gesellschaft über die Regierenden im Land weiter verstärkt. Ob aufgrund der Zuspitzung der Situation nun mit Protesten und Ausschreitungen wie in Südafrika zu rechnen ist, bleibt abzuwarten. Generell sind in Namibia sowohl die in Südafrika ausgeprägte Gewaltbereitschaft als auch die Spannungen zwischen den verschiedenen Stämmen nicht im gleichen Maße vorhanden.[26] Jedoch ist es bezeichnend, dass mit großer Schärfe gegen potenzielle Aufwiegler vorgegangen wird.[27] Die Regierung scheint eine mögliche Eskalationsgefahr somit wahrzunehmen und vorbeugen zu wollen.  Abgesehen von den wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen, wird auch mit einer Verschärfung der medizinischen Situation im Land gerechnet.
Im Jahre 2019 wurden medizinische Produkte im Wert von 103 Millionen US$ nach Namibia aus Südafrika eingeführt.[28] Dies beinhaltet auch 79% des gesamten importierten medizinischen Sauerstoffs.[29] Aufgrund der logistischen Einschränkungen im Nachbarland, rechnet der Minister für Gesundheit und soziale Dienste, Kalumbi Shangula, mit einer „Gefahr für die nahtlose Versorgung Namibias mit Sauerstoff.“[30] Selbst in dem Fall, dass die logistischen Probleme überwunden werden, könnten auch steigende Infektionszahlen in Südafrika in Folge der Proteste zu einem Sauerstoffmangel führen.[31] Namibia besitzt bereits jetzt eine relativ hohe Letalitätsrate durch Covid-19, mit 22 Verstorbenen pro 1 Millionen Menschen.[32] Das Ausbleiben der Sauerstofflieferungen wird die ohnehin ernste Situation noch weiter zuspitzen.

 

Ausblick: „Local is lekker“

Mit der Covid-19 Krise und den Ausschreitungen in Südafrika ist die Fragilität und Ambivalenz der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder einmal neu verdeutlicht worden. Enge wirtschaftliche Verflechtungen zwischen Nachbarländern sind nicht ungewöhnlich und durchaus positiv hervorzuheben, im Sinne der Arbeitsteilung und Produktivitätssteigerung. Dennoch sollte das Verhältnis nicht einseitig sein und Namibia eine gewisse Grundversorgung durch eigene Produktionsstätten gewährleisten können. Dies ist in dem Abhängigkeitsverhältnis Namibias von Südafrika bisher nicht gegeben. Eine Veränderung der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation in Südafrika wird deshalb auch nach dem Überstehen dieser Krise eine Gefahr für die Volkswirtschaft darstellen. Es ist somit entscheidend für Namibia, damit zu beginnen, mehr lokal zu produzieren und die Importe zu diversifizieren.

Das African Continental Free Trade Area Agreement sieht die Schaffung eines einheitlichen Luftverkehrsmarkt in Afrika vor.[33] Dadurch wird der zollfreier Handel nicht nur in der SACU Region, sondern auf den gesamten afrikanischen Kontinent ausgeweitet. Namibia sollte diese Gelegenheit nutzen und anfangen, vermehrt aus anderen afrikanischen Staaten als

Südafrika zu importieren. Der Ausbau des Luftverkehrs in Namibia kann dazu einen positiven Beitrag leisten.

