Veranstaltungsberichte
Die Länder des Maghreb befinden sich an einem Punkt strategischer Neuausrichtung. Sie sehen sich einerseits konfrontiert mit stagnierendem Wirtschaftswachstum und durch Spannungen blockierte regional Integration. Andererseits besitzen die Länder der Region durch ihre Ressourcen und ihr Humankapitel ausgeprägtes Potenzial für nachhaltige und inklusive Entwicklung – falls die Nutzung dieser Ressourcen durch die Umsetzung gezielter struktureller Reformen möglich gemacht wird.
Um einen Beitrag zur Diskussion dieser Thematik zu leisten, organisierte das KAS Regionalprogramm Südliches Mittelmeer in Zusammenarbeit mit dem Maghreb Economic Forum (MEF) am 27. März 2018 eine Veranstaltung im Rahmen derer die Studie „Smart Development Strategy for the Maghreb: Structural Reform, a New Role for the State, Regional Integration“ vorgestellt wurde. Die Studie gibt auf Basis einer Analyse bestehender Entwicklungsmodelle konkrete Handlungsempfehlungen für strukturelle Reformen um Potenziale für wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung in der Region auszuschöpfen.
Co-Autor und früherer tunesischer Minister für wirtschaftliche Infrastruktur und nachhaltige Entwicklung, Hedi Larbi, stellt die Ergebnisse der Studie vor und stellte hierbei den Begriff „Reform“ als Schlüsselfaktor für Entwicklung in den Mittelpunkt. Um diese notwendigen strukturellen Reformen zu ermöglichen, müssen bestehende Blockaden auf politischer Ebene überwunden und eine neue und dynamische Rolle des Staates etabliert werden, die eine tragende Rolle des Privatsektors ermöglicht und einen Rahmen für ein Entwicklungsmodell bietet das sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert.
Während der anschließenden Diskussion betonten die Experten, dass zwar zahlreiche Gesetzes- und Reformentwürfe vorlägen, diese jedoch bis dato aufgrund institutioneller Blockaden und fehlenden politischen Willens nicht oder nur unzureichend umgesetzt wurden. Darüber hinaus wurde auf die oftmals unzureichende Qualität der Reformentwürfe hingewiesen, die auf fehlerhaften Analysen der zugrundeliegenden Probleme zurückgeführt wird.
Als ein zentraler Sektor für notwendige strukturelle Reformen wurde der Bildungsbereich hervorgehoben, um durch eine Verbesserung des verfügbaren Humankapitals inklusive Entwicklung zu ermöglichen. Darüber hinaus wurde auf die Stärkung der Rolle von Innovation und Unternehmertum verwiesen um die Kapazitäten des Privatsektors auszubauen – flankiert von einer notwendigen Stärkung des institutionellen Rahmens. Die Ausschöpfung von Potenzialen, die sich durch die digitale Revolution in diesem Zusammenhang bieten, wurde darüber hinaus als Chance hervorgehoben.
Insbesondere im derzeitigen Kontext regionaler Instabilität und der Verschiebung geopolitischer Machtgleichgewichte auf globaler Ebene ergibt sich außerdem eine erneuerte geopolitische Bedeutung der Maghrebregion. Durch die Überwindung bestehender Konfliktthemen, unter anderem des Westsahara-Konflikts und des Konflikts in Libyen, ergäbe sich das Potenzial für vertiefte Zusammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer Herausforderungen in den Bereichen Sicherheit und Entwicklung. So wird die Errichtung einer besser integrierten nordafrikanischen Zone als vielversprechende Option gesehen um gemeinsamen sozio-ökonomischen Herausforderungen der Länder der Region zu begegnen. Bis dato zeigt sich jedoch von Seiten individueller Staaten ein fehlender politischer Wille zu stärkerer regionaler wirtschaftlicher Integration. Staaten versuchen vielmehr ihre bilateralen Beziehungen mit der EU als Handelspartner auszubauen und verzichten damit auf potenzielle Vorteile durch horizontale regionale Kooperation.
In den abschließenden Bemerkungen hoben die Experten hervor, dass die zentrale Bedingung für wirtschaftliche Entwicklung nicht die schlichte Existenz oder das quantitative Level an Wachstum ist, sondern die Qualität dieses Wachstums. Dies umfasst sowohl die Nachhaltigkeit und Widerstandsfähigkeit des Wirtschaftswachstums, aber auch die Inklusivität und die Verteilung des entstehenden Wohlstands. In diesem Kontext wurde das Konzept von „good governance“ als Voraussetzung betont, um eine solche „intelligente“ und inklusive wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen.