Länderberichte
Katholische Kirche, Staat und Gesellschaft auf den Philippinen
Mehr als 300 Jahre spanische Kolonialherrschaft haben die Philippinen zum katholisch-christlichen Zentrum Asiens gemacht. In keinem anderen asiatischen Land ist der Einfluss der katholischen Kirche traditionell so stark gewesen. Auch heute noch besteht die Bevölkerung des Landes aus rund 80 Prozent (größtenteils gläubigen) Katholiken. Das Verhältnis von Staat zu Kirche ist in den vergangenen Jahren jedoch schwieriger geworden. Präsident Benigno Aquino, seit 2010 im Amt, gilt unter Kirchenvertretern als Enttäuschung. Zwar wird sein Kampf gegen die Korruption gewürdigt, doch wurde von ihm wesentlich mehr im Bereich der Armutsbekämpfung erwartet. Spätestens seit der Verabschiedung des Gesetzes über „Responsible Parenthood and Reproductive Health“ im Jahr 2013, welches Sexualaufklärung und die Ausgabe von Verhütungsmitteln fördert, ist das Verhältnis äußerst angespannt. Bemerkenswert in diesem Fall: Der Großteil der Bevölkerung unterstützte das Gesetz, welches die Katholische Bischofskonferenz zu verhindern suchte.
Auf den Philippinen formieren sich zunehmend gesellschaftliche Vereinigungen bekennender Katholiken, deren Ansichten und Forderungen teils deutlich von denen der Katholischen Bischofskonferenz abweichen (etwa Couples for Christ, El Shaddai). Mit der einflussreichen Iglesia ni Cristo ist sogar ein „Gegenspieler“ außerhalb des katholischen Spektrums entstanden.
Erwartungen versus Realität
Seitens der Katholischen Bischofskonferenz wurden vom Papst im Vorfeld des Besuchs „Direktiven“ für die Politik erwartet. Wer aber vermutete, dass Franziskus das kritische Verhältnis zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft erkennbar verändern würde, wurde enttäuscht. Zwar sprach sich der Papst erwartungsgemäß deutlich gegen politische Korruption aus und propagierte das klassische Bild der Familie, doch verschob keine seiner Aussagen das Gleichgewicht im Kampf um die öffentliche Deutungshoheit auf den Philippinen. Auch zum Thema Homosexualität, wozu Papst Franziskus sich bereits liberal geäußert hatte, fiel kein Wort während des Besuchs auf den Philippinen.
Anstrengungen, das Verhältnis zwischen Kirche und Staat zu verbessern, unternahm auch Präsident Aquino nicht. Aquino fand in seiner Rede anlässlich des Papstbesuches sehr deutliche Worte zur Katholische Bischofskonferenz und deren vermeintliche Duldung der Korruption seiner Vorgängerin Gloria Macapagal Arroyo (bis 2010). Zwar lobte der Präsident die Rolle der Kirche in der Überwindung der Marcos-Diktatur (1972-1986), doch verteidigte er auch erneut das Gesetz über „Responsible Parenthood and Reproductive Health“.
Papst Franziskus fokussierte sich auf seine Kernthemen: Im Lichte der jüngsten Ereignisse in Paris um den Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo, machte der Papst deutlich, dass es Grenzen der Meinungsfreiheit und der Satire gäbe – nämlich da, wo Religion verspottet werde. Mitnichten rechtfertige der Pontifex mit seiner Aussage jedoch jedwede Form von Extremismus oder Gewalt. Etwa fünf Prozent aller Filipinos bekennen sich zum Islam, im mehrheitlich muslimischen Süden Mindanaos soll eine autonome Region Bangsamoro entstehen. Franziskus setzte mit seiner Aussage ein Zeichen für Toleranz gegenüber dem Islam und jedweder Religion. Besondere mediale Aufmerksamkeit genoss der Besuch des Papstes in Tacloban, wo die schweren Verwüstungen des Taifuns Yolanda aus dem Jahr 2013 auch jetzt noch deutlich nachwirken. Franziskus machte somit klar, dass seine Priorität den Armen, Benachteiligten und weniger Privilegierten gilt. Ebenjene Priorität stand in direktem Zusammenhang mit seinem Appell für mehr Integrität und weniger Korruption, welche mitursächlich für die Situation der Armen ist. Ein Zeitungskommentar aus dem Philippine Daily Inquirer deutet die Nachricht des Papstes sinngemäß: „Korruption bedeutet nicht den Armen Ressourcen vorzuenthalten. Korruption bedeutet, von den Armen zu stehlen.“
Nachwirkung des Besuchs
Auch wenn sich die geradezu grenzenlose Euphorie, die der Besuch des Papstes ausgelöst hat, noch nicht abgeebbt ist, so kann doch schon eine Bewertung der Wirkung erfolgen. Papst Franziskus hat in Anbetracht aller Probleme, welche die Philippinen schwächen, klargemacht, was die Priorität für Politik, Gesellschaft und Kirche sein muss: die Armutsbekämpfung. Das Land, das von Korruption und politischer Patronage geprägt ist, hat längst den Anschluss in der Armutsbekämpfung verloren. Laos und Kambodscha etwa haben mittlerweile innerhalb Südostasiens weit größere Erfolge zu verbuchen als die Philippinen, welche vor wenigen Jahrzehnten noch eine der erfolgreichsten Wirtschaftsnationen Asiens waren. Ökologische Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöpfung, politische Integrität und Einsatz für die Armen forderte der Pontifex. Dies ist soweit nicht überraschend.
Doch bemerkenswert, insbesondere in Anbetracht der politischen und wirtschaftlichen Defizite auf den Philippinen, ist die Art und Weise, mit welcher Papst Franziskus Probleme thematisiert. Insbesondere seine Forderung, dass man selbst den Blickwinkel der Armen verinnerlichen müsse, stellt einen neuen Anfangspunkt zur Ableitung künftigen Handelns auch für politische Entscheidungsträger dar. Die von Franziskus selbst vorgelebte Demut und Integrität könnten auch für Entscheidungsträger in Politik und Kirche mehr denn je beispielhaft sein.