Entscheidender jedoch ist der Ausbau der lokalen Wirtschaft, um die Armut und hohe Arbeitslosigkeit in Namibia langfristig zu bekämpfen. Als kleine Volkswirtschaft kann das Land nicht die in Südafrika möglichen Ballungseffekte replizieren.[34] Jedoch kann sie die eigene Produktion erhöhen, indem sie heimische Produkte attraktiver für Konsumenten macht und aktiv dabei hilft, einen Transformationsprozess hin zu einer innovations-basierten, nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft anzuregen.
Die namibische Regierung hat dieses Ziel bereits ins Auge gefasst und in Form der „Vision 2030“ und der „4th Industrial Revolution“ konkretisiert. Der Plan beschreibt, dass Forschung, Wissenschaft, Technologie und Innovation durch einen zunehmenden Wissensaustausch innerhalb der Gesellschaft vorangetrieben werden sollen. Gleichzeitig soll die Digitalisierung gefördert werden. Die Umsetzung dieses durchaus ambitionierten Plans lässt derzeit allerdings noch viele Wünsche offen.  Hierzu gehört, dass der Aufbau von Verbindungspunkten zwischen der Forschung und Wissenschaft mit der Industrie von „Vision30“ nicht genug gefördert wird. In dem Land ist bereits eine kritische Masse an akademisch gebildeten Leuten vorhanden, die das nötige Fachwissen besitzen, um eine innovationsbasierte Wirtschaft zu realisieren. Aufgrund der hohen technischen Anforderungen innovativer Produkte, werden neue, attraktive Arbeitsstellen geschaffen werden müssen. Jedoch müssen mehr Verknüpfungen von den Universitäten und Forschungsinstituten zur Industrie hergestellt werden, um einen Wissensaustausch zwischen den einzelnen Sektoren zu ermöglichen.[35] Auch sollten zum Ausbau der lokalen Industrie firmeninterne Forschungseinrichtungen der KMUs finanziell vom Staat unterstützt werden. Daraus resultierend ist eine Spezialisierung der namibischen Wirtschaft in hochtechnologische Produkte erforderlich.

Vorteilhafte logistische Rahmenbedingungen für wirtschaftliche Entwicklung sind im Land durchaus gegeben, z.B. der internationale Hafen in Walvis Bay, der als wichtige Drehscheibe für Fracht im südlichen Afrika gilt, sowie das weit ausgebauten Straßennetzes Namibias. Eine geplante Eisenbahnstrecke vom Norden des Landes nach Sambia könnte hierzu einen weiteren Beitrag leisten.[36]

Aufgrund der hohen technischen Anforderungen innovativer Produkte, werden neue, attraktive Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Diese könnten langfristig den aktuell andauernden „Brain Drain“ verhindern.[37] Jedoch ist es nicht nur notwendig einen wirtschaftlichen Transformationsprozess anzuregen und eine Modernisierung des Bildungssystems anzustoßen. Genauso entscheidend ist es, die Grundversorgung in Namibia langfristig sicher zu stellen. Dies beinhaltet den Ausbau der lokalen Landwirtschaft, um die Anzahl an importierten Produkten zu reduzieren.

Die klimatischen Bedingungen erschweren diesen Prozess. Es fällt nicht genug Regen, um ausreichend Kulturpflanzen anzubauen und zu ernten.[38] Um die Nahrungsversorgung auszubauen sind Innovationen, etwa moderne Bewässerungsanlagen bis hin zum Ausbau von Entsalzungsanlagen erforderlich. Durch diese Veränderungen könnte nicht nur die Verfügbarkeit von bezahlbaren Lebensmitteln sichergestellt werden, sondern auch neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

Die Implementierung der beschriebenen Maßnahmen könnte somit einerseits sicherstellen, dass Namibias Wirtschaft nicht mehr im gleichen Maße von Südafrika abhängig ist. Andererseits könnten auch entscheidende Impulse gesetzt werden, um die Armut, den Hunger und die Arbeitslosigkeit im Land langfristig zu reduzieren.

Um auch weiterhin die regierungsführende Partei bleiben zu können, wird es erforderlich sein, einige der oben beschrieben, größeren staatlichen Investitionen zu realisieren und eine aktive Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dazu gehört auch eine Belebung der Privatwirtschaft durch die Schaffung von Anreizen für Unternehmertum und dem Abbau von bürokratischen Hindernissen und Ineffizienzen bei den staatlichen Akteuren und Institutionen. Strategien der sozialen Marktwirtschaft und Initiativen der Arbeitsmarktpolitik könnten hier positive soziale und ökonomische Ergebnisse herbeiführen. In dieser Hinsicht mangelt es aber auch unter den im Parlament vertretenden Oppositionsparteien an umfassenden und weitreichenden Konzepten, um den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen Namibias in der Zukunft zu begegnen.

