Die Herausforderungen für den neuen Premierminister
Der neue Premierminister
Der dreimalige Präsidentschaftskandidat François Bayrou wird mit 73 Jahren Premierminister. Von 1993 bis 1997 war er bereits Bildungsminister in den Regierungen Balladur und Juppé. Seit jeher ein Politiker der Mitte, ist er seit 2007 Vorsitzender der Partei MoDem. Bayrou war Kandidat bei drei aufeinanderfolgenden Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2002, 2007 und 2012. 2007 erreichte er mit 18,6 % der abgegebenen Stimmen den dritten Platz. Bei den Präsidentschaftswahlen 2017 unterstützte er Emmanuel Macron und wurde anschließend zum Justizminister ernannt. Aufgrund der Scheinbeschäftigungsaffäre um die parlamentarischen Assistenten des Mouvement Démocrate im Europäischen Parlament schied er von diesem Posten nach einem Monat aus. Aus Mangel an Beweisen wurde er in der Affäre im Februar 2024 freigesprochen, während andere Parteimitglieder, darunter der ehemalige Justizminister Michel Mercier, wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu 18 Monaten Haft auf Bewährung, 20.000 € Geldbuße und zwei Jahren Unwählbarkeit auf Bewährung verurteilt wurden. Im September 2020 wurde Bayrou von Emmanuel Macron zum Hohen Kommissar für Planung und Vorausschau ernannt. Die Position hat zur Aufgabe, die nationalen Entscheidungen im Hinblick auf die demografischen, wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen, gesundheitlichen, technologischen und kulturellen Herausforderungen zu begleiten. Der Vorsitzende des Mouvement Démocrate ist ein treuer, aber auch anspruchsvoller Verbündeter von Emmanuel Macron, der nun seine politische Erfahrung und sein Talent als Vermittler einsetzen muss, um mit einer zersplitterten Nationalversammlung zurechtzukommen.
Politische Blockaden: Welche Wege aus der Sackgasse?
Die zentrale Herausforderung für den neuen Premierminister besteht nun darin, eine stabile relative Mehrheit in der Nationalversammlung aufzubauen, um ein mögliches weiteres Misstrauensvotum zu verhindern und dringende Gesetzesentwürfe zu verabschieden. Wie Michel Barnier vor ihm wird es für den Vorsitzenden der MoDem jedoch nicht leicht werden.
Es ist davon auszugehen, dass die 36 MoDem-Abgeordneten in der Nationalversammlung; die 93 gewählten Vertreter von Ensemble pour la République und die 34 Abgeordneten der Gruppe Horizons den Premierminister unterstützen. Unklar bleibt jedoch zum derzeitigen Zeitpunkt, wie sich die bürgerlich-konservativen Républicains, aber auch Sozialisten und Grüne positionieren werden, die an den Verhandlungen mit Emmanuel Macron teilgenommen haben, aber bis zum letzten Moment einen Regierungschef aus ihren Reihen forderten. Der neue Premierminister, François Bayrou, „wird die Aufgabe haben, mit allen politischen Parteien“ außer dem Rassemblement National (RN) und La France insoumise (LFI) zu sprechen, „um die Bedingungen für Stabilität und Handeln zu finden“, erklärte das Umfeld von Emmanuel Macron am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France-Presse.
Sozialisten, Kommunisten und Grüne signalisierten bereits, dass für sie die erneute Anwendung des Verfassungsklausel 49.3 eine rote Linie darstellt und es nun darum gehe, bei den Haushaltsverhandlungen das Parlament einzubeziehen. Die Vorsitzende von LFI in der Nationalversammlung, Mathilde Panot, kündigte wiederum umgehend auf X an, einen Misstrauensantrag gegen Bayrou stellen zu wollen. Das Rassemblement National, aber auch die mit ihr verbündete Fraktion Union des droites pour la République unter der Führung des ehemaligen Parteivorsitzenden der Républicains, Eric Ciotti, wollen nicht systematisch ein Misstrauensvotum stellen, Bayrous Leistungen jedoch an den eigenen finanz- und migrationspolitischen Forderungen messen.
