Veranstaltungsberichte
Wichtiger als die technologischen Umbrüche seien die gesellschaftlichen Umbrüche, die zurzeit vonstatten gingen. Niemand könne sich den Prozessen entziehen, denn die „Digitalisierung betrifft die gesamte Gesellschaft“, erklärte Wangermann gleich zu Beginn seines Vortrages. Dies zeigt sich beispielsweise in der Fernsehwerbung, wenn die ältere Generation, die sogenannten „Silver Surfer“ gezielt angesprochen wird. Auch in der Wirtschaft hält die Strategieumsetzung „Digital first“ in immer mehr Unternehmen Einzug – gemeint ist damit der Wandel von Papier zu einer komplett digitalen Arbeitsweise. Eine wesentliche Rolle bei dieser gesellschaftlichen Entwicklung spielt vor allem jeder Einzelne, denn nur durch die schnelle Adaption von Innovationen kann eine derartige Entwicklung in allen Gesellschaftsbereichen stattfinden.
Tobias Wangermann skizzierte die politischen Prozesse der Digitalisierung und die Einbettung dieses komplexen Themenbereichs auf Bundesebene. Beispielsweise beschloss der Deutsche Bundestag im Jahr 2010 die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ bis April 2013 zur Untersuchung der Auswirkungen des Internets auf die Politik und Gesellschaft. Weitere Anpassungen vollzogen sich durch die Schaffung eines neuen Politikfeldes und durch die Vertretung der digitalen Agenda in drei Bundesministerien. Dass zugleich eine wirtschaftliche Notwendigkeit einer Reaktion auf die digitalen Entwicklungen besteht, zeigt auch die Bemühung um einen europäischen digitalen Binnenmarkt. Doch gerade kleine- und mittelständischen Unternehmen sehen die Digitalisierung als größte Herausforderung an, so das Ergebnis einer Bitcom-Umfrage von 2015. Etwa 35% der Wirtschaftsunternehmen haben Probleme bei der Umsetzung und 17% der befragten Unternehmen sehen ihre Zukunft im Wettbewerb gefährdet. Umso wichtiger sei daher die Unterstützung von Seiten der Politik, erklärte der Experte.
„Erklärungen, Erklärungen, Erklärungen!“, so der Appell Wangermanns an die politische Bildung. Die Anpassungen auf politischer Ebene seien zwar ein wichtiger Schritt, doch die Komplexität dieses Themas macht die Aufklärungsarbeit in der politischen Bildung unverzichtbar. Vor allem wenn es um den Umgang mit persönlichen Daten geht, denn dieser Aspekt betrifft tatsächlich jeden von uns. Selbst bei einem vorausschauenden Umgang im Internet, produziert und verbreitet der Nutzer täglich einen Berg an Daten, woraufhin die heutzutage sehr leistungsstarken Computer diese Daten problemlos weiter verarbeiten. In der Folge werden dem Internetnutzer passend zugeschnittene Produkte zum Kauf empfohlen. Mit einer Aufwendung wie bei der Massenproduktion wird eine individuelle Produktherstellung generiert. Die Bequemlichkeit bei der Nutzung einer Applikation oder Funktion führe häufig zu der bedenkenlosen Zustimmung von Lizenzen sowie der Dateneingabe durch den Nutzer. Daher sei grundsätzlich ein kritischer Umgang mit den persönlichen Daten zu empfehlen, erläuterte Tobias Wangermann. Die Weitergabe der Gesundheitsdaten könne zwar durchaus als Chance für die Diagnose und Therapie betrachtet werden, jedoch müsse ein ausschließlicher Adressatenkreis gewährleistet werden, um Unbefugte auszuschließen.
Tobias Wangermann zeigte den Gästen die Chancen und Risiken dieser gesellschaftlichen Entwicklung auf. Es wurde schnell deutlich, wie komplex dieses Thema ist und welche Teilbereiche letztlich noch ausführlicher zu erklären bleiben. Dennoch gelang es ihm, einen Überblick über die kontinuierlichen Umbrüche und die politischen Handlungsfelder der Digitalisierung zu geben.