Außerdem wird die SWAPO die Korruption im öffentlichen Sektor und bei der Verteilung von staatlichen Aufträgen aktiver bekämpfen müssen. Trotz umfassender Antikorruptions-gesetze,[39] denken laut dem „Global Corruption Barometer“ 78% der Namibier, dass die Korruption im Jahr 2020 zugenommen hat.[40] Somit scheint bisher keine genügende Implementierung der Gesetze erfolgt zu sein. Um dem entgegenzuwirken, sollte die Anti-Corruption Commission (ACC) demokratischer gestaltet werden. Das beinhaltet auch die Ernennung des Vorstandes der ACC, welche bisher durch den Staatspräsidenten erfolgt. Die Anti-Corruption Commission (ACC) gilt als schwach, personell und materiell unzureichend ausgestattet kann sie ihrer Aufgabe in der Prävention auf Aufklärung von Korruptionsfällen im Land kaum nachkommen. Aktuell entscheidet allein der Generaldirektor der ACC, ob eine Untersuchung und eine darauffolgende Anklage gerechtfertigt sind. Die Übertragung dieser Aufgabe auf eine unabhängige Kommission würde ein höheres Maß an interner Kontrolle ermöglichen und eine zufriedenstellende Anwendung der Gesetze sicherstellen und somit ein größeres Vertrauen der Bevölkerung in die Institution schaffen.[41] Ob und inwieweit die Folgen der der Ausschreitungen im Nachbarland als Weckruf fungieren werden, um diese Transformationsprozesse in Gang zu setzen, bleibt abzuwarten.

 

Der vollständige Länderbericht inkl. allen Abbildungen steht als PDF-Dokument zum Download zur Verfügung.

 

Quellen

[1] Vgl. Republic of South Africa. 2021. „Namibia (Republic of).” URL: http://www.dirco.gov.za/foreign/bilateral/nambia.html (Zugriff am 22.07.2021).

[2] Ca. 80% vgl. Erastus (2021). Erastus, Nghinomenwa. 2021. „Minister blames supermarkets for over-reliance on SA.” The Namibian URL: https://www.namibian.com.na/103527/read/Minister-blames-supermarkets-for-over-reliance-on-SA (Zugriff am 21.07.2021).

[3] Vgl. World Integrated Trade Solution (WITS). 2019. „Namibia trade statistics.“ URL: https://wits.worldbank.org/CountryProfile/en/NAM (Zugriff am 22.07.2021). Namibia selbst produziert lediglich 40% des. konsumierten Essens im Land, Vgl. World Food Programme (2021). „Namibia.“ URL: https://www.wfp.org/countries/namibia (Zugriff am 20.07.2021).

[4] Vgl. Mori, Shinichi und Watanbe, Miku. 2012, S.5. „Commodity Flow in Namibia.” IMG Inc. URL: http://imgpartners.com/image/Commodity20Flow20in20Namibia.pdf (Zugriff am 23.07.2021).

[5] 72,5% aller importierten Güter werden auf dem Landweg, 23,6% auf dem Seeweg und 3,9% per Flugzeug nach Namibia transportiert. Vgl. Namibia Statistics Agency. 2020, S.10f. “Annual Trade Statistics Bulletin.” Windhoek, Namibia.

[6] Vgl. Amukeshe, Lazarus und Erastus, Nghiinomenwa. 2021. „Namibia to feel the pinch of South Africa’s unrest.” The Namibian. URL: https://www.namibian.com.na/103459/read/Namibia-to-feel-the-pinch-of-South-Africas-unrest (Zugriff am 21.07.2021). In einer Zollunion gibt es keine Zölle zwischen den Mitgliedsländern, vgl. Zandonella (2009).

