Der Wahlkampf
Am 5. Februar 2023 errang Nikos Christodoulides im ersten Wahlgang als erster Politiker, der ohne die offizielle Unterstützung einer großen Partei (DISY oder AKEL) angetreten war, den ersten Platz. Auch wenn er nicht Kandidat seiner ehemaligen Partei DISY war, stimmten viele Anhänger der Partei wie auch jene von kleineren, konservativen Parteien für ihn. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte schaffte es dadurch die DISY nicht, ihren Kandidaten Averof Neofytou in die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen zu bringen, obwohl die breit aufgestellte Mitte-Rechts-Partei seit der Gründung des zyprischen Staates im Jahr 1960 die gesellschaftliche und wahlpolitische Mehrheit in Zypern wiederspiegelt.
In der zweiten Runde, die eine Woche später, am 12. Februar 2023, stattfand, trat Christodoulides gegen den AKEL-Kandidaten Andreas Mavroyiannis an. Hier gewann Christodoulides mit 51,92% zu 48,08% und errang einen weitaus knapperen Sieg als vermutet. In absoluten Zahlen gewann Christodoulides die Wahlen und das Präsidentenamt mit einem Vorsprung von 15.158 Stimmen bei einer Gesamtzahl von 406.616 Stimmen.
Warum hat Nikos Christodoulides gewonnen?
Nikos Christodoulides hat mit seinen Positionen zur Zypernfrage das rechte Publikum für sich gewonnen. Er wurde von der „Demokratischen Partei“, der EDEK und anderen außerparlamentarischen Parteien auf Zypern, wie der „Solidarität“, der „Tierpartei“ und den „Jägern“ unterstützt. Ein erheblicher Teil der rechtsextremen Partei ELAM, die im ersten Wahlgang 6% erhalten hatte, unterstütze den beliebten Ex-Aussenminister Christodoulides, während die Führung der DISY ihren Anhängern keine Wahlempfehlung für die zweite Runde gab. Zusätzlich erhielt er die Unterstützung des Staatspräsidenten Nicos Anastasiades (DISY), der den DISY-Vorsitzenden Averof Neophytou noch am Wahlabend aufforderte, sich klar für die Unterstützung der Kandidatur Christodoulides auszusprechen, was dieser nicht tat und dadurch einen ersten Riss in der Partei herbeiführte. Andreas Mavroyiannis wurde von der Linkspartei AKEL und von den in der zweiten Runde nun unabhängigen Kandidaten Achilleas Demetriades (2%) und Konstantinos Christofides (1,56%), aber auch von einem großen Teil der „Ökologischen Bewegung“ unterstützt. Es ist erwähnenswert, dass die Kandidatur von Mavroyiannis auch von hochrangigen DISY-Mitgliedern gegen Christodoulides bevorzugt wurde. Dazu gehörten vor allem der DISY-Vorsitzende Averof Neophytou, der nur Platz 3 im ersten Wahlgang erreichte, der derzeitige Außenminister Ioannis Kasoulides und der derzeitige Finanzminister Konstantinos Petrides. Sie wollten eher den Anführer einer politisch anderen Partei im Amt haben, um ggf. im Rahmen einer Koalition ein Ministeramt zu erhalten, als den als ebenso bürgerlich-konservativen „Verräter“ Christodoulides zu unterstützen. Es ist nun klar, dass der einst so mächtige Parteimaschine der DISY nicht geholfen hat, das Zünglein an der Waage zu sein.
Ergebnis des 1. Wahlganges Plätze 1-3
Ergebnis des 2. Wahlganges
Die DISY befindet sich in einer Phase der Selbstorientierung
Die DISY muss sich nach der für sie verloren gegangenen Präsidentschaftswahl neu orientieren, wobei der Ausgang noch ungewiss ist. Die internen Turbulenzen wurden auch durch die hinter den Kulissen ausgetragene Meinungsverschiedenheit zwischen dem ehemaligen Staatspräsidenten und ehemaligen Parteivorsitzenden Nikos Anastasiades und dem derzeitigen Parteivorsitzenden und Kandidaten der ersten Wahlrunde, Averof Neophytou, verschärft.
Im Zuge der Wahlniederlage erwarten Beobachter nun eine Neuausrichtung der DISY. Die Partei wählte am 11. März 2023 mit Annita Demetriou ihre neue Vorsitzende. Der erste Kandidat war im Februar der Parlamentsabgeordnete aus Nikosia und DISY-Pressesprecher Demetris Demetriou. Noch-Amtsinhaber Neophytou hatte zunächst erklärt, dass er und der stellvertretende Vorsitzende Haris Georgiades ebenfalls kandidieren würden, zog dann aber seine Kandidatur zurück, als die derzeitige Sprecherin des zyprischen Repräsentantenhauses, Annita Demetriou, ihre Kandidatur ankündigte. Sie gewann mit 69% ggü. Demetris Demetriou, der aber weiter eng in die Partei eingebunden bleiben wird.
Die Herausforderungen
Der neue Staatspräsident und die Regierung werden sich einer Reihe von Herausforderungen stellen müssen, wobei die Zypernfrage an erster Stelle steht. Die erste große Herausforderung für Christodoulides besteht darin, eine einheitliche Position zur Zypernfrage unter seinen Unterstützern zu schaffen: Parteien wie EDEK und "Solidarität" lehnen eine "bikommunale/bizonale Föderation" grundsätzlich ab, während die die DIKO von "richtigen Inhalten" spricht.
Auch die Absichten von Präsident Christodoulides in Bezug auf die Beziehungen zu den USA und Russland sind ein Prüfstein. Vor der Wahl schien Christodoulides den EU-Sanktionen gegen Russland weder zuzustimmen noch sie abzulehnen, was Vorwürfe nach sich zog, er unterhalte eine zu große Nähe zu Moskau. Seine Anhänger konterten jedoch, dass Christodoulides persönlich auf die Entscheidung der USA, ein historisches Waffenembargo gegen Zypern aufzuheben, hingewirkt habe.
Schließlich wird auch die Migrationsfrage, die die Insel beschäftigt, sowie die Glaubwürdigkeit Zyperns gegenüber der EU ein ernstes Thema für den neuen Präsidenten sein. Insgesamt hat dieser Wahlkampf gezeigt, dass alte Parteimechanismen nicht mehr alle klassischen Wähler der Partei binden und Wechselwähler anziehen. Vielmehr war die persönliche Popularität von Christodoulides hier ausschlagegebend. Die angesprochenen Themen im Wahlkampf wird die künftige Regierung nur im europäischen Kontext lösen können; dafür braucht sie eine weitere Einbindung in die EU. Gleichzeitig muss in den europäischen Hauptstädten ein stärkeres Bewusstsein für die Herausforderungen der Insel Zypern geschaffen werden. Mit dem neuen Präsidenten gibt es im Rahmen der Antrittsbesuche sicherlich genügend Gelegenheit.
Exkurs - Die neue Regierung
Elf Minister und sechs stellvertretende Minister bilden die Hauptregierung, die durch den Regierungssprecher, den Direktor des Büros des Präsidenten der Republik, die stellvertretende Regierungssprecherin, den Direktor des Pressebüros des Präsidenten der Republik, den Direktor des diplomatischen Büros des Präsidenten der Republik und den Kabinettssekretär ergänzt wird.