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Veranstaltungsberichte

Für eine an Menschenrechte gebundene Außenpolitik

von Dr. Angela Merkel

Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu 60. Jahrestag der Erklärung der Menschenrechte

Rede von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel beim Festakt "60 Jahre Menschenrechte" von Amnesty International und der Friedrich-Ebert-Stiftung am 10. Dezember 2008 in Berlin

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Sehr geehrte Frau Fuchs,

sehr geehrte Frau Lochbihler,

Herr Bundesminister, Herr Vizekanzler, lieber Herr Steinmeier,

liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Deutschen Bundestag,

meine Damen und Herren,

ich bin der Einladung zu dieser gemeinsamen Konferenz der

Friedrich-Ebert-Stiftung und von Amnesty International gern gefolgt, wobei ich

nicht zum ersten Mal in der Friedrich-Ebert-Stiftung bin. Wir können uns

vielleicht so verabreden, Herr Steinmeier: Immer dann, wenn Sie einmal bei der

KAS waren, komme ich einmal zur Friedrich-Ebert-Stiftung.

Der Schutz der Menschenrechte hat einen zentralen Stellenwert in der Politik der

Bundesregierung das ist heute schon mehrfach gesagt worden. In diesem

Zusammenhang ist es unverzichtbar, sich immer wieder aufs Neue zu

vergegenwärtigen, dass der Schutz der Menschenwürde und der Menschenrechte alles

andere als selbstverständlich ist.

Wir sollten uns dabei vor Augen führen, dass wir "60 Jahre Menschenrechte" in

einer Stadt begehen, in der die Mauer, die die Stadt teilte, gerade erst vor 19

Jahren gefallen ist. Die Frage, wie wir in der früheren, alten Bundesrepublik und

der früheren DDR miteinander umgegangen sind, liefert uns einen kleinen Einblick

in das, was Mut im Einsatz für Menschenrechte bedeutet auf der einen Seite für

diejenigen, die wie ich in der früheren DDR gelebt haben. Dort gab es keine

Meinungsfreiheit, wie wir sie heute verstehen, keine Freiheit der Rede, keine

Reisefreiheit. Man hat darum gerungen, wo man was sagt, wie man sich äußert. Die

Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen, war dort besser ausgeprägt als in den

Ländern, in denen Meinungsfreiheit wirklich gilt.

Man kann auf der anderen Seite natürlich auch über den Mut derer nachdenken, die

in der freien, alten Bundesrepublik gelebt haben, wenn es etwa darum ging, ein

Buch über die Grenze nach Osten zu bringen, das sich dort jemand wünschte. Das

Herzklopfen, das Nachdenken, wie man es versteckt, die Angst, ob der

Grenzpolizist oder die Grenzpolizistin, die manchmal noch schlimmer war, überall

nachschaut all das sollten wir nicht vergessen, um zu erahnen, wie viel man doch

auch persönlich einbringen muss, um sich für Menschenrechte wirklich einzusetzen.

Deshalb waren, sind und bleiben Mauer und Stacheldraht für mich augenscheinlicher

Ausdruck dafür, wie wertvoll, aber auch wie verletzlich Menschenrechte sind.

Wir sind heute in einer glücklichen Situation, auch wenn wir in unserem Land

immer wieder wachsam sein müssen. Wir brauchen uns an der Mauer, die gegen

Menschenrechte stand, nicht mehr den Kopf einzurennen, sondern können heute

unseren Blick auch in andere Länder richten und tun das ja auch.

Der heutige 10. Dezember erinnert uns daran, dass vor 60 Jahren die

Generalversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der

Menschenrechte verabschiedet hat ein Schritt, der sich in seiner internationalen

Dimension in Jahrzehnten entfaltet hat und auch weiter entfalten wird. Seitdem

gibt es neue Maßstäbe, globale Maßstäbe, unteilbare Maßstäbe. Aber wir wissen

auch, wie viel noch zu tun ist. Das führen uns die Nachrichten und unsere

Kenntnisse jeden Tag vor Augen. Doch seit dem 10. Dezember 1948 existiert eine

gültige und inzwischen weltweit akzeptierte Berufungsgrundlage.

Der damalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan, hat vor zehn

Jahren zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte dargelegt: "Ein Vermächtnis

an die menschliche Hoffnung am Ende eines Jahrhunderts menschlicher Verluste."

