Professorin Mileva Gjurovska, Präsidentin der Europabewegung in der Republik Nordmazedonien, eröffnete die Veranstaltung und bedankte sich in ihrem Grußwort bei den Anwesenden für ihre Teilnahme in so großer Zahl. Sie hob hervor, dass die Bewegung jeden Tag den Europatag begehe, diesen Tag jedoch im Besonderen der Union widme. Da sich die Meinung der Bürger verfestige, dass das Land niemals der Union beitreten werde, sind ihrer Meinung nach größere Anstrengungen aller Beteiligten erforderlich, um die Zweifel am EU-Beitritt Nordmazedoniens auszuräumen. Wie sie unterstrich, werde laut Schuman Europa nur gehört, wenn es mit einer Stimme spreche und die wichtigste Botschaft bestehe ihm zufolge darin, den Frieden auf dem Kontinent zu bewahren. „Unsere Region, die vom russisch-ukrainischen Krieg betroffen ist, steht auch vor anderen Sicherheitsproblemen, was bedeutet, dass die europäische Perspektive in der Region viel greifbarer gemacht werden muss, als sie es jetzt ist.“ Professor Gjurovska beglückwünschte die Anwesenden zum Europatag und wünschte den Diskussionsteilnehmern eine fruchtbare Debatte.
Daniel Braun, Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, begann seine Einführung mit dem Hinweis, dass alle für eine europäische Zukunft Nordmazedoniens eintreten. In der Demokratie gebe es Debatten und Auseinandersetzungen, jedoch auch Momente, in denen wir - unabhängig davon, ob wir im Amt oder in der Opposition sind - einstimmig auftreten müssen. „Als Stiftung versuchen wir, unabhängig vom Europatag die Botschaft zu vermitteln, dass es wichtig ist, in Angelegenheiten von nationalem Interesse Einigkeit zu wahren. Wir müssen an diesem zentralen Thema arbeiten, unabhängig davon, wer regiert, und wir müssen kontinuierlich daran arbeiten. Viele gut qualifizierte junge Menschen verlassen das Land und es ist wichtig, diesen Menschen die Perspektive zu geben, die die Europäische Union bietet. Ich freue mich, dass es eine Jugenddiskussion geben wird, um mit jungen Menschen direkt über die Zukunft diskutieren zu können. Es ist wichtig, am politischen Interesse und der Diskussionsbereitschaft zu arbeiten und wichtig, dass insbesondere die Politiker die Stimme junger Menschen hören.“
Katerina Jakimovska wies im Namen des Wilfried Martens Centre for European Studies gleich zu Beginn ihrer Einführung auf die Bedeutung von Frieden und Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit als gemeinsame Werte der Union und Nordmazedoniens hin, die aktuell besonders wichtig sind, da die Sicherheit durch den Krieg in der Ukraine bedroht sei. „Unsere Integration und die Unterstützung durch die Europäische Union werden heute mehr denn je benötigt, wobei es besonders nötig ist, die Stimme der jungen Menschen zu hören, die die Zukunft unseres Kontinents sind“, betonte Jakimovska.
Staatspräsident Stevo Pendarovski verwies in seinem Grußwort auf den altbekannten Spruch der Europäischen Union, nämlich die Erweiterungsmüdigkeit, und fügte hinzu, dass es politisch ungerechtfertigt und unverantwortlich sei, dass dieses Mantra von politischen Vertretern, die für die Arbeit für eine Verbesserung der Lage und des Lebens der Bürger bezahlt werden, verwendet wird.
„Es ist unsere Pflicht als Politiker, die Energie und Dynamik des Prozesses wiederherzustellen, der zumindest für die Länder des Westbalkans zu langsam voranschreitet, was sich unbestreitbar eher bremsend als hilfreich sowohl auf die Bereitschaft der Beitrittskandidaten als auch den Enthusiasmus für diesen Prozess bei Bürgern und Öffentlichkeit auswirkt. Wir, die politischen Vertreter der Bürger, die auf proeuropäischen politischen Plattformen deren Vertrauen gewonnen haben, sollten uns dessen bewusst sein, dass wir durch jede Wiederholung dieses Mantras nicht nur Defätismus verbreiten und den Prozess verzögern, sondern auch die Auswirkungen verstärken, die von den offenen und verdeckten Gegnern des Projekts Vereinigtes Europa gewünscht sind. Der einzige Effekt eines solchen Verhaltens ist die Aufrechterhaltung des geopolitischen Vakuums, das bereits im Entstehen ist. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass ein solches Vakuum in der Politik nicht lange bestehen bleibt und es klar ist, dass dieses Vakuum anstelle von der Europäischen Union von Akteuren besetzt werden wird, deren undemokratischer und destruktiver Einfluss zu Spaltungen und Konflikten führt und die sozioökonomische Entwicklung verlangsamt. Von daher lautet meine Botschaft an alle politischen Akteure, die die europäische Integration auch nur formal unterstützen: hören wir auf, uns mit der „Müdigkeit“ zu beschäftigen und konzentrieren wir uns stattdessen auf den Prozess.”
