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Bei der Suche nach vermeintlichen Lösungen für die Beendigung des seit Jahrzehnten existenten Konfliktes zwischen Israel und Palästina gebe es, so Wolffsohn einleitend, eine immer wiederkehrende Grundidee, die alle Ansätze verfolgten: Einheit. Diese Tatsache lasse sich sowohl für die Gründung des Staates Israels als auch bei der Argumentation der Palästinenser für ihren eigenen Staat ableiten. Denn nur durch eine demographische Einheitlichkeit und einen Staat, mit dem sich die Bürger identifizieren könnten, sei sichergestellt, dass die Unruhen und Kriege aufhörten. Diese Konzeption habe sich in der Vergangenheit bewahrheitet, als Staaten auseinanderbrachen, da die Grenzziehung nicht nach den richtigen Maßstäben betrieben worden sei.
Bevor Wolffsohn auf seinen Lösungsvorschlag einging, erklärte er kurz die den Problemen zugrunde liegenden geschichtlichen Fakten. Heutzutage würfen Historiker oft einen Blick in die Vergangenheit, um Verfahren und Ansätze für die Lösung der Gegenwart zu finden und zu vergleichen. Es habe sich gezeigt, dass es nur mit einer großen Einigkeit und starken Zusammenarbeit der Parteien der beiden räumlich von einander getrennten Regionen eines Staates möglich sei, die gewünschte Nation zusammenzuhalten. Andernfalls drohe ein baldiges Auseinanderbrechen, das Wolffsohn auch für Palästina nicht ausschließt. Dies läge darin begründet, dass Fatah und Hamas politisch schwer zusammenbringen zu seien.
Daher sei der Ansatzpunkt der Lösungen, die bisher weder die sozialen noch die konfessionellen Strukturen berücksichtig hätten, Jordanien. Wenn man wirklich eine Beendigung der gewaltsamen Auseinandersetzungen wollte, müsse man realisieren, dass Jordanien von der demographischen Struktur „ein Staat der Palästinenser“ sei. Auch wenn die jordanische Regierung keine Zahlen zu diesem Thema publiziere, sei 70% der Bevölkerung palästinensisch. Diese Werte würden geheim gehalten, da die städtische Mittelschicht palästinensischen Ursprunges einen Wechsel in Jordanien verlange, welchen die jordanische Regierung unter allen Umständen verhindern wolle.
Die internationale Politik müsse ihr Augenmerk daher auf die Schaffung einer Bundesrepublik Jordanien/ Palästina richten. Während des Prozesses der neuen Staatsbildung müssten die Grenzen des autonomen Palästinas innerhalb dieses Gebildes an die Verteilung der ethnischen Gruppen angepasst werden, um die demographisch einheitliche Zusammensetzung der Regionen zu gewährleisten. Auch wenn es anfänglich gewiss Schwierigkeiten geben würde, könnte z.B. wirtschaftliche Kooperation zum Zusammenwachsen der Bundesrepublik beitragen. Wolffsohn zog für die Begründung eine Parallele mit der Europäischen Integration, der es gelungen sei, dass „Europa sich verzahnt und nicht mehr beißt“.
Bei der abschließenden Fragerunde kam Wolffsohn zudem noch auf die Rolle der Religion im gesamten Prozess zu sprechen. Er plädierte für eine Loslösung der Konfession von der Politik, da z.B. das Betreiben von Sicherheitspolitik mit religiösen Grundsätzen „die Fortsetzung eines Drehbuches für weitere Konflikte sei“. Dies sollte besonders für diejenigen gelten, die durch ihre Religionszugehörigkeit Handlungsaufforderungen für Kriege sähen. Eine solche Haltung sei eine „Perversion der Ethik“.
Alex Schmidtke