Veranstaltungsberichte
Vor dem Hintergrund, dass in Polen zwar seit Jahren die Zustimmungszahlen für die Europäische Union und die Idee „Europa“ so hoch sind, wie nur in wenigen Ländern der Union (65%, Herbst 2008), aber die Wahlbeteiligung bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament 2004 weit hinter diesen Werten zurückblieb (20,42%), engagiert sich die Konrad-Adenauer-Stiftung in Warschau in Vorbereitung auf diese Wahlen in besonderem Maße in diesem Bereich. Gerade jungen Menschen sollen sich durch den spielerischen Ansatz bei der Politik-Simulation mit europapolitischen Themen beschäftigen und zu einer Teilnahme an den Wahlen ermuntert werden.
Im Rahmen einer eigens zu diesem Zweck konzipierten Wahlsimulation fanden deshalb in den vergangenen Monaten in jeder polnischen Wojewodschaft fiktive Urnengänge statt, in denen jeweils 10 Abgeordnete bestimmt wurden. Zum Abschluss der Veranstaltungsreihe, die den Titel „Europäisches Parlament +/- 50“ trägt und aus Mitteln des Europäischen Parlaments und der Adenauer-Stiftung finanziert wird, wird im Februar eine zweitägige Simulation einer Sitzung des Europäischen Parlaments in Warschau stattfinden, an der die gewählten „Abgeordneten“ beteiligt sein werden.
Trotz des relativ frühen Beginns der Simulationsveranstaltung in Bydgoszcz fanden sich etwa 100 Studenten in der Aula der örtlichen Universität ein, um am Anfang der Veranstaltung einiges über die Arbeit des Europäischen Parlaments und die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen „ihres“ Staates, der Mitglied der Europäischen Union ist und den klangvollen Namen „Nybilandia“ trägt, zu erfahren: Nybilandia ist seit etwa 5 Jahren Mitglied der EU, verfügt über ein stabiles demokratisches System und eine funktionierende Marktwirtschaft und diskutiert über die Einführung des Euro. Leider ist allerdings auch dieser europäische Staat von der Wirtschaftskrise betroffen, seine Infrastruktur ist rückständig, die Bevölkerung zwischen Land und Stadt gespalten und eine Reform der Landwirtschaft sowie der sozialen Sicherungssysteme ist dringend notwendig. Die Wahlbeteiligung bei den letzten Wahlen zum Europaparlament betrug in Nybilandia etwa 30 Prozent. Insgesamt weist der fiktive Staat damit durchaus beabsichtigte Parallelen zu Polen selbst auf.
Nach der Aufteilung der Teilnehmer in 10 verschiedene Gruppen von politischen und gesellschaftlichen Akteuren –Parteien (8), Wahlkomitee, Medien – begann mit der Hilfe von vier Trainern die inhaltliche Arbeit. Die Parteien arbeiteten Wahlprogramme aus und wählten die Kandidaten, das Wahlkomitee setzte sich mit den Rahmenbedingungen zur Regelung dieser Wahl auseinander und die Medien begannen mit den gewählten Politikern Interviews zu führen und Wahlzeitungen vorzubereiten. In den folgenden Stunden tobte auf den Fluren der Universität der Wahlkampf: Plakate und Flugblätter wurden erstellt und verteilt, Boulevardjournalisten enthüllten Details aus dem Privatleben der Politiker und das Wahlkomitee zerbrach sich die Köpfe, was sich genau hinter Begriffen wie „direkte Wahlen“ oder „Auszählungsverfahren nach d’Hondt“ verbergen könnte.
Während einer abschließenden Pressekonferenz, die einem Rededuell der Spitzenkandidaten nachempfunden war, hatten Presse und Teilnehmer die Möglichkeit den jeweiligen Parteien auf den Zahn zu fühlen und Fragen zum politischen Programm zu stellen. Außenpolitische Themen standen dabei ebenso auf der Agenda, wie die Verbesserung der allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen. Zum Abschluss der Veranstaltung erfolgte, ganz wie in der Realität, die eigentliche Wahl, die die Christdemokraten und die Sozialisten mit gleicher Stimmenzahl gewannen.
Im Nachgang der Veranstaltung bleibt festzuhalten, dass die teilnehmenden Studenten ein hohes Maß an Motivation zeigten und sich in der abschließenden Evaluation positiv über die Organisation, den Inhalt und die gewonnenen Anregungen aus dieser Veranstaltung äußerten. Auch lokale Radio- und Fernsehstationen berichteten über die gelungene Wahlsimulation im Geburtsort des polnischen Außenministers Radek Sikorski.