Der Dozenten sprach zunächst über die Voraussetzungen, um als außenpolitischer Akteur bezeichnet zu werden wie beispielsweise die Notwendigkeit von Institutionen, eines gemeinsamen politischen Willens sowie internationaler Glaubwürdigkeit. Während es der EU unter Umständen an einigen Aspekten mangele, insbesondere an einer gemeinsamen Stimme, ist Demmelhuber der Ansicht, dass sie dennoch als außenpolitischer Akteur wahrgenommen werden könne.
Was die EU-Beziehungen zum Nahen Osten betrifft hob er mehrere multilaterale Verträge hervor, welche die Bindung zwischen Europa und dem Nahen Osten stärkten, insbesondere der Barcelona-Prozess im Jahr 1995. Er erwähnte ferner die Berliner Erklärung in Folge des Oslo-Abkommens, in welcher die EU ausdrücklich die Idee einer palästinensischen Staatlichkeit befürwortet. Im Zuge der EU-Erweiterung 2004 entwickelte sich jedoch eine neue EU-Nachbarschaftspolitik. Die Herausforderungen, welche die neuen Mitglieder und insbesondere ihre Nachbarn mit sich brachten, führten Demmelhuber zufolge zu einem politischen Diskurs des Pragmatismus. Im Jahr 2011 wurden die Europäischen Staaten zudem von den Aufständen des Arabischen Frühlings überrascht, was die Frage aufbrachte, wie mit dem plötzlichen Demokratisierungsprozess der Nachbarn umzugehen ist. Auch dies soll weiter zur Idee einer pragmatischen Außenpolitik beigetragen haben. Heute wird der normative Kern der EU durch rechte Tendenzen und eine Erosion der Demokratie weiter herausgefordert.
Demmelhuber diskutierte weiterhin die Beziehungen zwischen der EU und Palästina, die in den 1970er Jahren im Rahmen des euro-arabischen Dialogs aufgenommen wurden. Heute ist die EU-Kommission die größte finanzielle Unterstützung für die Palästinenser und setzt sich für einen demokratischen und rechenschaftspflichtigen Staat ein. Dies kommt auch in einer Reihe von Vereinbarungen wie dem Aktionsplan 2013 oder der Europäischen Gemeinsamen Strategie zur Unterstützung Palästinas zum Ausdruck. Letztere beleuchtet unter anderem die Bereiche Governance-Reform, Rechtsstaatlichkeit, Bürgersicherheit und Menschenrechte sowie den Zugang zu Wasser- und Energiedienstleistungen.
Gegen Ende ging der Dozent auf das Thema Produktkennzeichnung und die komplexe Umsetzung des entsprechenden EU-Rechts ein. Abschließend bekräftigte der Gastredner, dass die Außenpolitik der EU gegenüber dem Nahen Osten eine Mischung aus ehrgeizigen Ideen, aber pragmatischen und verbesserungswürdigen politischen Ergebnissen ist.
Im Anschluss gab Marc Frings, der Direktor der KAS Ramallah, dem Publikum unter Bezugnahme auf den Vortrag einen praxisorientierten Einblick in die EU-Außenpolitik in der Region. Nach seiner Einschätzung stellten sich Frings und Demmelhuber den Fragen des Publikums.
Unser Partner, das Ibrahim-Abu-Lughod-Institut, hatte die Gelegenheit Professor Thomas Demmelhuber während seines Besuchs an der Birzeit Universität zu einem Vortrag einzuladen. Der deutsche Politikwissenschaftler teilte sein Fachwissen über die Außenpolitik der EU gegenüber dem Nahen Osten. Seine Prämisse war, dass die EU-Außenpolitik im Mittelmeerraum zunehmend pragmatisch wird, da die Entscheidungsfindung vom Drang nach Sicherheit und Stabilität geprägt ist.