Damit hat er wunderbar beschrieben, was das 20. Jahrhundert geprägt hat. Und er

hat damit auch die Aufgabe für uns im 21. Jahrhundert gestellt.

Unter dem unmittelbaren Eindruck der Schrecken von Tyrannei, Nationalsozialismus

und zweier Weltkriege hatte die internationale Staatengemeinschaft 1948 die Kraft

zu dieser Menschenrechtserklärung aufgebracht. Wir können sagen, dass auch unser

Grundgesetz von dieser Menschenrechtserklärung stark geprägt ist. Artikel eins

Absatz eins unseres Grundgesetzes lautet: "Die Würde des Menschen ist

unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen

Gewalt." Das heißt für uns, dass wir nicht schweigen dürfen, wenn es um

Menschenrechte geht. Aber ich sage auch ganz deutlich ich glaube, das weiß jeder

hier im Raum: Es ist nicht so einfach, dies jeden Tag treffsicher zu entscheiden.

Menschenwürde ist nicht relativierbar. Sie gilt für jeden gleichermaßen, in allen

Staaten, Kulturen und Religionen. Es gibt keine Unterscheidung zwischen wichtigen

und weniger wichtigen Menschenrechten. Deshalb darf man Menschenrechte zum

Beispiel auch nicht mit Traditionen nivellieren. Für Ehrenmorde, für

Zwangsverheiratung können und dürfen Traditionen kein Vorwand sein. Im konkreten

Gespräch ist die Argumentation trotzdem oft keine ganz einfache, weil die Linie

zwischen Respekt vor Kulturen und Traditionen sowie den Menschenrechten oft

missbraucht wird.

Oder nehmen wir den klassischen Fall, mit dem wir sehr oft konfrontiert sind.

Ausbau der Handelsbeziehungen, Sicherung der Energieversorgung, Bewältigung der

Finanzkrise es gibt eine Vielzahl von wirtschaftlichen Interessen und

Sicherheitsinteressen, von denen wir wissen, dass wir sie nur gemeinsam mit

anderen Staaten erfolgreich verfolgen können. Es ist auch legitim und wichtig,

sie zu verfolgen. Aber ich glaube, es ist in diesem Zusammenhang auch richtig zu

sagen, dass deutsche Außenpolitik immer auch eine wertegebundene, nämlich eine an

die Menschenrechte gebundene Außenpolitik war, ist und auch bleiben sollte.

Aber auch hierbei gibt es im Einzelfall natürlich immer wieder Spannungen. Jeder

hier im Saal weiß zum Beispiel, dass es zwischen mir und dem Bundesaußenminister

einen Disput über die Frage des Empfangs des Dalai Lama gab. Aber solche Dispute

wird es immer wieder geben. Ich glaube, wir sollten auch durchaus miteinander

darum ringen. Das Gute ist, dass wir als Bundesregierung niemals zulassen werden,

dass Werte und Interessen miteinander in eine unzulässige Konkurrenz treten,

sondern dass wir von dem gemeinsamen Bemühen geprägt sind, immer wieder die

richtige Balance zu finden. Aber ich sage auch: Wir können bei dieser Suche nach

der Balance nicht erwarten, dass wir dafür von allen

Nichtregierungsorganisationen in jeder Sekunde immer gepriesen und gelobt werden.

Es ist vielmehr gut, dass wir manchmal auch dazu ermahnt werden, nicht zu schnell

einen einfachen Kompromisspfad zu suchen.

Ich sage, dass es richtig ist, dass alle Bundeskanzler der Bundesrepublik

Deutschland die Achtung der Menschenwürde als gemeinsames Wertefundament deutlich

gemacht haben. Ich glaube, dass diese gemeinsame Grundlage auch erleichternd für

die Zusammenarbeit mit unseren Kollegen in den anderen Mitgliedstaaten der

Europäischen Union ist. Das schafft Kraft. Das schafft Vertrauen. Das fordert uns

aber auch auf, wenn wir manchmal durchaus unterschiedliche Wege gehen, innerhalb

der Europäischen Union zusammenzuhalten und immer wieder eine gemeinsame Lösung

zu finden.