Die Podiumsdiskussion wurde von Andrej Lepavcov, dem früheren Botschafter bei der Europäischen Union, eröffnet, der in seiner Rolle als Moderator die Teilnehmer begrüßte und dabei insbesondere die Studenten als die Zukunft des Landes ansprach. Lepavcov gab eine kleine Einführung in die Diskussion, und erläuterte, dass die Erweiterung ein Thema sei, das uns motiviert, uns aber gleichzeitig auch beunruhigt, insbesondere im Kontext der früheren Flüchtlingskrise und des aktuellen Kriegs in der Ukraine. Es besteht auf der einen Seite der Eindruck, dass die Erweiterung um den Westbalkan in einer Sackgasse steckt, auf der anderen Seite jedoch kommen die Beitrittsverhandlungen laut der offiziellen Erklärungen in Brüssel voran. Die Aussagen widersprechen einander, was wiederum das Vertrauen der Bürger in die Union schmälert.
Nach der Einführung bat er den ersten Redner der Podiumsdiskussion, den Botschafter und Leiter der Delegation der Europäischen Union, David Geer, zu Wort.
Botschafter David Geer begann seinen Vortrag damit, dass er seine große Freude zum Ausdruck brachte, Teil eines solchen Forums zu sein, das die Idee der Europäischen Union, wie wir sie kennen, aktualisiert. „Wir leben in einer ungewöhnlichen Zeit, einer Zeit, in der der Ukraine-Krieg die Union verändert und die Position stärkt, die sowohl von der EU als auch vom Westbalkan vertreten wird, und zwar, dass die Integration für beide Seiten gleichermaßen notwendig ist. Dies beruht nicht auf Altruismus, sondern auf starkem Kalkül. Die Möglichkeit der Mitgliedschaft ist auch ein Anreiz für ausländische Direktinvestitionen, die für den Staat notwendig sind. Daher ist der wirtschaftliche einer der großen Vorteile. Mit dem Beitritt zur Union wird Ihr Land Teil des gemeinsamen Marktes sein und Waren, Kapital und Menschen werden sich frei bewegen, was dem Wirtschaftswachstum des Landes nur zugutekommen wird“, fügte Geer hinzu.
Die schwedische Botschafterin Ami Larsson Jain bedankte sich für die Einladung und beteiligte sich an der Diskussion, wobei sie ergänzte: „Die Antwort auf die Frage der Debatte von heute ist positiv, da es Benefize für beide Seiten gibt. Nordmazedonien genießt große Vorteile aus den Beziehungen zur EU und wenn das Land beitritt, werden diese natürlich noch umfangreicher. Ich möchte mir einen Moment Zeit nehmen, um das Wichtigste hervorzuheben: Korruption zerstört das Land. Diesem Bereich muss bei der Arbeit die größte Aufmerksamkeit geschenkt werden.“ Botschafterin Larsson Jain wies darauf hin, dass es keine Abkürzung zur Union gebe und dass rund um die Uhr gearbeitet werden müsse, um Ergebnisse zu erzielen. Die Integration Nordmazedoniens in die EU ist für beide Seiten gut. „Ich werde oft gefragt, ob die Integration Nordmazedoniens bis 2030 möglich ist, und ich antworte, dass es auf die Bürger ankommt. Vor dem EU-Beitritt sind grundlegende Änderungen erforderlich, die Ihr Land nicht an dem Tag, an dem Sie der Union beitreten, sondern an dem Tag, an dem Sie die Änderungen umsetzen, verändern werden.“
Monika Zajkova, Vorsitzende der Liberaldemokratischen Partei und Parlamentsabgeordnete, leitete ihren Beitrag ein, indem sie äußerte, dass Nordmazedonien vor großen Veränderungen stehe. Sie betonte, dass es nicht erst einen Krieg hätte geben dürfen, damit wir die Bedeutung der Europäischen Union erkennen. „Wir dürfen nicht erwarten, dass der Weg zur Union einfach ist, natürlich ist er holprig, aber wir als Politiker müssen unser Bestes tun, um uns für die Integration einzusetzen. Für die meisten Parteien ist die EU-Mitgliedschaft ein strategisches Ziel, sie haben jedoch unterschiedliche Ansichten darüber, wie der Prozess ablaufen soll. Jetzt haben wir keine Zeit mehr für Verzögerungen, sondern müssen uns auf das konzentrieren, was bereits begonnen hat. Als politische Parteien können wir keinen Konsens über die Umsetzung der Reformen erzielen, aber wir müssen uns darüber einig sein, dass sich die Probleme im Übermaß angehäuft haben. Wenn wir nicht begreifen, dass wir gemeinsame Antworten geben müssen und uns keine Hindernisse in den Weg legen dürfen, werden wir keine Reformen bekommen“, betonte Zajkova.
