Veranstaltungsberichte
Das Dokudrama thematisiert den Überlebenskampf von fünf jüdischen Männern und Frauen, die in den 1940er Jahren in Berlin vor den Nationalsozialisten untertauchen mussten und so überlebt haben.
Dr. Michael Borchard, bezeichnete den Film als Identitätsrückgabe an diese fünf jüdischen Menschen. So mache er „die Unsichtbaren auf eine besondere Weise sichtbar und nachvollziehbar“. Gleichzeitig betonte er das Alleinstellungsmerkmal des Filmes - dieser setze den Beteiligten und ihrer Geschichte „ein Denkmal, ohne die dieser Film nicht hätte erzählt werden können“. Er sei auch ein wichtiger Beitrag zur Vermittlung des Holocaust.
Anschließend stellte er die Gäste vor. Die Zeitzeugin Ruth Gröne, die 1933, im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung geboren wurde, ist Tochter einer „arischen“ Mutter und eines jüdischen Vaters und musste bereits im Alter von nur acht Jahren mit ihren Eltern in das „Judenhaus“ Herschelstraße ziehen. Von dort an bekam sie täglich die Gewalt gegen Juden durch Gestapobeamte mit. Ferner Michael Grünberg, Landesvorsitzender der Jüdischen Gemeinden Niedersachsens, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde in Osnabrück und gleichzeitig auch Direktoriumsmitglied des Zentralrates der Juden in Deutschland und Ingrid Wettberg, Vorsitzende der Liberalen jüdischen Gemeinde Hannover und Vorsitzende der Stiftung Liberales Judentum Hannover.
„Ich bin Deutsche und Jüdin“
Zu Beginn wollte Dr. Borchard von Ruth Gröne wissen, ob sie auch etwas von den sogenannten „Greifern“ mitbekommen habe. Dies sind Juden, die mit der Gestapo kooperierten, untergetauchte Juden aufspürten und dann denunzierten. Eine bekannte „Greiferin“ war Stella Goldberg.
Sie habe nichts von sogenannten „Greifern“ mitbekommen, so Gröne, trotzdem habe sie doch mehr aufgeschnappt, als ihre Eltern dachten, sagte die Zeitzeugin. Sie habe gesehen wie Gestapobeamte Juden ermordeten und ihren Vater verhaftet haben. „Ich glaube durch Aufklärung, wie mit diesem Film oder anderen Dokumentationen können wir dazu beitragen, dass sich Geschichte nicht wiederholt“, stellte Gröne fest. „Die Leute und besonders junge Menschen müssen sich trauen, offen zu wiedersprechen und kritisch andere Meinungen zu hinterfragen“, fügte sie hinzu. Schließlich bewiesen immer mehr Studien, dass der Antisemitismus auf der ganzen Welt, nicht nur in Deutschland, zunehme.
Von Michael Grünberg wollte Dr. Michael Borchard wissen, ob aufgrund des zunehmenden Antisemitismus vermehrt deutsche Juden ihrem Heimatland den Rücken kehren. Dies verneinte Grünberg. Es würden immer wieder deutsche Juden nach Israel auswandern, aber von einer Massenauswanderung könne man in diesem Zusammenhang nicht sprechen. Er sah auch die Politik in der Verantwortung, mehr für den Schutz von Juden als religiöse Minderheit zu tun.
Ingrid Wettberg wurde in der Vergangenheit auf Veranstaltungen von Leuten, die der rechtsextremen Szene angehören oder nahestehen, bereits antisemitisch beleidigt. Sie kritisierte besonders, dass der Antisemitismus, nicht nur von muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, vermehrt zu Antizionismus und Antiisraelismus werde. „Warum sollen in Deutschland lebende Juden für die Politik Israels die Verantwortung übernehmen?“, fragte sie ins Publikum. Sie begreife sich, ebenso wie Ruth Gröne, als Deutsche und als Jüdin, weshalb es für sie unverständlich sei, immer nur auf die Politik Israels reduziert zu werden. So würde sie selber auch die Politik Israels kritisieren.
Mehr Mahnmale zur Erinnerung?
„Das kann man nicht pauschal beantworten“, erklärte Gröne, „es gibt heute viele KZ-Gedenkstätten, wie hier in Hannover die Gedenkstätte Ahlem, aber sicherlich hat man im Punkt Gedenken noch einiges aufzuholen.“ So sei im Stadtteil Ahlem selber über 40 Jahre lang über die Geschehnisse in der ehemaligen jüdischen Gartenbauschule geschwiegen worden, bis es irgendwann eine Art Aufbruch gegeben habe und angefangen wurde, die Vergangenheit aufzuarbeiten.
Ingrid Wettberg äußerte sich als Verfechterin der sogenannten Stolpersteine. Die Vorsitzende der Liberalen Jüdischen Gemeinde Hannover hofft so, auch mit anderen Religionen in den Dialog zu treten. Sie selbst engagiere sich beispielsweise im christlich-jüdischen Dialog. Trotzdem sei heutzutage noch viel zu tun, wenn jüdische Gottesdienste nur unter Polizeischutz abgehalten werden könnten. Wettberg forderte, Mahnmale auch als solche zu begreifen und sie nicht zu „entweihen“, indem sich beispielsweise auf sie gesetzt und Pizza gegessen werde.
Auch Grünberg sprach sich für mehr Mahnmale, auch in Form von „Stolpersteinen“, aus. Er plädierte dafür, dass man nach den neusten Entwicklungen besonders auch nicht den Antisemitismus von rechts aus dem Auge verlieren dürfe. „Mit der AfD sitzt nun eine Partei im Bundestag, von der einige Mitglieder den Holocaust leugnen und das Denkmal für die ermordeten Juden Europas als Schande bezeichnen“, führte er aus.
Besonders vor diesem Hintergrund betonte Ingrid Wettberg nochmals die Wichtigkeit gegenüber den Schülerinnen und Schülern, auch wählen zu gehen, es mache einen Unterschied. „Es kommt auf uns alle an“, appellierte sie an die Zuhörerinnen und Zuhörer.