Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Manuel Ley, Referent der Konrad-Adenauer-Stiftung, das Online-Publikum und stellte in einem Impulsvortrag wichtige Institutionen der USA vor. Diese spielen im politischen Alltag eine wichtige Rolle und sind als Instrument der politischen Macht zu verstehen.
In der anschließenden Gesprächs- und Diskussionsrunde wurde auf die umstrittene Ernennung der neuen Richterin Amy Coney Barrett für den obersten Gerichtshof eingegangen und wurde vom Politikwissenschaftler Prof. Dr. Tobias Lenz als Triumph für den US-Präsidenten gewertet. Die US-Wirtschaft hatte vor dem Ausbruch des Coronavirus gebrummt und es gab so wenige Arbeitslose wie seit vielen Jahren nicht mehr. Professor Lenz sieht das positive Ansehen Trumps in der Gesellschaft jedoch bröckeln, da er als Krisenmanager keine gute Figur gemacht habe. Als Grundlage für das Resümee der Präsidentschaft bezieht er die im Wahlkampf 2016 angekündigten Wahlversprechen von Trump mit ein. Somit ist der Mauerbau zu Mexiko nicht vollständig abgeschlossen. Auch Obamacare wurde nicht abgeschafft, da die Anläufe im vom Demokraten geführten Repräsentantenhaus immer wieder scheiterten. Der wirtschaftspolitische Protektionismus habe bei den Unterstützern Trump Hoffnungen geweckt, da es hier darum gehe, die abgewanderten Industrien im mittleren Westen wieder zurückzuholen, meinte der Professor für Internationale Beziehungen. Konkret benannte Linda Engelhardt von der Deutsch-Amerikanischen Gesellschaft Celle e. V., Detroit als Beispiel. Hier warb Trump vor allem mit „der guten alten Zeit“ und erreichte hier mit seinem Wahlkampfslogan „Make America Great Again“ Erfolge. Früher handelte es sich um eine blühende Stadt mit zahlreichen Arbeitsplätzen durch die Automobilindustrie und gilt im heutigen Gegensatz dazu als städtische Ruine. Laut der gebürtigen Kalifornierin würde die Fertigstellung der Mauer kaum wirtschaftliche Auswirkungen haben, dafür aber gesellschaftliche Folgen mit sich bringen.
Nach Herrn Prof. Lenz ist mit Trump eine neue Form der politischen Kommunikation ins Zentrum gerückt. Mit seinen Tweets kommentiert Trump durchschnittlich 32-mal am Tag, was ihn beschäftigt. Zweifelsohne gehe er als erster Präsident in Geschichte ein, der die „Sozialen Medien“ systematisch zum Regieren verwendet habe. Frau Engelhardt ging auf diesen Punkt ebenfalls ein, Trump’s Art der Kommunikation sei erst möglich gewesen, weil sich die Mediennutzung der Gesellschaft verändert habe. Auch sei Trump nur ein Symptom der gesellschaftlichen Verwerfung, denn die Spaltung und Zerrissenheit des Landes fände seinen Ursprung nicht bei dem derzeitigen US-Präsidenten. Allerdings sei mit Trump vieles wieder salonfähig geworden. Hinzu kommt die Tötung von Schwarzen durch Polizeigewalt, was dann zu der enormen Wucht der „Blake Lives Matter“-Bewegung geführt habe, so die US-Amerikanerin.
Der Politologe ergänzt diesen Aspekt mit der Aussage, dass Trump diesen Prozess weiter vorangetrieben habe. Das Selbstverständnis der USA ist einerseits das eines Einwanderungslandes, aber andererseits eines weißen christlichen Landes. Diese Vorstellung stehe Prognosen entgegen, dass die weißen Amerikaner in die Minderheit geraten. Genau dieser Umstand schüre Ängste bei weniger gebildeten Menschen, dass in naher Zukunft die Geschicke des Landes nicht mehr in den Händen einer weißen Mehrheit liegen könnten. Ein weiteres Phänomen sei der Verlust der Bindungskraft des „Amerikanischen Traumes“, laut dem jeder alles durch Anstrengung erreichen könne. Dies sei für die schwarze Bevölkerung schon immer weniger möglich gewesen. Doch seit geraumer Zeit zweifeln auch weiße Teile der Gesellschaft erheblich daran, dass der „Amerikanische Traum“ für sie real werden könnte. Diese Ängste seien von Trump erkannt worden und er habe diese für seine Zwecke mobilisiert.
Neben diesen innenpolitisch präsenten Themen kam die Sprache auch auf weitere Aspekte. Die größte geopolitische Herausforderung für die USA sei der Aufstieg Chinas, unabhängig davon, wer der beiden Kandidaten der zukünftige Präsident sein würde. Des Weiteren wurde auch auf das hohe Alter beider Kandidaten eingegangen, welches nicht entscheidend für einen Präsidentschaftskandidaten sei, laut Linda Engelhardt. Hier komme es vielmehr auf die Ressourcen in Form von Vernetzung im politischen System oder die finanziellen Mittel an.
Außerdem gab es eine rege Beteiligung der Zuhörerinnen und Zuhörer, deren Fragen beantwortet wurden. Abschließend gab es einen Ausblick auf die Wahl mit der Meinung, dass der Wahlausgang auf keine der Seiten ohne Enttäuschung enden würde. Dafür sei die Spannung zu groß. Es bestehe die Hoffnung, dass sich der Frust hauptsächlich auf medialen Wegen entladen könnte, aber auch örtlich könnte es zu Ausschreitungen kommen. Die bevorstehende Wahlnacht bleibt somit ein spannendes Beobachtungsfeld und es steht aus, inwiefern diese verlaufen wird.