Afrim Gashi, Vorsitzender der politischen Partei Alternative und Parlamentsabgeordneter, begann seinen Vortrag mit der Feststellung, dass das Erweiterungskonzept heute aufgrund allgemeiner Veränderungen nicht nur in der Union, sondern auch in der Welt, etwas ganz anderes sei als früher. „Ebenso verändern sich auch die Beitrittspolitiken, was für die Balkanstaaten, die ohnehin schon andere Probleme haben, zu zusätzlichen Schwierigkeiten führt. Die Staaten des Westbalkans sind auch nach Jahrzehnten im Warteraum aufgrund der schlechten Beziehungen zwischen den Balkanstaaten selbst immer noch nicht bereit für einen Beitritt, der solange eine Illusion bleiben wird, bis diese Probleme überwunden werden. Sie können nur dann aufhören, wenn die sechs Länder einen gemeinsamen Dialog zur Lösung dieser Fragen führen“, ergänzte Gashi.
Abgerundet wurde die Podiumsdiskussion durch Timcho Mucunski, stellvertretender Vorsitzender der VMRO-DPMNE und Bürgermeister der Gemeinde Aerodrom, der äußerte, dass er sich beim Hören der Redebeiträge an das Jahr 2006 erinnert habe, als er Abitur machte und – angespornt aus 2005, als der Integrationsprozess im Vergleich zu heute eine größere Bedeutung hatte - über die europäischen Integrationsprozesse schrieb. „2005 erwarteten die Menschen, dass wir der Union 2012 oder 2013 beitreten würden, und heute sind wir bereits im Jahr 2023 und das Land ist immer noch nicht nah an einem Beitritt zur Union. Dennoch existiert eine transformative Rolle, unabhängig davon, ob und wie lange wir warten. Eine der Veränderungen ist die Visaliberalisierung, die es den mazedonischen Bürgern ermöglicht, zu reisen, was eine gute Möglichkeit ist, die Vorteile der Union zu zeigen und sie bei unseren Bürgern bekannt zu machen.“ Er beendete seinen Beitrag mit einem Hinweis auf Umfragewerte, die ein Indikator für die gesellschaftliche Enttäuschung in Bezug auf die Reformprozesse im Land sind, wobei er seine Überzeugung ausdrückte, dass die Mehrheit der Bürger sich darüber im Klaren ist, dass der EU-Beitritt des Landes von immenser Wichtigkeit ist. Er wird die Lebensweise der Menschen von heute und künftiger Generationen verbessern.
Die Veranstaltung wurde mit der Verleihung der Auszeichnung „Europäische Person des Jahres 2022“ an den mazedonischen Schriftsteller Tomislav Osmanli fortgesetzt. Er bedankte sich für die Nominierung und die Auszeichnung und fügte hinzu, dass seine politische Präferenz die Europäische Union sei, die er schon während der Existenz des früheren Staates vertreten habe.
Nach der Preisverleihung ging es mit dem Jugendclub weiter, der den jungen Menschen die Möglichkeit zu Diskussion und Beteiligung bot. Der Jugendclub startete mit einem Rednerwettbewerb, an dem Studenten verschiedener Universitäten in Nordmazedonien teilnahmen, die Universität „St. Kyrill und Methodius“ – Skopje, die Universität „Goce Delchev“ – Shtip, die Universität „St. Kliment Ohridski“ – Bitola und die Südosteuropa-Universität – Tetovo. Beim Wettbewerb stellten die Redner ihr Können unter Beweis und präsentierten gleichzeitig ihre Standpunkte zum Thema „Talking to Europe“. Nach dem Wettbewerb vergab die Jury den ersten Platz an Sara Markovska von der juristischen Fakultät „Justinian I“ an der Universität „St. Kyrill und Methodius“. Der zweite Platz ging an Bozhidar Donevski von der Universität „Goce Delchev“ und der dritte Platz an Kristijan Veljanovski von der Universität „St. Kliment Ohridski“.
Im Anschluss an den Rednerwettbewerb gab es eine Jugenddebatte mit dem Titel „Ich spreche mit Europa über meine europäische Zukunft“, in der Jugendliche aus weiterführenden Schulen und Universitäten ihre Ansichten zum Thema darlegten. Die Diskussion verlief fruchtbar und ging sogar über die vorgesehene Zeit hinaus, die die Jugendlichen nutzten, um sich mit Problemen auseinanderzusetzen, mit denen sie im Land konfrontiert werden. Sie betonten, dass ihre Stimme bei Politikern und Medien viel mehr Gehör finden sollte. Diskutiert wurde über Veränderungen, die sie sich in der Gesellschaft wünschen sowie darüber, wie die Mitgliedschaft in der Union bei der Umsetzung helfen könnte.
Ein Wissensquiz über die Europäische Union, an dem Oberstufenschüler aus weiterführenden Schulen der Stadt Skopje teilnahmen und in puncto Wissen und Schnelligkeit bei der Beantwortung von Fragen zur EU miteinander wetteiferten, beschloss die Veranstaltung. Die drei Schüler, die beim Quiz am besten abschnitten, waren Ivana Sarevska mit Platz 1, Martin Perchinkovski auf Platz 2 und Dimitar Georgiev auf Platz 3, alle Schüler des Gymnasiums „Georgi Dimitrov“.
Mit dem Quiz und der Preisverleihung endete die diesjährige Veranstaltung zum Europatag, dem 9. Mai, die mehr als 200 Teilnehmer hatte.