Die Verabschiedung des Sondergesetzes für den Haushalt bis 2025
Die dringendste und größte Herausforderung ist, dass der Haushalt nun bis Ende des Jahres, also in nur 18 Tagen, verabschiedet werden muss. Dies geschieht vorerst durch ein Sondergesetz. Das Sondergesetz erlaubt die Fortführung der für 2024 beschlossenen Steuererhebungen sowie die Vornahme der für das Funktionieren des Staates notwendigen Ausgaben per Dekret. Ein regulärer Haushalt wird dann im nächsten Jahr verabschiedet. Der Text des Sondergesetzes wurde am Donnerstag, dem 12. Dezember vom Finanzausschuss angenommen und wird am Montag, dem 16. Dezember im Parlament debattiert. Es ist noch unklar, ob auch die Anpassung der Schwellenwerte des Einkommenssteuertarifs an die Inflationsrate diskutiert wird. Eine solche Anpassung könnte Millionen Franzosen vor Steuererhöhungen bewahren. Abgeordnete der Neuen Volksfront und des Rassemblement National wollen diese Maßnahme in den Gesetzesentwurf aufnehmen lassen. Die Entscheidung über die Zulässigkeit im Plenum obliegt jedoch der Präsidentin der Nationalversammlung, Yaël Braun-Pivet, die der macronistischen Fraktion Ensemble angehört. Die Entscheidung wird im Laufe des Wochenendes fallen. In einer Entscheidung vom Dienstag, dem 10. Dezember, hat der Staatsrat klargestellt, dass die Inflationsanpassung nicht in das Sondergesetz, sondern nur in einen regulären Haushalt aufgenommen werden kann.
Wie wird der reguläre Haushalt verabschiedet?
Diesen zu verabschieden bleibt aber das langfristige Problem. Die fehlende Mehrheit im Parlament, um einen ordnungsgemäßen Haushalt zu beschließen, ist nämlich auch mit der Ernennung des neuen Premierministers und seiner bald zu ernennenden Regierung, nicht gelöst. Eine neue Konstellation in der Nationalversammlung wird es erst bei Neuwahlen geben, die nur vom Staatspräsidenten Macron und frühestens im Juli 2025 ausgerufen werden können. Sollte bis dahin kein regulärer Haushalt verabschiedet werden, müsste Frankreich mehrere Monate mit den für 2023 und 2024 beschlossenen Mitteln auskommen.
Welche Zukunft für Präsident Macron?
Die Spannungen rund um die Ernennung des neuen Premierministers, die mehrmals verschoben wurde und der schließlich in die Öffentlichkeit geratene Schlagabtausch mit François Bayrou haben Macron weiter geschwächt. Er scheint auf der politischen Bühne und selbst im eigenen Lager und gegenüber eigentlich Verbündeten immer isolierter. Vor diesem Hintergrund scheinen die nächsten acht Monate bis zu den möglichen Neuwahlen mehr ein Überleben als ein Gestalten zu sein. Sollten die Proteste der Landwirte gegen das Mercosur-Abkommen, der Lehrer gegen die bildungspolitische Lage und die landesweiten Proteste gegen die Rentenreform andauern, sich intensivieren und zusätzlich von den Populisten befeuert werden, wird es für Macron schwerer sich im Amt zu halten.
Problematisch ist und bleibt die politische Pattsituation in Frankreich, unabhängig von der Person Macron, die nur aufgelöst werden kann, wenn Mehrheiten gefunden werden und die Unfähigkeit oder der Unwille zur Koalitionsbildung überwunden wird. Zur Wahrheit gehört auch, dass laut einer von den Meinungsforschungsinstituten IFOP und Fiducial durchgeführten Umfrage Marine Le Pen in den Reihen ihrer Anhänger nicht darunter leidet, für das Misstrauensvotum der links-grünen Neuen Volksfront gestimmt zu haben. Im Gegenteil, wenn die erste Runde der Präsidentschaftswahlen jetzt stattfinden würde, hätte sie Chancen auch noch an Zustimmung hinzuzugewinnen. Die Umfrage wurde einige Tage nach der Abstimmung über den Misstrauensantrag durchgeführt und zeigt die Stärke der Stimmabgabe für einen RN-Kandidaten. Somit gibt es anscheinend keine negativen Auswirkungen der Anklagepunkte im laufenden Prozess gegen Marine Le Pen, der die Unwählbarkeit bei einer Verurteilung droht. Der Rassemblement National ist fest verankert und nicht so leicht zu bekämpfen. Hieraus ergibt sich für die anderen Parteien der demokratische Auftrag, sich im Sinne Frankreichs zu regierungsfähigen Allianzen zusammentun und die Handlungsfähigkeit des Landes aufrechtzuerhalten.
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