Veranstaltungsberichte
In seinen einleitenden Worten machte der Moderator des Abends, Andreas Mattfeldt (CDU-)MdB, deutlich, dass er dankbar dafür sei, dass die KAS das Thema Gentechnik aufgegriffen habe. In seiner Eigenschaft als Politiker erreichten ihn zahlreiche Anfragen aus der Bevölkerung, die bewiesen, dass dieses Thema in der öffentlichen Diskussion nicht mit der Sachlichkeit geführt würde, das es verdiene. Es sei daher wichtig, in einem demokratischen Meinungsbildungsprozess Befürwortern und Gegnern der Grünen Gentechnik (GG) eine faire Chance zur bieten, ihre Argumente auszutauschen.
Der Referent, Prof. Szibor, verwies zunächst darauf, dass von einer gleichberechtigten Diskussion zwischen Gegnern und Befürwortern seit einiger Zeit keine Rede mehr sein könne. Warum dies so sei, machte er an einem Widerspruch deutlich: Obwohl auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Fläche weltweit gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, ist bisher keine einziger Fall bekannt geworden, in dem ein Mensch durch gentechnisch erzeugte Produkte oder den Konsum derselben zu Schaden gekommen wäre. Trotzdem wird der Genuss solcher Lebensmittel durch eine übergroße Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt. An EHEC sind kürzlich durch den „Genuss“ von Sprossen eines Bio-Betriebes 53 Patienten gestorben und fast 4.000 Menschen z.T. schwer erkrankt. Wie ist zu erklären, dass der „Bio“-Boom unvermindert anhält, obwohl sie im Vergleich zu konventionellen Lebensmittel keinerlei Gesundheitsvorteile bieten? Wie kann man erklären, dass Gv-Pflanzen, ja selbst Produkte von Tieren, die lediglich Gv-Pflanzen gefressen haben, Ängste auslösen?
Prof. Szibor machte dafür eine Reihe von Gründen geltend: Z.B. stufte eine Konferenz in Cartagena im „Cartagena Protocol of Biosafety“ (CPB) die GG als sog. Risikotechnologie ein. Diese Entscheidung kam zwar „demokratisch“ zustande und hat sich seitdem tief in das Bewusstsein der Menschen eingebrannt. Sie widerspricht aber allen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die demokratischen Entscheidungsprozessen eigentlich entzogen sind.
Das Einmotten falsifizierter Gentechniklegenden ist allerdings ein langwieriger und schwieriger Prozess, denn die NGO-Campaigner der Anti-Gentechniker haben gelernt, wie man mit bestimmten Sprachregelungsstrategien die Menschen manipulieren und in die Irre führen kann. So ist es ihnen gelungen, das schlichte Wort „Gen“, das ja nichts anderes als die Basisstruktur allen Lebens bezeichnet, negativ zu besetzen. Damit schaffen sie es, durch entsprechende Wortkoppelungen ganze landwirtschaftliche Produktgruppen zu diffamieren: Genpflanzen, Gensaatgut, Genmilch, Genfleisch usw. Wenn vor diesem Hintergrund die meisten Menschen „genfreie“ Nahrung fordern, kann man das nur als herausragenden demagogischen Erfolg charakterisieren. Wie dies in der Praxis „funktioniert“ machte der Prof. Szibor am Beispiel einer Greenpeace-Aktion deutlich: Pünktlich zu Ostern 2011 lancierte die NGO die Meldung „Ostereier sind gentechnisch verseucht“. Gemeint waren Eier von Hühnern, die mit Gv-Soja gefüttert worden waren. Man kann Eier solcher Produktion allerdings mit keiner Methode der Welt von solchen unterscheiden, die mit anderen Futtermitteln erzeugt wurden. Es gab auch keine Messergebnisse, nach denen die beanstandeten Eier irgendwelche Giftstoffe enthielten. Trotzdem schafften es die „Gen-Eier“ in die Nachrichten der elektronischen wie die der Printmedien. Von Verseuchung - lt. klassischer Sprachlexika einer „hochansteckenden Infektionskrankheit“ - konnte schon gar nicht die Rede sein, da die Eier gesundheitlich völlig unbedenklich waren.
Noch etwas subtiler und höchst erfolgreich ist die demagogische Verwendung des Begriffs „genmanipuliert“. Der Begriff Manipulation beschrieb früher ganz wertneutral eine Handlung, die „mit der Hand“ (lat. Manus=Hand) ausgeführt wird. Inzwischen hat der Begriff eine stark negative Konnotation. Damit wurde er auch für Gentechnikgegner „nützlich. Den Begriff „Genmanipulation“ haben sie erfolgreich in den allgemeinen Sprachgebrauch implementiert.
Die Demagogie ist auch dort erfolgreich, wo Menschen mit sprachlichen Mitteln in Gut und Böse eingeteilt werden. Menschen, die sich gegen Gentechnik einsetzen, bezeichnen sich als „Umweltschützer“ und wenn sie damit ihr Geld verdienen, mutieren sie zu „Gentechnik-Experten“. Wenn sie Felder zerstören sind es keine Kriminellen sondern „Umweltaktivisten“.
Der System der Desinformation und Manipulation hat dazu geführt, dass es in Deutschland und Europa keine Partei oder gar Regierung wagt, sich zur Nutzung der GG zu bekennen. In denjenigen Ländern, in denen die Bauern frei in der Wahl ihres Saatgutes sind, steigt die Anbaurate jährlich um ca. acht Prozent. Obwohl sich der Forschung auf diesem Gebiet ein enormes Innovationspotenzial bietet, wird sich dies für diese hierzulande nicht (mehr) rentieren, da deren Ergebnisse nicht umgesetzt und wirtschaftlich genutzt werden dürfen oder können. Die folgerichtige Abwanderung von Wissenschaftlern und Forschungsabteilungen aus Deutschland ist inzwischen keine abstrakte Befürchtung, sondern traurige Realität.
Zum Schluß kam Prof. Szibor zu der ernüchternden Einschätzung, dass solche Fehlentwicklungen erst dann ihr Ende fänden, wenn für jedermann die entstandenen Schäden erkennbar seien. Er machte dies am Beispiel der missglückten Einführung des sog. „Biosprits“ deutlich. Erst nachdem vielen Menschen klar wurde, dass die dadurch ausgelöste „Vermaisung“ ganzer Landstriche zu einem großen Artensterben geführt hat und zum Abbrennen ganzer Urwaldbestände in Südamerika und Südostasien, ließ dies viele Verbraucher und Autofahrer umdenken. Selbst die Grünen nutzen das Wort „Biosprit“ nur dann, wenn es darum geht, anderen die Schuld für dieses Umweltdesaster in die Schuhe zu schieben.
Sein Resümee ist dennoch vorsichtig optimistisch. Die Agrogentechnik würde sich vielleicht doch durchsetzen, wenn jegliche Formen ineffektiver Landwirtschaft untersagt würde, um das Abholzen der tropischen Regenwälder zu verhindern. Und dabei dächte er auch an die afrikanischen und fernöstlichen Hungergebiete, in denen die Menschen dringend trocken- und schädlingsresistente und eiweiß- bzw. vitaminreiche Pflanzen anbauen würden, wenn man sie denn ließe. An diese Menschen denke hierzulande kaum jemand und wenn, dann gelte er gleich als „Gen-Lobbyist“, der natürlich moralisch zu verurteilen sei.