[7] Vgl. Glaeser, Edward L., ed. 2010, p.1. „Agglomeration economics.” University of Chicago Press, 2010.

[8] Vgl. McCarthy, Colin (2003, p.610). „The Southern African Customs Union in Transition.” African Affairs 102, Nr.409: S.605-630.

[9] Vgl. Kaune, Jaungura und Mbazuvara, Brian. 2020, S.1. „Note on Understanding FDI Profitability in Namibia: Reinvestment or Repatriation?” Bank of Namibia: Quartely Bulletin – June 2020

[10] Vgl. World Bank. 2021. „Unemployment, total (% of total labor force) (modeled ILO estimate) - Namibia.” URL: https://data.worldbank.org/indicator/SL.UEM.TOTL.ZS?locations=NA (Zugriff am 21.07.2021).

[11] Vgl. Berechnungen der Autorin und International Monetary Fond (IMF). 2021. „Inflation rate, average consumer prices (Annual percent change).” URL: https://www.imf.org/en/Countries/NAM#countrydata (Zugriff am 22.07.2021).

[12] Vgl. Hope, Christopher. 2018, S.203-206. „Developmentalism, dependency, and the state: industrial policy and structural transformation in Namibia since 1900.” University of Cambridge.

[13] Vgl. Leuschner, Erwin. 2021. „Medikamente aus Deutschland.” Allgemeine Zeitung. URL: https://www.az.com.na/nachrichten/medikamente-aus-deutschland2021-07-08 (Zugriff am 26.07.2021).

[14] Vgl. Granville, Samantha. 2021. „Covid in Namibia: ‘Fifteen of my relatives have died.” BBC. URL: https://www.bbc.com/news/world-africa-57748119 (Zugriff am 22.07.2021).

[15] Dieser Wert stammt vom 22. August 2021, Ministry of Health and Social Services.

[16] Vgl. Lady Pohamba. 2021.

[17] Vgl. Amesho, Josephine Ndapewoshali, Ahmadi, Attaullah, Lucero-Prisno III, Don Eliseo. 2020, S.2. "The calculated responses against COVID-19 in Namibia." The Pan African Medical Journal 37, Nr.1.

[18] Vgl. The Institute for Public Policy Research (IPPR) (2020 S.3) „Covid-19 in Namibia.” Windhoek: Hans Seidel Stiftung.

[19] 57% aller Namibier waren 2018 im informellen Sektor angestellt, vgl. Neunda. 2020.

[20] Vgl. World Bank. 2021, S.265. „Macro Poverty Outlook.” Washington, USA.

[21] Vgl. Keulder. 2021. “Covid-19 and Lived Poverty.” The Namibian.

[22] Vgl. Erastus, Nghinomenwa. 2021. „Minister blames supermarkets for over-reliance on SA.” The Namibian. URL: https://www.namibian.com.na/103527/read/Minister-blames-supermarkets-for-over-reliance-on-SA (Zugriff am 21.07.2021).

[23] Vgl. Petersen, Shelleygan.2021. „Namibia's oxygen supply threatened by SA unrest.” The Namibian. URL: https://www.namibian.com.na/103507/read/Namibias-oxygen-supply-threatened-by-SA-unrest (Zugriff am 21.07.2021).

[24] Aktuell liegt der Anteil bei ca. 20%, vgl. SOS Kinderdorf Namibia (2021).

[25] Vgl. Petersen, Shelleygan. 2021. „Namibia's oxygen supply threatened by SA unrest.” The Namibian.
URL: https://www.namibian.com.na/103507/read/Namibias-oxygen-supply-threatened-by-SA-unrest (Zugriff am 21.07.2021).