Wir setzen uns gegen Folter und Todesstrafe ein. Beides ist weder ethisch noch

rechtspolitisch zu rechtfertigen. Ich glaube, es war ganz wichtig, dass im Rahmen

der 62. Generalversammlung der Vereinten Nationen erstmals eine Resolution gegen

die Todesstrafe durchgesetzt werden konnte. Dadurch gewinnen Ansichten und

Überzeugungen, dass der Schutz von Menschenrechten keine rein nationale Aufgabe

ist, mehr Nachdruck. Auch und gerade das Thema Todesstrafe muss eben immer wieder

mit allen Ländern besprochen werden und kann auch nicht einfach mit Blick auf

Traditionen oder alte Rechtsetzungen legitimiert werden.

Ich glaube deshalb auch, dass wir die Spannungsfelder aushalten müssen, wenn es

um das geht, was der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in den 90er Jahren

eindrucksvoll verdeutlicht hat und in Anerkennung dessen der Weltgipfel 2005 als

"responsibility to protect" also der Verantwortung, zu schützen bezeichnet hat.

Das ist ein sehr kompliziertes Thema. Auf der einen Seite ist die nationale

Souveränität eines Staates ein hohes Gut. Deshalb darf der zitierte Satz des

Weltgipfels natürlich nicht als Freibrief oder Aufforderung verstanden werden, in

jedem Fall, zu jeder Zeit und überall von außen einzugreifen; das kann immer nur

das letzte Mittel, die ultima ratio sein. Das sollte, wo immer möglich,

völkerrechtlich verbindlich gemacht werden. Aber dieses Mittel dürfen wir eben

auch nicht ausschließen; und das prägt auch die Politik der Bundesregierung.

Aber auf der anderen Seite darf die nationale Souveränität Regierungen nicht als

Vorwand dienen, völlig ungehindert schwere Menschenrechtsverletzungen begehen zu

können oder geschehen zu lassen. Das ist auch die Botschaft des Weltgipfels von

2005 gewesen. Wir müssen also immer beachten: Die Staatengemeinschaft muss

wachsam sein. Sie ist auf die Unterstützung von Regionalgemeinschaften

angewiesen. Deshalb ist Teil unserer Politik auch die Stützung und Stärkung

dieser Regionalgemeinschaften.

Oft wird jeder von uns spüren, wie ungeduldig man sein kann, wenn wir zum

Beispiel an Simbabwe denken, wenn wir immer wieder mit der Afrikanischen Union

sprechen, wenn wir im kleinen Kreis und bilateral vieles hören, was uns in der

Einschätzung eint, wenn wir dann immer wieder auf Verhandlungserfolge warten und

uns immer wieder fragen, ob es richtig ist, dass wir so lange warten, und ob wir

genug tun. Ich glaube, diese Zwiespälte, diese Konflikte, diese Fragestellungen

werden uns auch in den nächsten Jahren begleiten, weil sie zum politischen

Prozess gehören.

Aber es gehört eben auch dazu, die Kräfte vor Ort deshalb setze ich genauso wie

der Bundesaußenminister auf solche Regionalorganisationen immer wieder zu

stärken. Ansonsten wird unsere Politik oft viel zu schnell als eine Politik des

Unverständnisses gegenüber den jeweiligen regionalen Besonderheiten verstanden.

Wenn ich ehrlich bin: Wir sollten nicht Traditionen als Vorwand für

Menschenrechtsverletzungen akzeptieren, aber wir sollten auch dazu bereit sein,

noch mehr über Kulturen und Lebensverhältnisse in anderen Teilen der Welt zu

lernen, als wir heute wissen, um daraus auch ein Stück Respekt zu gewinnen.

Aber ich glaube, wir sind uns einig, dass wir alles daransetzen müssen, gerade in

Simbabwe ein Leben ohne den Terror von Präsident Mugabe zu ermöglichen sei es

durch direktes Auftreten, sei es durch Ermutigung der Afrikaner. Wir dürfen das

Leiden, das Elend und die Not der unzähligen vergewaltigten Frauen im Kongo nicht

vergessen. Wir müssen unsere Stimme gegen dieses furchtbare Unrecht erheben. Wir

müssen in enger Zusammenarbeit mit unseren europäischen Partnern und weltweit

frühzeitig auf solche Dinge hinweisen. Aber es ist nicht einfach, zuzusehen, wie

17.000 UN-Soldaten nicht in der Lage sind, solche Menschenrechtsverletzungen zu

verhindern. Deshalb möchte ich dem Bundesaußenminister auch danken, dass er sich

sehr viel dafür eingesetzt hat, dass jetzt wenigstens ein Prozess in Gang kommt,

in dem Verhandlungen möglich sind. Wir werden alles tun, um hierbei hilfreich zu

sein.

