Das Bild Deutschlands als modernes Land mit einer starken Wirtschaft ist nach wie vor tief im Bewusstsein der Polen verankert. Allerdings hat sich das Bild des deutschen Staates in den letzten Jahren verschlechtert: Während der Anteil negativer Aussagen über Deutschland gering ist, sinkt der Anteil positiver Antworten in diesem Bereich stetig. Immer mehr Menschen äußern ambivalente Meinungen. Auch den Stil der deutschen Europapolitik bewerten die polnischen Befragten von Jahr zu Jahr zunehmend schlechter.
„Die scharfe anti-deutsche Rhetorik und die negative Darstellung Deutschlands während der Jahre der Regierung von Recht und Gerechtigkeit (PiS) haben die Ansichten der Polen nachhaltig beeinflusst, und der Regierungswechsel in Polen hat diesen Trend nicht aufgehalten“, kommentiert der Mitautor der Studie, der Soziologe Dr. Jacek Kucharczyk vom Institut für öffentliche Angelegenheiten (ISP) in Warschau. „Auch die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands und die besorgniserregenden Signale durch die Zunahme der Unterstützung für extreme Parteien bei dem westlichen Nachbarn tragen dazu bei“, fügt die Mitautorin des Berichts, Dr. Agnieszka Łada-Konefał, Politologin am Deutschen Polen-Institut in Darmstadt, hinzu.
Gleichzeitig bestätigt die diesjährige Studie die Trends der vergangenen Jahre – die polnischen Bewertungen bezüglich Deutschlands und der deutsch-polnischen - Beziehungen hängen deutlich von den spezifischen politischen Sympathien der Polen ab. „Wähler der derzeit regierenden Parteien nehmen Deutschland positiver wahr als die Wähler der PiS“, merkt Dr. Kucharczyk an.
Die Studie zeigt auch, dass trotz des Regierungswechsels in Polen die Thematisierung von Reparationen für die polnischen Verluste im Zweiten Weltkrieg durch die Vorgängerregierung sich nachhaltig auf die Wahrnehmung Deutschlands und der deutsch-polnischen Beziehungen ausgewirkt hatte. Jeder fünfte befragte Pole assoziiert Deutschland in einem historischen Kontext. Der Anteil der polnischen Befragten, die der Meinung sind, dass in den bilateralen Beziehungen Fragen der Vergangenheit Priorität haben sollten, ist deutlich gestiegen (2024 - 36 %, 2021 –
24 %).
Die Deutschen verbinden das Land und die Bevölkerung ihres östlichen Nachbarn mit schönen Landschaften und einem attraktiven Reiseziel (ein Viertel aller Assoziationen). Das Bild des „stehelenden Polen“, welches einst stark im deutschen Polenbildes verankert war, taucht zwar in den genannten Assoziationen auf, kommt jedoch selten vor.
Das polnische Deutschlandbild ist seit Beginn der Studienreihe Deutsch-Polnisches Barometer besser als das deutsche Polenbild, wo zwischen einem Viertel und der Hälfte der Befragten positive Meinungen über das Nachbarland äußern. „Eine solche Wahrnehmungsasymmetrie beobachten wir seit Jahren in unseren Analysen. Allerdings ist auf der deutschen Seite eine deutliche Verbesserung des Bildes von Polen im Vergleich zu den Ergebnissen von vor einem Jahr zu erkennen, was sicherlich mit dem Regierungswechsel in Warschau zusammenhängt“, erklärt Dr. Łada-Konefał.
Auf beiden Seiten der Grenze hat sich die Bewertung des Zustands der deutsch-polnischen Beziehungen verbessert. Derzeit bewerten jeweils zwei Drittel der Befragten in beiden Ländern den Zustand als gut. „Es ist zu erkennen, dass die Öffentlichkeit den mehrfach geäußerten Zusicherungen der regierenden Politiker geglaubt hat, wonach die bilateralen Beziehungen wieder auf den Weg der Zusammenarbeit zurückkehren werden, obwohl in der Realität nur wenige konkrete Schritte zur Stärkung dieser Kooperation unternommen wurden“, kommentiert Dr. Łada-Konefał.
In Bezug auf alle Maßnahmen zur Unterstützung der Ukraine findet die Einführung wirtschaftlicher Sanktionen gegen Russland in beiden Ländern die größte Zustimmung. In Polen ist diese Unterstützung deutlich stärker (75 %) als in Deutschland (58 %). Etwas kleinere, aber immer noch bedeutende, Unterschiede bestehen lediglich hinsichtlich Erwerbsverzichts auf russische Energierohstoffe oder Waffenlieferungen an die Ukraine. Nur die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge findet in Deutschland (58 %) stärkere Unterstützung als in Polen (51 %). „Die Ergebnisse der Studie weisen auf eine gewisse Ermüdung in beiden Ländern bezüglich des Themas der russischen Aggression gegen die Ukraine und der Maßnahmen zur Unterstützung der kämpfenden Ukrainer hin“, erklärt Dr. Kucharczyk.
Die aktuelle Studie 2024 ist Teil der Reihe „Deutsch-Polnisches Barometer“, durchgeführt vom Institut für Öffentliche Angelegenheiten in Warschau, dem Deutschen Polen-Institut in Darmstadt, der Konrad-Adenauer-Stiftung in Polen und der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. Die Umfragen wurden von dem Marktforschungsunternehmen Ipsos realisiert mithilfe der CAWI-Methode (unter Verwendung eines Online-Panels) mit je einer repräsentativen Gruppe von 1.000 Einwohnern in Polen und 1.000 Einwohnern in Deutschland im Alter zwischen 18 und 75 Jahren. Durchgeführt wurden die Umfragen zwischen dem 20. und 27. August 2024. Beide landesweiten Stichproben von Befragten sind repräsentativ nach Geschlecht, Alter, Bildungsniveau und Wohnort.