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Cannabis, Springerstiefel und Depressionen

von Jörg Jäger

Jugendrichter Andreas Müller bekämpft die Jugendkriminalität und schrieb ein Buch

Jugendrichter Andreas Müller aus Bernau ist der Überzeugung, dass die Jugendkriminalität in Deutschland um 50% gesenkt werden könne. Auch deshalb hat er ein Buch geschrieben - der Titel: "Schluss mit der Sozialromantik - Ein Jugendrichter zieht Bilanz".

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„Man schreibt ein Buch, um Veränderungen herbeizuführen“, so läutete Jugendrichter Andreas Müller seinen Vortrag beim KAS-Mittagsgespräch in Braunschweig ein und man nahm ihm diese Einstellung ab. Ja, er sei wütend, weil wir in Deutschland zuviel Kriminalität hätten und deshalb habe er das Buch „Schluss mit der Sozialromantik – Ein Jugendrichter räumt auf“ veröffentlicht. Das Buch ist gespeist aus persönlichen Familienerfahrungen des gebürtigen Meppeners und natürlich profunder beruflicher Kenntnisse aus seiner Arbeit als Jugendrichter in Bernau bei Berlin. Eigentlich hätte es "Cannabis, Springerstiefel und Depressionen" heißen sollen, befand Müller, der auch offen über persönliche Erfahrungen in seiner Jugend sprach.

Müller hat im Laufe seines Berufslebens einige Veränderungen durchlaufen. Galt er zu seinen Berufsanfängen noch als „der milde Müller“, wird er heute schon mal als „harter Hund“ bezeichnet, was ihm auch allerlei Talkshow-Einladungen einbrachte. Seine Urteile gegen Rechtsradikale, deren Springerstiefel er kurzerhand zu Waffen erklärte und den Gerichtssaal und auch „seinen Kiez“ fast "Springerstiefel-frei" machten, brachten ihm bundesweite Aufmerksamkeit ein. Heute würde er lieber als der „kreative Herr Müller“ gelten, kündigte der niedersächsische KAS-Landesbeauftragte Jörg Jäger bei der Begrüßung des Hauptgastes an.

Müller räumte mit der Sozialromantik der politischen Linken in Deutschland auf und sparte nicht mit Kritik. Mit ausschließlich pädagogischen Mitteln sei der Jugendkriminalität nicht beizukommen. Die Auffassung, dass „Arrest böse Buben nur böser macht“, sei ein Irrtum. Ein verschärfter Warnschussarrest sei als EIN Instrument der Justiz dringend notwendig. Auch argumentierten SPD, Grüne und Linke noch heute mit veralteten Zahlen: So würde immer wieder behauptet, die Rückfallquote beim Jugendarrest betrage 70%. Die Zahlen stammetn allerdings aus 1979 und seien veraltet, machte Müller dem Publikum klar.

Die beim Jugendgerichtstag zuletzt 2010 geäußerte These „Milde zahlt sich aus“ sei völlig falsch. Es sei, so Müller, ein Irrtum zu glauben, dass jede ambulante Maßnahme (Geldauflagen, Weisung, Arbeitsauflagen) besser sei als stationäre Maßnahmen wie Jugendarrest oder Jugendhaft. Seine Kritik richtete er vor allem an die „Taktgeberin der Sozialromantik“, die Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen - DVJJ - mit Sitz in Hannover.

Müller geizte nicht mit plakativen Fallbeispielen und verblüffenden Zahlen: „30, 40, 50 Straftaten und noch keinen Richter gesehen“, das war vor wenigen Jahren noch üblich, so Müller. Inzwischen sei die Zusammenarbeit zwischen Justiz und Polizei schon verbessert worden, was auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller aus Braunschweig für seine Stadt anhand der jüngsten Maßnahmen und Entwicklungen schilderte. Diese Aussage bestätigten Gäste wie u.a. der Leitende Braunschweiger Oberstaatsanwalt Dr. Koch.

Jugendrichter Müller kritisierte aber auch eine vorhandene „konservative Sozialromantik“ nach immer schärferen Strafen. Die Erhöhung der Höchststrafdauer treffe nur für eine kleine Minderheit überhaupt zu und würde das Problem der Jugendkriminalität in Deutschland keineswegs lösen.

Andreas Müller forderte, dass er alles an aktuellen Erkenntnissen über laufende Verfahren und Klienten wissen müsse, deshalb müssten die Daten der unterschiedlichen Institutionen zusammengeführt werden. „Opferschutz geht vor Datenschutz“, fasste er seine Position zusammen und reklamierte ein bundesweites Zentralregister für jugendliche Täter.

Für Stirnrunzeln sorgte beim Publikum seine Forderung nach der Legalisierung von Cannabis. Der finanzielle und ideelle Aufwand, der betrieben werde, um den Cannabiskonsum durch Polizei und Justiz zu bekämpfen - nach seiner Meinung in Deutschland absolut erfolglos. Man sollte stattdessen in Therapie- und Präventionseinrichtungen investieren. Er würde mit seinen Klienten, die neben Straftaten auch noch ein Rauschmittelproblem haben, gern genauso offen darüber reden können und eine Therapie- oder Beratungsbegleitung ermöglichen, wie das bei Alkoholkonsumenten oder Spiel- und Computersüchtigen möglich sei. Dies ginge nicht, wenn der Cannabiskonsum dauerhaft kriminalisiert werde. Müller hoffe in dieser Frage auf Bewegung in der CDU, weniger auf die SPD-Politiker, die deutlich mehr Angst hätten, sich an diesem Thema zu verbrennen. Bei anschließenden Unterhaltungen wurde dies Thema noch lebhaft vom Mittagsgesprächspublikum diskutiert.

Müller machte weitere Vorschläge für die Bekämpfung der Jugendkriminalität, die seiner Überzeugung nach um 50% reduziert werden könne: Er forderte, dass Jugendrichter zur Prävention in Schulen gehen müssten, deshalb solle ihnen dafür auch 10 Prozent der Arbeitszeit angerechnet werden. Der Jugendarrest, der bislang auf vier Wochen begrenzt sei, müsse verlängert werden. Der Jugendknast, der heute erst ab sechs Monaten Dauer verhängt werden darf, müsste auch verkürzt ermöglicht werden. Schlussendlich dürfe der Warnschussarrest in seinen Bestimmungen nicht „weichgespült“ werden, das Justizministerium unter Ministerin Leutheuser-Schnarrenberger hätte nur zu einem Warnschussarrest „light“ geführt, hier bestehe Korrekturbedarf. Ermutigend seien seiner Ansicht nach lokale Engagements wie in Hamburg, wo in einem Bezirk die Jugendkriminalität in drei bis vier Jahren um rund 60% reduziert wurde, dies sei aber nur möglich, wenn alle an einem Strang zögen.

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