Veranstaltungsberichte
Wüstner betonte gleich zu Beginn, dass seit der Wiedervereinigung 1990 die innere und die äußere Sicherheit aus den Augen verloren wurden. Nach dem Mauerfall sei man davon ausgegangen, dass Deutschland nur von „Freunden“ umgeben sei und der Landes- und Bündnisverteidigung kein so großer Wert mehr beigemessen werden solle.
Spätestens nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland sei man sich des Gegenteils bewusst geworden. Die NATO führe deshalb Militärmanöver in den baltischen Staaten durch, um Russland abzuschrecken. Für den 2019 geplanten Einsatz der Bundeswehr bei der schnellen Eingreiftruppe der NATO fehlen demnach aber unter anderem Schutzwesten, Winterbekleidung und Zelte.
Probleme der Bundeswehr
Die Ursachen dafür verordnete André Wüstner in den enormen materiellen und personellen Einschnitten im Zuge der auf den Weg gebrachten Reform im Jahre 2011. Bereits seit 1990 gingen die Verteidigungsausgaben zurück, ein weiterer Einschnitt folgte 2011 mit der Neuausrichtung der Bundeswehr. „Dabei haben wir haben uns gegenüber der NATO verpflichtet, 2% unseres BIP in die Verteidigung zu investieren“, führte er aus. Davon sei Deutschland im Moment aber noch weit entfernt, so wurden 2017 lediglich 1,2% des BIP für die Verteidigung aufgewendet. Allein bis 2030 würden so weitere 130 Mrd. Euro zusätzlich im Verteidigungsetat eingeplant, um den jahrelangen Abbau an Personal, Material und Infrastruktur auszugleichen.
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht 2011 gab es zudem Nachwuchsgewinnungsprobleme. Um diesen langfristig zu kompensieren kann sich Wüstner ein Modell wie in Skandinavien vorstellen. Bei der gerne auch als „freiwilliger Wehrdienst“ bezeichneten Grundausbildung erhalten junge Menschen sogenannte „Benefits“ für ihre nachfolgende Ausbildung oder Studium, wenn sie eine bestimmte Zeit dienen.
Die Kürzungen, sowohl bei Personal als auch bei Material, gingen mit einem Wissensverlust einher. Die politische Vorgabe sei damals gewesen, möglichst schnell Personal freizustellen, was nun wieder dringend benötigt werde. „Besonders bei Auslandseinsätzen kommt es vor, dass das noch vorhandene Personal öfter ins Ausland geht und auch länger dort bleibt“, stellte Wüstner fest. „Dies führt langfristig zu einer Überlastung der Soldatinnen und Soldaten“.
Durch den Sparzwang habe sich die Bundeswehr auch veranlasst gesehen, bestehende Infrastruktur zu verkaufen. „Die 1/3 an Infrastruktur, die wir abgebaut haben, versuchen wir heute wieder zurückzubekommen“. Dies gestalte sich aber besonders in Gegenden als schwierig, in denen Immobilien sowieso schon begehrt seinen.
Ein weiteres Problem ist die mangelhafte Ausstattung der Bundeswehr. So sind, je nach Waffensystem, 30-70% aufgrund von Verschließ, fehlenden Ersatzteilen oder fehlendem Personal gar nicht mehr einsetzbar. Dazu komme, dass einige Waffensysteme bereits so alt sind, dass gar keine Ersatzteile mehr für sie hergestellt werden. Um solche Probleme zu vermeiden fordert Wüstner, das Haushalts- und Vergaberecht zu ändern.
Dabei sei die Bundeswehr allerdings auch nicht die einzige Armee, die an den finanziellen Kürzungen der Vergangenheit zu leiden hat. „Dieses Problem gibt es auch in anderen Ländern innerhalb der Europäischen Union“, resümiert er.
Deshalb forderte er besonders im Innenland mehr Bewusstsein und Eigeninitiative der Bevölkerung für Sicherheit und für das richtige Verhalten im Notfall. „Es ist einfach nicht mehr gegeben, dass bei Hochwasser jedes Mal 1000 Soldaten Sandsäcke tragen helfen und 70 Hubschrauber bereitstehen“.
Blick in die Zukunft
Trotz dieser vielfältigen und vielschichtigen Probleme blickt Wüstner noch optimistisch in die Zukunft. „Wenn ein gemeinsamer politischer Wille gefunden wird, besteht in Zukunft Hoffnung auf Besserung, die aufgeschobenen Reformen umzusetzen“. Trendwenden wurden eingeleitet, müssten allerdings noch beschleunigt werden. Auch im neuen Koalitionsvertrag sei die bessere Ausstattung der Bundeswehr verankert. Mit ersten Ergebnissen könne man aber frühestens in ein bis zwei Jahren rechnen.