Es gilt natürlich, das direkte Gespräch zu suchen öffentlich und auch

nicht-öffent-lich, sowohl in bilateralen Begegnungen als auch mit

Menschenrechtsorganisationen. Es gibt zum Beispiel den Rechtsstaatsdialog mit

China, der hier schon erwähnt wurde und den ich für außerordentlich wichtig

halte.

Wir dürfen uns allerdings auch nicht im Charakter von Unrechtsregimen täuschen.

Menschenverachtende Regime selbst legen nicht allzu viel Wert auf diplomatisches

Vorgehen. Oft testen sie uns in unserer Entschlossenheit. Deshalb sollten wir

diesbezüglich auch immer wieder versuchen, an die Grenzen zu gehen. Ich möchte

mich deshalb auch bei dem Beauftragten der Bundesregierung für

Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Günter Nooke, bedanken Frau

Lochbihler hat mir gerade gesagt, dass er bei einer anderen Veranstaltung ist ,

der sich mit seinem Team im Auswärtigen Amt unermüdlich einsetzt und eine klare

Sprache findet.

Für ein glaubwürdiges und starkes Eintreten für Menschenrechte haben wir im

Rahmen der Vereinten Nationen den Menschrechtsrat. Ich sage ganz deutlich: Er

wird seinen Anforderungen nicht immer gerecht. Er stellt unsere Geduld an vielen

Stellen auf die Probe. Dennoch halte ich ihn für eine wichtige Institution. Wir

müssen lernen, in ihm international zusammenzuarbeiten. Aber man braucht gemessen

an den konkreten Schicksalen vor Ort im Zusammenhang mit der aktuellen Textarbeit

am Komma und jeder einzelnen Formulierung schon ein hohes Maß an innerer

Festigkeit, um den Verhandlungsprozessen eben auch immer wieder eine Chance zu

geben.

Gerade im Zusammenhang mit dem Menschenrechtsrat haben wir uns oft die Frage

gestellt: Sollen wir herausgehen, nicht weiter mitmachen? Die feste Überzeugung

lautet: Wer herausgeht, muss auch wieder hineingehen. Denn wenn wir nicht mehr

dabei sind, haben es die anderen noch einfacher. Aber ich will hier nicht den

Eindruck erwecken, das gehe alles ohne jede Emotion. Trotzdem ist es richtig,

dass sich die Bundesrepublik und die Bundesregierung immer wieder zu diesen

internationalen Institutionen bekennen, weil es zu ihnen keine Alternative gibt.

In diesem Zusammenhang möchte ich auch den Internationalen Strafgerichtshof

erwähnen. Er ist sozusagen eine verspätete Institutionalisierung dessen, was in

der Menschenrechtserklärung schriftlich niedergelegt ist. Er ist eine globale

Institution. Gerade im Zusammenhang mit der Finanzkrise haben wir uns im

internationalen Bereich jetzt sehr viel über die Möglichkeiten, die Chancen und

die Notwendigkeit von globalen Institutionen unterhalten. Es gibt das weit

verbreitete Misstrauen, gerade auch unter den Entwicklungs- und Schwellenländern,

dass vermeintlich globale Institutionen immer wieder nur dazu genutzt werden

könnten, den ökonomisch starken Ländern ein besonders starkes Forum zu bieten.

Deshalb wird es an dieser Stelle gerade auch an uns sein, für diese glob alen

Institutionen einzutreten und sie sozusagen nicht aus nationaler Sicht zu

bedienen, sondern aus der Sicht der Werte, für deren Wahrung sie geschaffen

wurden. Das ist beim Internationalen Strafgerichtshof genauso wichtig wie bei

anderen Einrichtungen.