[26] Vgl. Duddy, Jo-Maré. 2021. „Fighting the fire of discontent.” Business 7. URL: https://www.republikein.com.na/nuus/fighting-the-fire-of-discontent2021-07-28 (Zugriff am 26.07.2021).

[27] Vgl. Staff Reporter. 2021. „Police question four over looting threats.” New Era. URL: https://neweralive.na/posts/police-question-four-over-looting-threats (Zugriff am 22.07.2021)..

[28] Vgl. OEC (2020). Observatory of Economic Comlexity (OEC). 2020. „Namibia.” URL: https://oec.world/en/profile/country/nam (Zugriff am 22.07.2021).

[29] Vgl. WITS (2021).

[30] Vgl. Petersen, Shelleygan. 2021. „Namibia's oxygen supply threatened by SA unrest.” The Namibian.URL: https://www.namibian.com.na/103507/read/Namibias-oxygen-supply-threatened-by-SA-unrest (Zugriff am 21.07.2021).

[31] Vgl. Khoza, Amanda. 2021. „Ramaphosa meets business sector to discuss security, rebuilding economy.” TimesLIVE. URL: https://www.timeslive.co.za/politics/2021-07-20-ramaphosa-meets-business-sector-to-discuss-security-rebuilding-economy/ (Zugriff am 20.07.2021).

[32] Vgl. Granville, Samantha. 2021. „Covid in Namibia: ‘Fifteen of my relatives have died.” BBC. URL: https://www.bbc.com/news/world-africa-57748119 (Zugriff am 22.07.2021).

[33] Vgl. African Union. 2019, S.36. „Agreement Establishing the African Continental Free Trade Area.” Addis Ababa, Äthiopien.

[34] Vgl. Amukeshe, Lazarus und Erastus, Nghiinomenwa. 2021. „Namibia to feel the pinch of South Africa’s unrest.” The Namibian. URL: https://www.namibian.com.na/103459/read/Namibia-to-feel-the-pinch-of-South-Africas-unrest (Zugriff am 21.07.2021).

[35] Vgl. Geingos-Onuegbu, Immolatrix L. 2015. "Technology and innovation landscapes in the context of a knowledge-based economy." Journal of Namibian Studies: History Politics Culture 18: S.111-121

[36] Vgl. Walvis Bay Corridor Group. 2019. „Rail link planned for Namibia – Zambia corridor.” URL: https://www.linkedin.com/pulse/rail-link-planned-namibia-zambia-corridor-walvis-bay-corridor-group/ (Zugriff am 28.07.2021)

[37] Zwischen 2007 und 2021 lag der Human flight and brain drain index in Namibia im Durchschnitt bei 6,99 Indexpunkten. Der weltweite Durchschnitt ist 5,25, vgl. theGlobalEconomy.com.2021. „Namibia: Human flight and brain drain.” URL: https://www.theglobaleconomy.com/Namibia/human_flight_brain_drain_index/ (Zugriff am 25.07.2021).

[38] Vgl. Raheem et al. 2020, S.7. Dele, Dayoub, Moammar, Birech, Rhoda und Nakiyemba, Alice. 2021. "The Contribution of Cereal Grains to Food Security and Sustainability in Africa: Potential Application of UAV in Ghana, Nigeria, Uganda, and Namibia." Urban Science 5, Nr. 1: 8.

[39] Vgl. Risk and Compliance Portal. 2021. „Namibia Corruption Report.“ URL: https://www.ganintegrity.com/portal/country-profiles/namibia/ (Zugriff am 23.08.2021).

[40] Vgl. Transparency International. 2021. „Our Work in: Namibia.“ URL: https://www.transparency.org/en/countries/namibia (Zugriff am 23.08.2021).

[41] Vgl. Amupanda, Job Shipululo. 2019, S.199. „The Fight against Corruption in Namibia: An Appraisal of Institutional Environment and a Consideration of a Model for Civil Society Participation.“ Namibia Law Journal 2019.

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