Veranstaltungsberichte
Das Machtgleichgewicht im Mittelmeerraum hat sich in den letzten Jahren im Kontext zunehmender Unsicherheit über die US-Präsenz in der Region, der Rolle regionaler Akteure und verstärkt auch der Aktivitäten Russlands entscheidend verändert. Um zu der Diskussion über Russlands Ambitionen in der Region und damit einhergehenden Veränderungen des geopolitischen Gleichgewichts beizutragen, lud das KAS Regionalprogramm Südliches Mittelmeer von 25.-26. September Experten im Rahmen eines Workshops zu „Russia in the Mediterranean: Stragies and Aspirations“ nach Tunis ein.
Die Teilnehmer betonten die sich verändernde Sicherheitsstruktur in der Mittelmeerregion, die sich an neuen Konfliktlinien zeigt. So wurden beispielsweise Spannungen zwischen islamistischen und nicht-islamistischen Kräften als eine zentrale Konfliktlinie für die zukünftige Entwicklung der Region genannt. Darüber hinaus spielen neue Sicherheitsrisiken und sich neu herausbildende Sicherheitsarchitekturen in der Sahel-Region eine wichtige Rolle. Im Kontext dieser Veränderungen wurden Kontinuitäten und Veränderungen im historischen und aktuellen russischen Diskurs und den Aktivitäten Russlands im Mittelmeer diskutiert und aufgezeigt, inwiefern die verstärkte, insbesondere militärische, Präsenz Russlands den Handlungsspielraum für andere Akteure einschränkt. Exemplarisch für diese ausgeweitete Präsenz wurde die Involvierung Russlands in die Konflikte in Syrien und Libyen beleuchtet. Unsicherheit über die zukünftige Rolle der USA in diesen Konflikten und der Region allgemein wurden als wichtige Variable genannt, die eine derartige Involvierung Russlands erst ermöglicht habe.
Darüber hinaus wurde die Rolle weiterer regionaler und internationaler Akteure und Allianzen im Kontext abnehmender US-Präsenz und ausgeweiteter russischer Aktivitäten in der Mittelmeerregion diskutiert. So bleibt abzuwarten, ob beispielsweise die derzeitige strategische Allianz zwischen Iran und Russland in Syrien über spezifische Zielsetzungen hinaus eine Zukunft hat oder eine kurzfristige Allianz bleibt, die nach Erreichung dieser Ziele auseinanderbricht. Es wurde eine allgemeine Tendenz zu stärkerer Kurzfristigkeit und Volatilität von Allianzen angemerkt, die den geopolitischen Kontext im Mittelmeer beeinflusst.
Obwohl das Verständnis der strategischen Zielsetzungen Russlands in einigen Aspekten noch lückenhaft bleibt, so zeigt sich klar, dass die verstärkte russische Präsenz bereits jetzt das regionale Machtgleichgewicht im Mittelmeer entscheidend beeinflusst und den Spielraum für andere Akteure deutlich verringert hat. Russland hat es geschafft sich als ein wichtiger geopolitischer und militärischer Akteur im Mittelmeerraum zu platzieren – eine Rolle die allem Anschein nach von Dauer sein wird.