Es muss klar werden, dass Nationalstaaten damit auch ein Stück Kompetenz abgeben

und sich der Beurteilung globaler Institutionen unterwerfen. Wir Europäer haben

damit nicht die größten Schwierigkeiten, weil wir nach dem Zweiten Weltkrieg

diese Erfahrung zu unserem eigenen Wohle gemacht haben. Wir wissen, dass uns

durch die Abgabe nationaler Kompetenzen die Europäische Union wirtschaftlichen

Wohlstand, soziale Prosperität und auch politische Kraft verleiht. Aber diese

Erfahrung sollten wir mit anderen teilen, zum Beispiel auch im Rahmen der

Afrikanischen Union und anderer Regionalbündnisse.

Wir müssen natürlich dafür eintreten, dass sich weltweit auch Regierungschefs und

Regierungsmitglieder vor strafrechtlicher Verantwortung nicht drücken können. Das

ist im konkreten Fall eine gar nicht so einfache Sache. Man verhandelt zum

Beispiel auf der einen Seite mit dem Sudan, mit dem Regierungschef, und auf der

anderen Seite steht eine Anklage in Frage. Wir bekennen uns zu diesem

Verhandlungsprozess und wissen nicht, ob er dadurch nicht noch mehr ins Stocken

gerät, obwohl er schon sehr langsam vonstatten geht, und gleichzeitig haben wir

Ja zum Internationalen Strafgerichtshof gesagt und können in dem konkreten Moment

dann nicht Nein sagen. So haben wir es auch gehalten. Aber ich will durchaus

sagen, dass einem bei solchen Dingen, die scheinbar klar sind, viele Aspekte

durch den Kopf gehen.

Es gibt also durch die allgemeine internationale Menschenrechtsdeklaration auch

eine Verpflichtung zu globalem Handeln. Es gibt am Anfang des 21. Jahrhunderts

keine Abschottung der einzelnen Regionen der Welt mehr. Wir haben die technischen

Voraussetzungen dafür, dass vieles ans Licht kommt, auch ans Licht gezerrt werden

kann. Man kann sich nicht mehr vom Internet und anderen Kommunikationsmitteln

einfach abschotten. Wir haben damit die Chance, dass diejenigen, die unter

Menschenrechtsverletzungen leiden und das sind viele , ihre Stimme auch

international immer wieder deutlich machen können.

Wir wissen auch aus vielen Beispielen in der früheren DDR, wie wichtig es für

Menschen war, wenn sie in Bautzen oder anderswo in Haft saßen, dass es in

freiheitlichen Ländern Menschen gab, die davon wussten, die davon gesprochen

haben und die das nie in Vergessenheit geraten ließen. Wenn wir uns überlegen,

wie viele Schicksale viel schwierigerer Natur es heute auf der Welt gibt, dann

wird in der freiheitlichen Welt eigentlich jeder gebraucht, um für ein oder zwei

solcher Schicksale einzutreten.

Wir wissen, dass wir jetzt wieder in eine auch für uns wirtschaftlich

schwierigere Zeit kommen. Die Gefahr, dass wir dann erst einmal an uns selbst

denken und sagen, die anderen Dinge können vielleicht noch einen Moment warten,

ist immer gegeben. Deshalb möchte ich enden mit einem herzlichen Dankeschön an

Amnesty International, stellvertretend für so viele Organisationen, und,

stellvertretend für die Stiftungen in unserem Land, auch an die

Friedrich-Ebert-Stiftung und an Anke Fuchs. Ich möchte dafür danken, dass Sie

egal ob ein Thema ganz oben auf der Tagesordnung steht oder droht, vergessen zu

werden auf der einen Seite immer wieder für Menschenrechte eintreten, den Finger

in die Wunde legen, aufmerksam machen und damit Menschen und Familien eine große

Sicherheit selbst in schwierigsten Situationen geben und auf der anderen Seite

politische Führungen egal ob bei uns oder woanders auf der Welt immer wieder

mahnen und drängen, das Richtige zu tun.

"60 Jahre Allgemeine Menschenrechtserklärung" ist ein Anlass, im Zweifelsfall

noch mutiger, noch entschiedener zu sein, aber auch ein Anlass, zu sagen: Die

Bundesrepublik Deutschland hat ein politisches Fundament, das den

Nichtregierungsorganisationen erlaubt, für Menschenrechte einzutreten, und sie

hat eine Bundesregierung, die sich der Mühe unterzieht, Menschenrechte auch im

täglichen Handeln ernst zu nehmen.

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